Canberra. Teile Australiens erleben derzeit die vierte große Überschwemmung des Jahres. Ein Ort wurde von einer Flutwelle geradezu überrollt.

Über Jahre hinweg wünschten sich die Menschen in Australien nichts mehr als Regen. Jahre der Dürre trugen Ende 2019 dazu bei, dass verheerende Buschfeuer große Teile Ostaustraliens verwüsteten. Doch nach der Dürre kam die Sintflut: Seit fast zwei Jahren regnet es in der Region so viel, wie schon lange nicht mehr. Viele Menschen haben inzwischen gleich mehrere Überschwemmungen hintereinander erlebt.

Die derzeitigen Fluten sind bereits die vierte große Hochwasserkatastrophe in diesem Jahr. In den betroffenen Orten mussten etliche Menschen evakuiert werden oder sich selbst in Sicherheit bringen. Mindestens eine Frau kam ums Leben, ein weiterer Mann wird noch vermisst.

Den Einwohnern von Forbes, eine Kleinstadt rund 500 Kilometer westlich von Sydney gelegen, droht das schlimmste Hochwasser, das die Stadt seit 70 Jahren erlebt hat. Am Mittwoch soll der lokale Lachlan River einen Höchststand von 10,8 Metern erreichen. Tausende Sandsäcke wurden an die Bewohner verteilt, Hunderte wurden aufgefordert zu evakuieren. 14 Menschen mussten bereits vom Dach eines Hotels in Forbes gerettet werden. Allein am Dienstag waren in New South Wales, dem Bundesstaat, in dem Forbes liegt, 17 Hochwasserwarnungen ausgegeben worden. Carlene York, die Leiterin des Katastrophenschutzes, sagte, die Agentur leite den bisher „größten Hochwassereinsatz der Geschichte von New South Wales“.

Hochwasser in Australien: Gemeinde „auf den Kopf gestellt“

Die Mitarbeiterin eines Motels posiert in der Region Central West von New South Wales vor beschädigten Gegenständen aus den Motelzimmern.
Die Mitarbeiterin eines Motels posiert in der Region Central West von New South Wales vor beschädigten Gegenständen aus den Motelzimmern. © Murray Mccloskey/AAP/dpa

Für die Bewohner von Forbes ist es das zweite große Hochwasserereignis innerhalb von zwei Wochen und das dritte in den letzten vier Wochen. Bürgermeisterin Phyllis Miller sagte dem lokalen Sender ABC, dass dies die schlimmste Flutkatastrophe sei, die sie je erlebt habe. „Zwei Drittel der Stadt sind in irgendeiner Form überschwemmt.“ Wichtige Arbeiter im Gesundheitswesen wurden von Mitarbeitern des Katastrophenschutzes per Boot in das lokale Krankenhaus gebracht, um ihren Dienst anzutreten. Eine Krankenhausmitarbeiterin gestand ein, dass sie inzwischen mehr als genug habe von den Wasserfluten, die nach Jahren der Trockenheit inzwischen auf das Land einstürzen. „Ich werde ein bisschen emotional“, gestand Jennifer Squires. „Aber uns geht es viel besser als Eugowra.“

Eugowra, ein Ort mit etwa 700 Einwohnern 270 Kilometer westlich von Sydney gelegen, war am Montag von einer großen Flutwelle, einer Art „lnland-Tsunami“, wie lokale Medien es nannten, heimgesucht worden.

Hochwasserschäden in Eugowra
Hochwasserschäden in Eugowra © dpa

Die Sturzflut hat ein Bild der Verwüstung zurückgelassen und hat vermutlich zwei Menschen das Leben gekostet. Eine Frau ist bereits tot aufgefunden worden, nach einem Mann wird nach wie vor gesucht. Etliche Einwohner mussten sich auf die Dächer ihrer Häuser retten oder sich an Bäumen festklammern, während die Wassermassen auf den Ort einstürzten. Steve Hall vom lokalen Katastrophenschutz sagte lokalen Medien, dass die Welt der Gemeinde „auf den Kopf gestellt“ worden sei. „Alles, was ihnen lieb und teuer ist, wurde von einer Wasserwand weggefegt.“

Dauerregen in New South Wales: Hilfe aus dem Ausland eingetroffen

Die Katastrophe wächst sich auch deswegen so sehr aus, da der Boden nach dem monatelangen Regen so gesättigt ist, dass er kaum mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann. Auch die Hilfskräfte sind vielerorts bereits am Ende ihrer Kräfte. Inzwischen hat der Katastrophenschutz im Bundesstaat New South Wales internationale Hilfe angefordert, um auf den anhaltenden Hochwassernotstand reagieren zu können. Erste Crews aus Neuseeland sind bereits im Nachbarland eingetroffen, weitere Helfer aus Singapur und den USA sind angefragt worden.

Steph Cooke, die Ministerin für Notfalldienste, sagte, dass Australien und Neuseeland eine lange Geschichte der gegenseitigen Hilfe in Zeiten der Not hätten. „Und dies ist unsere Zeit der Not“, meinte sie. „Die Überschwemmungen, die wir weiterhin erleben, sind beispiellos.“ Die Hilfe aus dem Ausland würde sicherstellen, dass die australischen Freiwilligen und Mitarbeiter angemessene Ausruhzeiten bekämen. Denn Meteorologen prognostizieren, dass die ungewöhnlich hohen Niederschläge voraussichtlich bis 2023 andauern werden.

Drei La Niña-Zyklen hintereinander

Freiwillige Helfer und Geschäftsinhaber beseitigen nach den Überschwemmungen in der Stadt Molong in der Region Central West von New South Wales Trümmer und Schlick aus den Gebäuden.
Freiwillige Helfer und Geschäftsinhaber beseitigen nach den Überschwemmungen in der Stadt Molong in der Region Central West von New South Wales Trümmer und Schlick aus den Gebäuden. © Murray Mccloskey/AAP/dpa

Auch die Fünf-Millionenstadt Sydney, die aktuell nicht betroffen ist, wurde in diesem Jahr regelmäßig von Wassermassen heimgesucht. Bis Ende Oktober waren für das Jahr bereits 2,40 Meter Regen registriert worden. Letzteres bedeutete laut eines Berichts des Fachmagazins „New Scientist“, dass sich eine Wassermenge von etwa drei Millionen olympischen Schwimmbecken auf die Stadt abgeregnet hatte.

Verantwortlich für die vielen Niederschläge ist das Klimasystem La Niña, das im Pazifischen Ozean entsteht und Regen an die Ostküste Australiens bringt. Eine seltene Gruppierung von drei La Niña-Zyklen hintereinander seit Ende 2020 hat die Situation nochmals intensiviert. Dazu beigetragen hat ein Phänomen namens Indischer-Ozean-Dipol (IOD): Dieser befindet sich in einer Phase, die ebenfalls mehr Regen nach Südostaustralien bringt. Auch der Klimawandel könnte laut der Wissenschaft eine Rolle spielen. Denn jedes zusätzliche Grad in der Atmosphäre bedeutet, dass diese zusätzliche sieben Prozent Feuchtigkeit aufnehmen kann, die sich dann auch wieder abregnet.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.