Berlin. Der Chemienobelpreis geht an die Genforscherin Emmanuelle Charpentier. Sie lehrt am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

Der Nobelpreis für Chemie des Jahres 2020 geht an zwei Frauen: die in Berlin lebende Emmanuelle Charpentier aus Frankreich und die US-Amerikanerin Jennifer A. Doudna. Die beiden Forscherinnen erhalten die Auszeichnung für die Entwicklung einer Methode zur Genom-Veränderung. Dies gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm bekannt.

Charpentier und Doudna haben die Genschere Crispr/Cas9 maßgeblich entwickelt. Crispr/Cas9 habe die molekularen Lebenswissenschaften revolutioniert, neue Möglichkeiten für die Pflanzenzüchtung gebracht, trage zu innovativen Krebstherapien bei und könne den Traum von der Heilung vererbter Krankheiten wahr werden lassen, lautete die Begründung.

Gentechnologie: Genschere Crispr/Cas9 macht DNA veränderbar

Mit der Crispr/Cas9-Genscheren machten Charpentier und Doudna eines der schärfsten Werkzeuge der Gentechnologie nutzbar. Mit ihr können Forscher die DNA von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen mit höchster Präzision verändern, hieß es weiter.

Charpentier ist Direktorin des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin. Zuvor hatte die mehrfach international ausgezeichnete Wissenschaftlerin lange in Braunschweig gelebt. Dort war sie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung tätig. Zudem hatte sie eine Humboldt-Professur an der Medizinischen Hochschule Hannover inne, die sie für den Wechsel nach Berlin aufgab.

Im vergangenen Jahr hatten drei Batterieforscher den Chemie-Nobelpreis bekommen, der in Jena geborene US-Amerikaner John Goodenough, der in Großbritannien geborene Stanley Whittingham und der Japaner Akira Yoshino. Der damals 97-jährige Goodenough war bis heute der älteste Empfänger eines Nobelpreises überhaupt.

Mit der Bekanntgabe der Preisträger für Medizin begann am Montag die diesjährige Nobelpreissaison. Ausgezeichnet wurden die US-Forscher Harvey Alter und Charles Rice sowie ihr britischer Kollege Michael Houghton für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus. Lesen Sie dazu: Medizin-Nobelpreis an Entdecker von Hepatitis-C-Virus

Nobelpreis für Physik: Deutscher Astrophysiker unter den Preisträgern

Die Bekanntgabe der Physik-Nobelpreisträger folgte am Dienstag. Unter den drei Preisträgern ist mit dem Astrophysiker Reinhard Genzel auch ein Deutscher. Er wurde gemeinsam mit der US-Forscherin Andrea Ghez für Forschung über Schwarze Löcher ausgezeichnet. Zur anderen Hälfte ging der Physik-Nobelpreis an den Briten Roger Penrose, der ebenfalls zu Schwarzen Löchern forscht. Lesen Sie auch: Physik-Nobelpreis: Forscher Reinhard Genzel im Freudenrausch

Am Donnerstag folgt der Preis für Literatur, am Freitag wird der Träger des Friedensnobelpreises bekanntgegeben. Am Montag verrät die Akademie der Wissenschaft, wer die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften erhält. Wegen der Corona-Pandemie wurde die Preisverleihung im Dezember in Stockholm abgesagt, die Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo findet in kleinerem Rahmen statt.

Dotiert sind die Nobelpreise in diesem Jahr pro Kategorie mit zehn Millionen schwedischen Kronen, was umgerechnet rund 950.000 Euro entspricht. Im Vorjahr war es noch eine Million Kronen weniger gewesen.

Chemie-Nobelpreis: Das waren die Preisträger seit 2010:

Die seit 1901 an 183 verschiedene Forscher verliehenen Chemie-Nobelpreise gingen vor allem an amerikanische Wissenschaftler. Die erste Auszeichnung erhielt der Niederländer Jacobus van’t Hoff für die Entdeckung von Gesetzen der Osmose. Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre sind:

  • 2019: Der US-Amerikaner John Goodenough, der in Großbritannien geborene Stanley Whittingham und der Japaner Akira Yoshino. Sie waren entscheidend an der Entwicklung von wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batterien beteiligt.
  • 2018: Die US-Amerikanerin Frances Arnold, ihr Landsmann George Smith und der Brite Gregory Winter haben Methoden entwickelt, mit denen es möglich ist, etwa Biokraftstoffe, Arzneimittel und therapeutisch wirkende Antikörper umweltfreundlich herzustellen.
  • 2017: Der Deutsch-Amerikaner Joachim Frank, der Schweizer Jacques Dubochet und der Brite Richard Henderson für die Kryo-Elektronenmikroskopie. Damit lassen sich Biomoleküle im Detail untersuchen – sie zeigt etwa dreidimensionale Bilder von Proteinen.
  • 2016: Der Franzose Jean-Pierre Sauvage, der gebürtige Brite James Fraser Stoddart und der Niederländer Bernard Feringa. Sie bauten aus nur wenigen Molekülen etwa künstliche Muskeln und ein Mini-Auto.
  • 2015: Tomas Lindahl (Schweden), Paul Modrich (USA) und Aziz Sancar (USA/Türkei), die Erbgut-Reparatursets beschrieben hatten. Diese Erkenntnisse dienen unter anderem zur Suche nach Krebsmedikamenten.
  • 2014: Der deutsche Forscher Stefan Hell sowie die US-Amerikaner Eric Betzig und William Moerner für die Erfindung superauflösender Mikroskope. Damit kann man in lebende Zellen blicken und Abläufe bei Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson beobachten.
  • 2013: Martin Karplus (USA/Österreich), Michael Levitt (USA/Großbritannien) und Arieh Warshel (USA/Israel) für Methoden, mit denen sich auch komplexe chemische Reaktionen virtuell nachvollziehen lassen.
  • 2012: Robert Lefkowitz und Brian Kobilka aus den USA für die Entdeckung von Rezeptoren, die zahlreiche Signale von außen in die Körperzellen übermitteln.
  • 2011: Dan Shechtman (Israel), der Quasikristalle entdeckt hatte, die zuvor von vielen Chemikern für unmöglich gehalten wurden.
  • 2010: Richard Heck (USA) sowie die Japaner Ei-ichi Negishi und Akira Suzuki, die komplexe Substanzen aus Kohlenstoff herstellten. Sie bauten so unter anderem natürliche Wirkstoffe gegen Krebs nach.

(dpa/fmg)