Berlin. Das frühere Tennisidol hat eine zweite Chance verdient. Doch er sollte nach seiner Freilassung Demut zeigen und von Uli Hoeneß lernen.

Zu seinen besten Wimbledon-Zeiten haben viele Deutsche mit Boris Becker gefiebert und gelitten. Nach seinem für ihn nervenzehrenden Londoner Prozess hat man vor allem Mitleid mit dem tief gefallenen Tennisidol – in seinem Umfeld haben einige auf seine Kosten gelebt, jetzt zahlt er die Zeche. Seine Verdienste als Sportler, seine fachkundigen Auftritte als TV-Experte bleiben unbestritten. Die Frage ist, ob Beckers Existenz als Werbebotschafter und Volksheld zu retten ist.

Redakteur Jonas Erlenkämper kommentiert den Fall Boris Becker.
Redakteur Jonas Erlenkämper kommentiert den Fall Boris Becker. © Reto Klar | Reto Klar

Es kommt nun darauf an, wie er sich nach seiner Freilassung verhalten wird. Wie er mit der Strafe umgeht. Becker ist kein Schwerverbrecher, aber er hat Behörden und die Öffentlichkeit getäuscht.

Boris Becker hat ein Talent dafür, falsche Entscheidungen zu treffen

Einer, der es geschafft hat, nach seiner Verurteilung den Respekt der Deutschen zurückzugewinnen ist Uli Hoeneß. Der ehemalige Präsident des FC Bayern München hat Größe bewiesen: Der heute 70-Jährige ging offen mit seiner Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung um, gestand Fehler ein, zeigte sich demütig. Es war die richtige Strategie. Nach seiner Entlassung war das Thema schnell erledigt, der Verein nahm ihn mit weit geöffneten Armen wieder auf. Becker wäre klug beraten, sich ein Beispiel an Hoeneß zu nehmen.

Einsicht und Demut gehören leider nicht zu den herausragenden Stärken des Wahl-Engländers. Seit Jahren stellt er ein trauriges Talent dafür unter Beweis, falsche Entscheidungen zu treffen. Dass er vor dem Prozess in einem Zeitungsinterview behauptete, er sei gar nicht insolvent, wirkt heute wirklichkeitsfern. Man wünscht ihm, dass er sich endlich gut meinende Ratgeber an die Seite holt – der Prozess hat gezeigt, dass Becker sein Leben nicht unter Kontrolle hat.

Becker wird eine ganze Weile aus der Öffentlichkeit verschwinden. Aber er hat eine zweite Chance verdient.

Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen