Berlin. Ein Hamburger Physiker behauptet, Christian Drosten verschleiere bewusst den Ursprung von Sars-CoV-2. Jetzt äußert sich der Virologe.

Roland Wiesendanger fährt schweres Geschütz auf: Der Hamburger Physiker unterstellt Christian Drosten, dem Leiter der Virologie an der Berliner Charité, dieser vertusche bewusst den Ursprung des Coronavirus. In Interviews mit dem Magazin „Cicero“ und der „Neuen Zürcher Zeitung“ erklärte Wiesendanger in der vergangenen Woche, Sars-CoV-2 stamme aus einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan. Diese These ist nicht neu, gilt in Expertenkreisen aber als unwahrscheinlich.

Wiesendanger aber wirft Drosten eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit vor. Als Mitglied einer Expertenrunde, die sich auf Anregung des US-amerikanischen Corona-Experten und Präsidentenberaters Anthony Fauci Anfang Februar 2020 per Schaltkonferenz traf, habe auch Drosten den vermeintlichen Labor-Ursprung verschleiert. Der Physiker liefert für seine Behauptung allerdings keine Belege, es bleibt eine reine Unterstellung. Drosten wies die Vorwürfe bereits einmal zurück. Nun reagiert er erneut.

Fakten zu Christian Drosten

  • Geburtsdatum: 12. Juni 1972
  • Position: Leiter der Virologie an der Berliner Charité
  • Thema: Corona-Pandemie

Drosten: „Haltlose Anschuldigungen"

In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte Drosten, er habe sich „an allerhand Dinge“ gewöhnt. „Aber diese haltlosen Anschuldigungen sind schon ungewöhnlich.“ Er mutmaßte, dass finanzielle Interessen hinter den Vorwürfen stünden. „Mit Büchern zu diesen Spekulationen wird eben auch Geld verdient. Und so werden sie weiter befeuert. Ich vermute, dass die Angriffe auch deshalb immer persönlicher werden“, sagte Drosten.

Der Virologe kritisierte, dass die Anhänger der Labor-Hypothese bis heute „keinen einzigen Beleg“ vorgelegt hätten für ihren Vorwurf, dass dieser mögliche Ursprung der Pandemie „politisch gewollt ausgeschlossen“ worden sei. Er selbst sei „immer offen“ für beide Möglichkeiten gewesen. „Ich habe nur immer auch dazu gesagt, weshalb ich einen natürlichen Ursprung des Virus aus dem Tierreich aus belegbaren Gründen für wahrscheinlicher halte.“

Sieht sich „haltlosen Anschuldigungen“ ausgesetzt: Christian Drosten, Direktor der Virologie der Berliner Charité.
Sieht sich „haltlosen Anschuldigungen“ ausgesetzt: Christian Drosten, Direktor der Virologie der Berliner Charité. © Getty Images | Sean Gallup

Neue Erkenntnisse zur Ursprung des Virus

So sei das Sars-1-Virus, das zur gleichen Art gehört wie Sars-CoV-2, nachweislich von Fledermäusen über Schleichkatzen und Marderhunde als Zwischenwirte auf den Menschen übergegangen. „Da gleiche Virusarten in der Regel die gleiche Krankheitsökologie haben, ist hier ein wissenschaftlicher Homologieschluss erlaubt, ich muss sogar sagen: geboten“, erklärte Drosten gegenüber „sueddeutsche.de“. Für die Hypothese vom Labor-Ursprung fehlten „vergleichbar hochwertige wissenschaftliche Indizien“.

Dabei gebe es inzwischen neue Erkenntnisse zum Ursprung des Virus. So sei inzwischen publiziert worden, dass eben doch Tiere, die als Zwischenwirte infrage kämen, auf dem Huanan-Markt in Wuhan verkauft wurden. „Und die frühesten Fälle scheinen doch alle in der Nähe des Marktes aufgetreten zu sein“.

Drosten zu Wuhan: Labor hat „gefährliche Sachen“ gemacht

Drosten verwies aber zugleich auf Projektberichte, aus denen hervorgehe, dass das Institut für Virologie in Wuhan tatsächlich in einer Kooperation mit der US-amerikanischen NGO Ecohealth Alliance sogenannte Gain-of-Function-Experimente durchgeführt hat. Dabei seien Fledermausviren mittels Gentechnik neue Spikeproteine eingebaut worden, die es den Viren erlaubten, sich besser zu vermehren.

Drosten zufolge wurden im Institut in Wuhan „durchaus Sachen gemacht, die man als gefährlich bezeichnen könnte. Aber dabei hätte nicht das Sars-CoV-2-Virus herauskommen können.“ So seien Fledermausviren neue Eigenschaften verliehen worden, „aber nicht solche, die als Vorgänger von Sars-CoV-2 infrage kommen“, betonte der Virologe.

Ohne China wird der Ursprung nicht entschlüsselt

Um den tatsächlichen Ursprung des Virus herauszufinden, brauche es „den Willen Chinas“. „Wenn man aber dauernd mit irgendwelchen unqualifizierten, zum Teil ungeheuerlichen Vorwürfen kommt, kann ich mir nicht vorstellen, dass man sich damit die Kooperation unserer Kolleginnen und Kollegen dort sichert“, kritisierte Drosten.

Es fehlten weiter „brauchbare Untersuchungen über Coronaviren“ in potenziellen Zwischenwirten, wie Marderhunden. Es seien nur wenige Tiere jener Arten untersucht worden, die als Zwischenwirte wirklich verdächtig seien – immer mit negativem Ergebnis, sagte der Charité-Virologe. „Systematisches Stichprobendesign, Methodenevaluierung, Positivkontrollen, Gegentestung in anderen Laboren, all diese Informationen fehlen.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Drosten: Die Labor-Hypothese ist „technisch unplausibel“

Er bevorzuge derzeit „die Hypothese, dass es ein natürliches Phänomen war und dass man die Spuren davon noch irgendwo finden kann“, erklärte Drosten. Zu Kritikern wie Wiesendanger sagt er: „Viele Expertinnen und Experten sind nicht deswegen der Labor-Hypothese abgeneigt, weil sie unter Druck gesetzt werden oder ihre Pfründe sichern wollen, sondern weil sie sich mit Virusevolution auskennen.“

Dagegen würden „die, die gar keine Berührung mit diesem Feld haben, versuchen, sich einen anderen Reim drauf zu machen. Aber diese Erklärungen sind einfach technisch unplausibel. Und manchmal wird es auch so richtig hässlich“.

Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.