Trier/Traben-Trarbach. Eine kriminelle Bande soll über Darknet-Server mehr als 200.000 Straftaten ermöglicht haben. Nun begann der „Cyberbunker“-Prozess.

Die mutmaßlichen Techniker des Bösen haben ihr Versteck geschickt gewählt. Ein altes Bundeswehrareal im beschaulichen Weinstädtchen Traben-Trarbach an der Mosel: Dort sollen Cyberkriminelle jahrelang einen 5000 Quadratmeter großen, fünf Stockwerke tiefen Erdbunker als Schaltstelle für schmutzige Geschäfte genutzt haben.

Bis zum September 2019, als in Traben-Trarbach die größte Razzia stattfand, die die Region je erlebt hat. Rund 650 Polizisten, darunter Beamte der Spezialeinheit GSG 9, waren angerückt, um eines der weltweit größten Rechenzentren für illegale Onlinegeschäfte auszuheben.

Der Eingang zum Cyberbunker: 650 Polizisten, darunter Beamte der GSG 9, hoben das unterirdische Versteck aus.
Der Eingang zum Cyberbunker: 650 Polizisten, darunter Beamte der GSG 9, hoben das unterirdische Versteck aus. © LKA Rheinland-Pfalz

Am Montag hat der Mammutprozess um den sogenannten Cyberbunker vor dem Landgericht Trier begonnen. Angeklagt sind vier Niederländer, drei Deutsche und ein Bulgare im Alter von 21 bis 60 Jahren. Der Vorwurf lautet auf Bilden einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zur Verbreitung von Drogen, Falschgeld und Aufnahmen von Kindesmissbrauch.

Kopf der Bande ist laut Anklage ein 60-jähriger Niederländer gewesen, der den früheren Bundeswehrbunker erworben und ausgebaut hatte. „Er war der Rädelsführer“, sagte Oberstaatsanwalt Jörg Angerer vor Gericht.

Drogen, Kinderpornografie und Mordaufträge: Blick in die Abgründe des Internets

Der Niederländer hatte das Gelände vor sieben Jahren erworben. Offenbar suchte er gezielt nach einem Standort – schon in seiner Heimat hatte er ein geheimes Rechenzentrum betrieben. Den Stadtrat köderte er mit dem Versprechen, ein Datenzentrum errichten und Arbeitsplätze schaffen zu wollen. In Wahrheit ging es ihm laut Anklage darum, einen gesicherten Raum für rund 400 Server zu finden.

Wer den Trierer Prozess verfolgt, erhascht einen tiefen Blick in die Abgründe des Internets. Drogendeals im Wert von vielen Millionen Euro, Datenhehlerei, Computerangriffe, Falschgeldgeschäfte – bis hin zu verlinkter Aufnahmen sexueller Gewalt gegen Kinder und Mordaufträgen trägt Angerer vor, was er der Bande vorwirft. Erstmals stehen die Betreiber krimineller Plattformen im Darknet vor Gericht.

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Hauptangeklagter (M.) ist ein 60-jähriger Niederländer.
Hauptangeklagter (M.) ist ein 60-jähriger Niederländer. © dpa | Harald Tittel

Bei der Bande, die über die Jahre gewachsen sei, habe es „eine feste Rollenverteilung mit klarer Hierarchie“ gegeben. Die beiden Söhne des 60-jährigen Niederländers sollen als Administratoren für Kundenaufträge und IT zuständig gewesen sein. Eine Deutsche (53) sei die „Buchhalterin“ gewesen, ein anderer Niederländer (50) eine „Art Manager“.

Cyberkriminalität: Chef der Bande will von nichts gewusst haben

Ob sie tatsächlich verurteilt werden, ist jedoch ungewiss. In dem bis Ende 2021 terminierten Prozess wird die größte Schwierigkeit darin bestehen, den Angeklagten nachzuweisen, dass sie von den illegalen Machenschaften ihrer Kunden wussten. „Die Staatsanwaltschaft muss liefern, sie muss beweisen“, sagte einer der Verteidiger des Hauptangeklagten Niederländers, Michael Eichin.

Dass da auf dem Server „in erheblichem Umfang“ illegale Seiten betrieben wurden, sei Fakt. Dass sein Mandant von all dem gewusst haben soll, sei aber „absurd“.

Klarheit ist absehbar nicht zu erwarten. Anwalt Eichin hat bereits angekündigt, das Trierer Urteil vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen zu wollen. (mit dpa)

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