Berlin. Dreieinhalb Jahre wurde im Bushido-Prozess verhandelt. Nun steht fest: Clan-Chef Arafat Abou-Chaker kommt mit einer Geldstrafe davon.

Mit geballter Faust verließ Clanchef Arafat Abou-Chaker am Montag den Gerichtsaal. „Die Gerechtigkeit hat endlich gesiegt!“, rief er nach der Urteilsverkündung der 38. Strafkammer und schrie die Namen seines Verteidigungsteams in die überfüllte Treppenhalle des Landgerichts Berlin hinaus. Zuvor war bereits ein Raunen durch den Saal gegangen, als offenbar wurde, wie sehr sich die Berliner Staatsanwaltschaft mit der Anklage gegen die Clangröße verzockt hatte. Im sogenannten Bushido-Prozess hat der Vorsitzende Richter Martin Mrosk nun ein extrem mildes Urteil über Abou-Chaker gesprochen.

In den Hauptanklagepunkten – unter anderem Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung – wurde er komplett freigesprochen. Lediglich für die illegale Anfertigung von 13 Tonbandaufnahmen verurteilte ihn das Gericht zu einer Geldstrafe in Höhe von 81.000 Euro. Auch freigesprochen wurden die ebenfalls angeklagten Arafat-Brüder Rommel, Nasser und Yasser Abou-Chaker – Arafat und Yasser bekommen sogar eine Haftentschädigung. Es ist ein unerwartetes Urteil, eine Blamage für die Staatsanwaltschaft. Sie hatte für den Hauptangeklagten eine Gesamtstrafe von vier Jahren, drei Monaten und einer Woche Haft gefordert. „Das ist enttäuschend“, sagte Oberstaatsanwältin Petra Leistner nach dem Verfahren.

Abou-Chaker vor Gericht: Freispruch nach über drei Jahren Prozess

Verständlich, denn es war Arafats Version des Vorgefallenen, die die Grundlage des Urteils von Mrosk bildete. Demnach konnten in dem Prozess keine objektiven Beweise für die Behauptung des Rappers Bushido, bürgerlich Anis Ferchichi, erbracht werden, im Dezember 2017 und im Januar 2018 in einem Büro eingesperrt, beschimpft, bedroht, mit einer Flasche und mit einem Stuhl geschlagen worden zu sein, so Mrosk. Dafür ließen sich auch in den Zeugenaussagen keine Anhaltspunkte finden.

An den Aussagen Bushidos und seiner Frau Anna-Maria seien aber wegen diverser Widersprüche wiederum erhebliche Zweifel angebracht, sagte der Richter. So sei der Flaschen-Vorfall vom Januar 2018, um den es maßgeblich vor Gericht ging, von ihm erst ein Jahr später angezeigt und vorher nie in Gesprächen erwähnt worden. Grund hierfür könnte gewesen sein, dass sich „Herr Ferchichi“ schneller von Abou-Chaker habe lösen und sich eine bessere Voraussetzung für die zahlreichen zivilrechtlichen Gerichtsverfahren habe schaffen wollen, die aufgrund der Trennung der Geschäftspartner anstanden, so das Gericht in seiner Urteilsverkündung. Eine krachende Ohrfeige für den Deutschrapper Bushido und seine Frau, deren Glaubwürdigkeit dadurch direkt angezweifelt wird.

Abou-Chaker war lange Jahre Bushidos Manager

Mit dem Urteil enden nun dreieinhalb Jahre Prozess, die mal mehr, mal weniger spektakulär abliefen und ihre Beobachter über weite Strecken dennoch in ihren Bann zogen. Zeitweise gab sich mit Samra, Fler, Shindy, Ali Bumaye und Kay One das Who’s Who der deutschen Rap-Szene die Klinke in die Hand, um über die verhängnisvolle Beziehung zwischen Bushido und Abou-Chaker als Zeugen auszusagen - so sie denn überhaupt etwas sagten und sich nicht auf ihre zahlreichen Erinnerungslücken beriefen. Eine Beziehung, die der Sänger selbst im Verfahren unter Tränen als „Zwangsehe“ bezeichnete, allerdings bereits zehn Jahre vor Prozessbeginn medienwirksam in seiner verfilmten Autobiografie „Zeiten ändern dich“ ausgeschlachtet hatte.

Der Film zeigt ziemlich unverblümt den Anfang der Zusammenarbeit, als Clanchef Arafat Abou-Chaker (dargestellt von Moritz Bleibtreu) die Manager von Bushidos altem Musiklabel „Aggro Berlin“ gewaltsam unter Druck setzt und es dem Sänger so ermöglicht, aus seinem Knebelvertrag auszusteigen und mit seiner Marke „Ersguterjunge“ sein eigener Herr zu werden. Zumindest auf dem Papier. Laut Bushido und anderen ehemaligen Vertragspartnern wie etwa Kay One war es eigentlich Abou-Chaker, der die ganze Zeit über die Fäden in der Hand hielt. So sagte Kay One 2013 in einem Interview über Bushido: „Er weiß genau, dass er ein Sklave des Clans ist. Und dass er da nie wieder rauskommen wird.“

Verteidiger: Bushido und seine Frau sind unglaubwürdig

Genau diesen Befreiungsschlag habe Ferchichi mit den unbewiesenen Anschuldigungen gegen die Abou-Chakers erreichen wollen und die Berliner Staatsanwaltschaft sei dankbar auf den Zug aufgesprungen. Das war stets die Argumentation der Verteidiger der angeklagten Abou-Chaker-Brüder gewesen.

