Berlin. Die Omikron-Variante ist für den Einzelnen offenbar weniger gefährlich. Die Erkrankung verläuft häufig “milder“. Doch was bedeutet das?

Die Omikron-Variante des Corona-Virus’ gilt als besondere gesellschaftliche Herausforderung - weil sie so ansteckend ist. Viele Infektionen bedeuten auch viele Krankheits- und Quarantänefälle. Die neue Mutante ist eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens mit seinen ohnehin überlasteten Krankenhäusern, für Verwaltung und Sicherheitskräfte – für all das, was man "kritische Infrastruktur" nennt.

Die in diesem Fall mal positive Kehrseite: Für die Erkrankten selbst ist Omikron offenbar in der Regel weniger gefährlich. Darauf deuten erste Studien hin, nach denen die neue Variante – anders als Delta – die Lunge der Infizierten häufig nicht in bisher bekanntem Maße angreift.

Milde Corona-Verläufe – was heißt das wirklich?

Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hält mildere Krankheitsverläufe bei der Corona-Variante Omikron für "sehr wahrscheinlich". Dazu gebe es immer mehr Daten, sagte Drosten. Pro 1.000 nachgewiesenen Corona-Fällen müssten nach seiner Einschätzung weniger Menschen in einem Krankenhaus behandelt werden. Vor allem Menschen, die eine dritte Impfung bekommen haben, können auf einen "milden Verlauf" hoffen. Doch was heißt das tatsächlich?

Fakten zu Christian Drosten

  • Geburtsdatum: 12. Juni 1972
  • Position: Leiter der Virologie an der Berliner Charité
  • Thema: Corona-Pandemie

Das Robert-Koch-Institut (RKI) unterscheidet zwischen Infektionen ohne Symptome, leichten oder moderaten Erkrankungen, schweren sowie letztlich kritischen Erkrankungen. Diese Einstufung entspricht weitgehend den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die zu Beginn der Pandemie 2020 eine Skala für den klinischen Verlauf vorlegte und im November 2021 eine Konkretisierung nachschob.

Vor allem nach der dritten Impfung dürfen Menschen hoffen, dass sie im Fall einer Infektion mit der Omikron-Variante einen „milden“ Krankheitsverlauf haben.
Vor allem nach der dritten Impfung dürfen Menschen hoffen, dass sie im Fall einer Infektion mit der Omikron-Variante einen „milden“ Krankheitsverlauf haben. © Getty Images | Pierre Crom

Die Verläufe – von asymptomatisch bis kritisch

Asymptomatischer Verlauf: Eine mit Sars-CoV-2 infizierte Person zeigt keine Beschwerden. Eine Covid-19-Erkrankung liegt nicht vor.

Leichter oder moderater Verlauf: Infizierte entwickeln Beschwerden. Symptome sind nach RKI-Angaben etwa Husten (42 Prozent), Schnupfen (31 Prozent), Fieber (26 Prozent) und Geschmacks- und Geruchsstörungen (20 Prozent). Auch Durchfall und Abgeschlagenheit gehören dazu.

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Schwerer Verlauf: Patienten entwickeln eine schwere Lungenentzündung. Die weiteren Kriterien sind präzise definiert: Nach RKI-Angaben fällt die Sauerstoffsättigung im Blut der Erkrankten in einem geschlossenen Raum auf unter 90 bis 94 Prozent. Die WHO setzt sogar eine Sauerstoffsättigung von unter 90 Prozent an. Die Atemfrequenz bei Erwachsenen steigt auf mehr als 30 Atemzüge pro Minute; damit versucht der Körper, den Sauerstoffmangel zu kompensieren. Lesen Sie dazu: Intensivärztin: "Unvorstellbar, wie Corona Lungen zerstört"

Auf einem Röntgenbild muss zudem die Lungenentzündung (oder ihre Auswirkungen) erkennbar sein. Patienten sind auch häufig unfähig, Nahrung aufzunehmen, sie fallen in Lethargie, verlieren das Bewusstsein.

Kritischer Verlauf: In diesem Fall besteht Lebensgefahr. Die Erkrankten erleiden ein Lungenversagen, eine Überreaktion des Immunsystems (Sepsis/septischer Schock) oder ein multiples Organversagen. In der Regel werden lebenserhaltende Maßnahmen notwendig – etwa eine künstliche Beatmung.

WHO: Auch milder Verlauf kann zu Hospitalisierung führen

Ein wichtiger Unterschied: Nach Einschätzung der WHO kann auch ein milder Verlauf zu schweren Symptomen und sogar zu einer Hospitalisierung führen. Dies trifft demnach auf Patienten zu, die im Krankenhaus behandelt werden, aber keine Sauerstofftherapie benötigen. Es kann aber durchaus sein, dass sie über eine Maske oder eine Nasenbrille beatmet werden müssen. Wenn ein Patient Unterstützung beim Atmen benötigt, wird der Verlauf als schwerer eingestuft. Lesen Sie mehr: Corona-Studie: Organschäden selbst bei mildem Verlauf

Bereits vor Weihnachten zeigten Studien aus Südafrika und Großbritannien, dass Infektionen mit der Omikron-Variante im Vergleich zur Delta-Mutante seltener zu einem Krankenhausaufenthalt führen. Demnach gab es bei Omikron bis zu 25 Prozent weniger Hospitalisierungen.

Warum Omikron seltener die Lunge schädigt

Forscher aus Hongkong und Wissenschaftler der Universitäten von Cambridge sowie Washington haben festgestellt, dass Omikron weniger Schäden an der Lunge verursacht. Ravindra Gupta, Virologe an der University of Cambridge, erklärte auf Twitter, ein bestimmtes Protein auf der Oberfläche vieler Lungenzellen helfe dem Corona-Virus dabei, in die Zelle einzudringen. Vor allem die Delta-Variante habe davon profitiert. Omikron hingegen scheint dieses Protein nicht zu vertragen.

Die neue Mutante befällt vor allem die oberen Atemwege – hauptsächlich Nase, Rachen und Luftröhre –, auf deren Zellen dieses Protein seltener oder gar nicht zu finden ist. Beschränkt sich die Infektion auf die oberen Atemwege, bleibt sie häufig medizinisch harmlos. Das könnte die milderen Verläufe erklären.