Berlin. Erstmals ist es gelungen, Buckelwale beim Sex zu filmen. Der Akt selbst war ungewöhnlich – und wirft bei den Forschern Fragen auf.

Zum ersten Mal überhaupt wurden Wale beim Sex gefilmt. Vor der Küste Mauis (Hawaii) entdeckten zwei Fotografen Buckelwale, die gerade sexuelle Handlungen vollzogen. Die Interaktion wurde von einem wissenschaftlichen Team ausgewertet und in einem Artikel in der Fachzeitschrift „Marine Mammal Science“ veröffentlicht.

Die Biologin Stephanie Stack ist Hauptautorin des Artikels und arbeitet bei der Pacific Whale Foundation (PWF), die in einem Blogbeitrag schreibt: „Die erste dokumentierte Kopulation zwischen Buckelwalen fügt unserem Verständnis dieser großartigen Kreaturen wertvolle Details und Erkenntnisse hinzu und bietet neue Einblicke in das Fortpflanzungsverhalten dieser Art.“

Männliche Wale beim Sex erinnern an Delfine

Über das allgemeine Sozialverhalten von Buckelwalen gab es schon weitreichende Erkenntnisse, aber der Ablauf der Fortpflanzung war bisher völlig unbekannt. Überhaupt gelang es bisher nur sehr selten, Penisse von Buckelwalen zu sichten – weshalb eben auch die Paarung noch nie dokumentiert wurde.

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Die Geschlechtspartner waren beide erwachsene männliche Wale, was für die Forscher durchaus überraschend war, aber nichts völlig Neues. Im PWF-Blog heißt es: „Obwohl dies das erste Mal ist, dass über Buckelwale berichtet wurde, ist homosexuelles Verhalten im Tierreich weitverbreitet und für viele Walarten gut dokumentiert.“ Auch Grauwale, Orcas und Delfine waren schon bei gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen beobachtet worden.

Sex im Tierreich dient nicht nur der Fortpflanzung

Wie so oft im Tierreich ist Sex nicht ausschließlich als Akt der Fortpflanzung zu betrachten, häufig hat er auch andere Funktionen. So können zum Beispiel soziale Beziehungen gepflegt und Spannungen abgebaut werden. Die Kopulation ist aber auch ein probates Mittel, um den eigenen Status und die eigene Dominanz zu untermauern.

Der körperliche Unterschied zwischen beiden Walen ist klar zu erkennen.
Der körperliche Unterschied zwischen beiden Walen ist klar zu erkennen. © Pacific Whale Foundation | Lyle Krannichfeld / Brandi Romano

Die beiden entdeckten Wale schienen nun auch in einem besonderen Verhältnis zueinander zu stehen, denn einer der beiden war offensichtlich krank. Die Fotografen dokumentierten den abgemagerten Zustand und sahen auch, dass der Wal von Läusen befallen war und eine schwere Verletzung am Gebiss hatte. Das Forscherteam schließt nicht aus, dass er möglicherweise sogar im Sterben lag.

Der zweite Wal hingegen war in hervorragender körperlicher Verfassung. Immer wieder schmiegte er sich an den anderen Wal heran und hielt ihn mit seinen Brustflossen fest. Er hatte seinen Penis während der gesamten Begegnung herausgestreckt und drang immer wieder in den Genitalschlitz seines Partners ein.

Die Forscher rätseln nun über die Gründe für das Verhalten des zweiten Wals, weil es seinem Partner doch offensichtlich sehr schlecht ging. Es gibt verschiedene Theorien:

  • Der Sex könnte ein Mittel gewesen sein, um die soziale Bindung zu einem kranken Freund zu stärken.
  • Aber auch das Streben nach Dominanz des zweiten Wals könnte ein Grund gewesen sein, da er sich gegenüber seinem erkrankten Partner deutlich stärker und gesünder inszenieren konnte.

Kranker Wal könnte Sex nicht gewollt haben

An mehreren Stellen des Videos beobachteten die Forscher eine möglicherweise defensive Körperhaltung bei dem kranken Wal. Das könnte dafür sprechen, dass er den Geschlechtsakt ablehnte, aber nicht mehr stark genug war, um sich zu wehren.

So oder so bleiben also trotz der bahnbrechenden Entdeckung noch einige Fragen offen. Im Artikel in der „Marine Mammal Science“ heißt es abschließend: „Die hier dokumentierten Fälle von nicht reproduktivem Verhalten zwischen Männchen und Männchen, einschließlich des einzigartigen Falls eines offensichtlich verletzten und kränkelnden Wals, der von einem scheinbar gesunden Gegenstück penetriert wurde, werfen interessante Fragen über die Natur eines solchen Verhaltens bei Buckelwalen auf.“

Die Wissenschaftler kündigten weitere Forschung in diesem noch sehr schwach erforschten Feld an, um das Verhalten der Wale besser verstehen zu können.