Berlin. Feste Abläufe, gute Organisation: Das machte Reisen mit dem Schiff so stressfrei. In der Pandemie brauchen Passagiere starke Nerven.

„Arbeiten und Reisen, das war unser Leben“, sagt die Berlinerin Giesela Groll. Als Urlaub zu Beginn der Pandemie kaum noch möglich war, fielen die 80-Jährige und ihr 83 Jahre alter Mann daher in ein Loch. Endlich sind sie wieder auf See, auf der MSAmadea“, dem ZDF-„Traumschiff“, 17 Tage westliches Mittelmeer und Atlantik. Nach Málaga, Gibraltar und Lissabon steuern sie nun bei angenehmen 18 Grad Madeira an.

Die Reise angesichts der Omi­kron-Variante zu stornieren, kam für sie nicht infrage. „Ich fühle mich hier sicherer als in den überfüllten Bussen oder Supermärkten daheim“, sagt Groll. Alle müssen geimpft sein und Maske tragen. Ständig würde getestet, Fieber gemessen, zur Desinfektion der Hände angehalten. Anders als sonst würden sie Kontakt zu Mitreisenden meiden – das Paar bleibt unter sich.

Das macht es allerdings nicht immer leichter. Ihr Mann, das muss sie zugeben, teilt ihre gute Laune nicht. „Ihm geht das alles auf die Nerven. Und er vergisst ständig seine Maske oder hat sie am Kinn hängen. Leider kann er sich schlecht maßregeln lassen. Er war eben 40 Jahre Chef.

Lesen Sie auch: Corona-Zahlen schrecken Touristen nicht von Kreuzfahrten ab

Immer wieder Corona-Fälle auf den „Europa“-Luxusschiffen

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen – derzeit häufen sich die Meldungen über Infizierte auf Kreuzfahrtschiffen weltweit. Jüngst gab es mehrere Fälle auf den Luxusschiffen „Europa“ und „Europa 2“. „Den Betroffenen geht es gut, sie haben keine oder nur milde Symptome“, teilte eine Sprecherin mit. Die Infizierten werden in Dubai ausgeschifft und müssen dort in Quarantäne. Dabei werden sie von einem medizinischen Dienstleister betreut. Doch die Pandemie bedeutet für alle 280 Gäste der „Europa 2“ ein Opfer. Aus Silvester auf Mauritius wird nichts. Die Reise wird abgebrochen. Lesen Sie auch: So sind Kreuzfahrten trotz Corona möglich

Kreuzfahrten: Reiserouten werden von der Pandemie durchkreuzt

Auch andere Zahlen lesen sich besorgniserregend. 48 Infizierte auf der „Symphony of the Seas“ (hauptsächlich Gäste), 55 auf der „Odyssey of the Seas“ (hauptsächlich Crew). 17 Fälle auf der „Norwegian Breakaway“, 28 auf der „MSC Sea­shore“, zehn auf der „Queen Mary 2“. Michael Bayley von Royal Caribbean International beschönigt nichts. Ja, die Corona-Zahlen würden steigen, sie lägen derzeit bei etwa einem Prozent der Mitfahrenden. Das sei jedoch immer noch weniger als die Durchseuchungsquote vieler Länder.

Lesen Sie auch: Giga-Schiffe dürfen nicht mehr nach Venedig

Es reicht, um die Reiseroute zu durchkreuzen. Ab einem Prozent Infizierter an Bord machen Karibikinseln wie Aruba und Bonaire ihre Häfen dicht. So geschehen für die „Carnival Freedom“. „Es ist eine kleine Anzahl von Infizierten, die wir streng isoliert haben“, teilte die US-Reederei mit.

Wegen der Omi­kron-Variante lägen eben vielerorts die Nerven blank. Insgesamt beobachten die US-Behörden derzeit in der Karibik, Lieblingsreiseregion der Amerikaner, 60 Schiffe und registrierten Dutzende Infizierte.

Reisen während der Corona-Pandemie: Unbehagen mit an Bord

Immer mit an Bord: ein gewisses Grund-Unbehagen. Kreuzfahrtschiffsgäste schätzen die behütende Verlässlichkeit des schwimmenden Mikrokosmos. Jetzt sind Eigenverantwortung und Flexibilität gefragt. „Unsere Gästezufriedenheit ist dennoch höher als vorher“, sagt eine Sprecherin von Tui Cruises. Seit der Wiederaufnahme des Betriebs im Sommer fuhren 250.000 Gäste auf 222 Kreuzfahrten der „Mein Schiff“-Flotte.

Auf der „ Mein Schiff 4“ waren sogar noch Ungeimpfte zugelassen. Ergebnis: Vor Weihnachten wurde die Kreuzfahrt wegen mehrerer Infektionen vorzeitig auf Gran Canaria abgebrochen. Ab 23. Februar ist dann endgültig Schluss mit dem Auslaufmodell 3G.

Tägliche Temperaturmessung, Hygiene-Fachpersonal, verstärkte Reinigung, Auslastung bis maximal 80 Prozent – mit diesen zusätzlichen Maßnahmen hofft Tui Cruises sich auf der sicheren Seite. Und die Gäste haben Vertrauen: „Die Zeit ist herausfordernd, aber die Nachfrage durchgehend da. Die Zahl der Anfragen für die Saison 2022/2023 ist sogar erfreulich“, sagt die Sprecherin.

Kreuzfahrten: Landgänge sind kompliziert

Passagierin Groll bedauert, dass gerade der fast tägliche Ortswechsel, den sie so liebte, die Kreuzfahrt jetzt so kompliziert mache. „Jede Insel, jedes Land hat andere Einreisebestimmungen. Viele gehen gar nicht mehr von Bord.“ Doch sie bereut die Reise keineswegs: „Leben ist für mich mehr als nur nicht zu sterben.“