Berlin. Jedes sechste Kind in Deutschland hat in Zeiten der Corona-Pandemie an Gewicht zugenommen. Eine Altersgruppe war besonders betroffen.

Weniger Bewegung, mehr Snacks und Süßigkeiten: Die Corona-Pandemie hat sich nach Aussagen von Eltern negativ auf das Essverhalten und die Fitness vieler Kinder und Jugendlichen ausgewirkt. Einer repräsentativen Forsa-Umfrage zufolge haben vor allem Zehn- bis Zwölfjährige, bereits Übergewichtige und Kinder aus einkommensschwachen Familien mit den Folgen zu kämpfen.

„Eine Gewichtszunahme in dem Ausmaß wie seit Beginn der Pandemie haben wir zuvor noch nie gesehen“, sagte Susann Weihrauch-Blüher, Oberärztin an der Universitätskinderklinik Halle/Saale und Mitglied der Deutschen Adipositas-Gesellschaft bei der Vorstellung der Umfrage-Ergebnisse am Dienstag (31.5.).

„Das ist alarmierend, denn Übergewicht kann schon bei Kindern und Jugendlichen zu Bluthochdruck, einer Fettleber oder Diabetes führen.“ Schon vor Corona seien 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht betroffen gewesen, sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht.

„Corona-Kilos“ als Belastung für eine ganze Generation

„Die Folgen der Pandemie, die in den kommenden Jahren auf uns zukommen werden, werden gewaltig sein“, erklärte der Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin in München, Hans Hauner. Die Folgen müssten dringend aufgefangen werden, sonst würden die „Corona-Kilos“ zu einer schweren Belastung für die Gesundheit einer ganzen Generation. „Denn durch Lockdowns und Pandemie veränderte Gewohnheiten scheinen nicht nur temporär zu sein“, sagte Hauer. Sie hätten sich verfestigt.

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Laut der Umfrage, an der 1004 Eltern von Kindern zwischen 3 und 17 Jahren teilgenommen haben, ist jedes sechste Kind in Deutschland seit Beginn der Pandemie dicker geworden, bei den Zehn- bis Zwölfjährigen sogar jedes dritte. Fast die Hälfte bewegt sich weniger als zuvor, etwa ein Viertel isst mehr Süßwaren oder Chips.

Im Gegenzug stieg den Eltereinschätzungen zufolge bei etwa 70 Prozent der Minderjährigen im Alter von sechs bis 17 Jahren der Medienkonsum an. „Und selbst bei den Drei- bis Fünfjährigen hat mehr als jeder zweite Jungen und jedes zweite Mädchen laut Einschätzung der Eltern mehr Zeit mit Smartphone oder Laptop verbracht“, sagte Weihrauch-Blüher.

Experten fordern Zuckersteuer und Werbeschranken

Da rund die Hälfte der Fragen gleichlautend mit einer Umfrage aus dem Jahr 2000 war, konnte die Entwicklung seither nachgezeichnet werden – auch wenn die Fachleute davon ausgehen, dass Eltern gerade die Angaben zu ungesundem Verhalten häufiger geschönt haben. Schon zuvor hatten Analysen darauf hingewiesen, dass Kinder in der Pandemie etwa mehr Zeit mit Medienkonsum verbringen, mehr Süßes essen und psychisch belastet sind. Diese Hinweise hätten sich komplett bestätigt, so Weihrauch-Blüher.

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Als Gegenmaßnahmen empfehlen die Expertinnen und Experten eine Besteuerung von Zuckergetränken, Steuererleichterungen für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel und die Übernahme der Kosten für eine Adipositas-Therapie durch die Krankenkassen. „Wir brauchen ein Paket verschiedener Maßnahmen, um einen nennenswerten Effekt zu erzielen“, sagte Hans Hauer. Die Politik müsse sich dringend mit dem Thema beschäftigen und handeln, sonst würden hohe Kosten auf das Gesundheitssystem und die gesamte Gesellschaft zukommen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.