Delhi. Verrückte Studien, neue SUVs und an fast jedem Stand ein Elektroauto: Die Motor Show in Delhi unterscheidet sich kaum von Messen in Europa oder in China - anders als die Realität auf Indiens Straßen.

Die Motor Show in Delhi (7. bis 12. Februar) ist erstmal eine Automesse wie jeder andere: Jede Menge SUVs und vor allem E-Autos drehen sich im Scheinwerferlicht.

Auch die Fragen zumindest der internationalen Messebesucher sind zunächst ähnliche wie anderswo: Wie sehr setzen die Hersteller auf Akku-Autos, um die Massen weniger umweltschädlich zu mobilisieren? Doch hier kommt noch eine andere Frage hinzu: Gibt es in Indien Konzepte, die auch in Europa fruchten könnten?

Kleinwagen sind gefragt

Zu sehen sind elektrisch angetriebene SUV-Studien wie der indische Roadster Mahindra Funster oder der Tata Sierra. Außer Mercedes findet sich keine Luxusmarke in dem halben Dutzend Hallen. Motoren mit mehr als vier Zylindern sind die absolute Ausnahme. Dagegen kommen Kleinwagen wie die winzige Limousine Hyundai Aura oder der aufgebockte Renault Kwid im Format des europäischen Twingo hier in Delhi groß heraus.

Solange man sich auf dem Messegelände bewegt, passt die PS-Show gut ins globale Bild. Doch schon auf dem Weg zum Parkplatz mehren sich zwischen verbeulten Kleinwagen, klapprigen Dreirädern und stinkenden Motorrollern die Zweifel - und nach ein paar Kilometern auf löchrigen Asphaltpisten hinaus aufs Land erkennt man, dass die Messe mit Indiens automobiler Realität nicht viel zu tun hat.

Auch der Dauerstau darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie wenig Autos es im Land gibt: In Deutschland kämen auf 1000 Einwohner 557 Pkw, sagt Jan Burgard vom Strategieberater Berylls. "Im weltweiten Durchschnitt sind es immerhin 155, aber in Indien gerade mal 25."

Studien von Skoda und Volkswagen

In diesem Jahr ist vor allem der VW-Konzern in Delhi sehr präsent und setzt laut Skoda-Chef Bernhard Maier auf eine Modelloffensive, die mit je einem SUV pro Marke starten soll.

Noch als Studien bezeichnet, drehen sich in Delhi bei Skoda der Vision IN und bei VW der Taigun im Rampenlicht. Beide sind rund 4,20 Meter lang und werden im Lande produziert - mit abgespeckter Konzerntechnik und mit Lokalkolorit. So erinnert das Dekor im IN-Innenraum an traditionelle indische Stoffdrucke. Als zentrales Bedienelement für das digitale Infotainment-System steht eine Säule auf dem Armaturenbrett, die von einem indischen Diamanten inspiriert ist. Darunter prangt ein großer, frei stehender Bildschirm.

Angetrieben werden die Wagen von einem 1,5 Liter-Motor mit 110 kW/150 PS im Skoda und einem Dreizylinder mit 1,0 Litern Hubraum und 85 kW/115 PS. Offizielle Aussagen zu einem Angebot außerhalb Indiens gibt es nicht. In Unternehmenskreisen ist aber immer mal wieder die Rede davon, der Konzern wolle ebenfalls in Europa wieder günstigere Autos anbieten - dann könnte die Vision IN auch dort wichtig werden.

Geringes Einkommen setzt Limits

Obwohl kürzer als ein VW Golf, zählen die beiden SUVs in Indien schon zur Mittelklasse. Die Musik spielt aber in der Liga darunter. "Autos unter vier Metern haben hier einen deutlichen Steuervorteil", nennt VW-Repräsentant Gurpratap Boparai einen der Gründe für die große Zahl der Kleinwagen. Ein anderer ist das geringe Durchschnittseinkommen. In einem Land, in dem ein Industriearbeiter oft nicht mehr als 60 bis 80 Euro im Monat verdient, ist ein Kleinwagen für umgerechnet 3500 Euro ein Luxusgut. Winzlinge wie der Suzuki Alto oder der Renault Kwid sind für viele Inder bereits ein großer Fortschritt.

Spätestens bei einer Fahrt über Land versteht man auch, warum das so ist: Dort sieht man genügend Familien, die zu fünft auf einem Motorroller unterwegs sind. Und in die allgegenwärtigen Tuk-Tuk-Taxis quetschen sich zu Stoßzeiten auch mal acht oder zehn Mitfahrer.

Ladeinfrastruktur erst im Aufbau

Doch was ist mit der E-Mobilität? In den Messehallen wirkt es so, als könne der Funke auch in Indien überspringen. Doch auf den Straßen sieht man selbst Rolls-Royce oder Bentley häufiger als Tesla, die Markteinführung der ersten halbwegs bezahlbaren Elektroautos von lokalen Marken wurde auf der Motor Show gerade erst angekündigt. Auch von einer Infrastruktur kann noch keine Rede sein: Auf einer Fläche, die fast zehnmal so groß ist wie Deutschland, ist die Rede von 2600 Ladesäulen - und auch die werden erst zum Ende des Jahres erwartet.