Lesen Sie bei der „Berliner Morgenpost“: Clans in Berlin – So ticken Abou-Chaler, Remmo und Co.

Rapper Bushido im Gerichtssaal.
Rapper Bushido im Gerichtssaal. © DPA Images | Jörg Carstensen

Unwiderlegbar ist, dass der Rapper und seine Frau Anna-Maria tatsächlich die besten Kronzeugen für sich selbst waren. Die Punkte der Anklage basieren größtenteils allein auf ihrer Aussage und ihrer Darstellung des Verhältnisses, nachdem Bushido 2017 die Beziehungen zu seinem Manager beenden wollte. Der Ex-Geschäftspartner habe das nicht akzeptieren wollen und von dem Musiker eine Millionenzahlung sowie die Beteiligung an dessen Geschäften für 15 Jahre gefordert, hieß es über mehrere Monate hinweg von den beiden. Er hätte offen mit seinem kriminellen Netzwerk und mit Gewalt gedroht.

Bushido-Prozess: Staatsanwaltschaft wollte Schlag gegen Clankriminalität tätigen

Beobachter vermuteten schon früh, dass die Staatsanwaltschaft durch diesen Zwist der ehemaligen Freunde die Möglichkeit sah, einen lang erhofften Schlag gegen die Clankriminalität zu tätigen und dafür mit Bushido einen prominenten Kronzeugen präsentieren konnte, der obendrein noch umfassend aussagen wollte. Das ist bei vielen Prozessen gegen Mitglieder von Großfamilien, die mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht werden, nicht der Fall. Oft wirken hier Einschüchterungen und Drohungen.

Bushido (rechts) und sein ehemaliger Freund und Manager Arafat Abou-Chaker bei der Premiere des Films „Zeiten ändern dich“ im Jahr 2010.
Bushido (rechts) und sein ehemaliger Freund und Manager Arafat Abou-Chaker bei der Premiere des Films „Zeiten ändern dich“ im Jahr 2010. © picture alliance / Eventpress Schulz | Eventpress Schulz

Arafat selbst hat immer angegeben – obgleich er seiner Darstellung in „Zeiten ändern dich“ nie widersprach – seit 2004 an der Seite des Rappers in der Musikbranche tätig und niemals ein Clan-Chef gewesen zu sein. Diese falsche Behauptung sei erst durch die Berichterstattung über den Prozess in die Welt gesetzt worden, so der Tenor.

Die Tonaufnahme: Manipuliert oder nicht manipuliert?

Seine Version der Geschehnisse sollte eine Tonaufnahme beweisen, die Anfang 2022 plötzlich auftauchte. Sie soll heimlich bei einem Treffen des Rappers und seines damaligen Managers Abou-Chaker von diesem angefertigt worden sein. Aus Sicht der Verteidiger widerlegt die Aufnahme die Darstellung von Bushido.

Das Dokument soll vielmehr ein vertrautes Gespräch unter Freunden zeigen – und zwar mehrere Tage nach dem angeblichen Gewaltvorfall im Januar 2018. Der Anwalt des Musikers Steffen Tzschoppe hat die Aufnahme hingegen immer als Manipulation aus verschiedenen Tonaufnahmen bezeichnet. Ein Experte aus Österreich kam in seinem schätzungsweise 23.000 Euro teuren Gutachten Mitte 2023 zu dem ernüchternden Ergebnis: Könnte manipuliert sein, möglicherweise aber auch nicht.

Promi-Paar mit eigener Amazon-Dokumentation: Bushido und Ehefrau Anna-Maria, achtfache Eltern.
Promi-Paar mit eigener Amazon-Dokumentation: Bushido und Ehefrau Anna-Maria, achtfache Eltern. © ZRB | imago stock&people

Warum der Bushido-Prozess so lange dauerte

Eine für viele enttäuschende Episode, die nicht unwesentlich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat. Es hatte nun insgesamt 114. Hauptverhandlungstage. 62 Zeugen wurden in ihnen gehört, einige davon mehrfach. Als der Prozess im August 2020 unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen begonnen hatte, waren zunächst nur Termine bis Oktober angesetzt. Allerdings dauerte allein Bushidos Aussage mehr als 20 Tage. Auch die Vernehmung seiner Frau Anna-Maria Ferchichi zog sich über Monate hin, weil sie wegen ihrer Drillingsschwangerschaft unterbrochen werden musste. Hinzu kamen verfahrenstechnische Unsicherheiten und Ausfälle aufgrund der Corona-Pandemie, die das Gericht vor bis dato nie dagewesene Probleme stellte.