Dresden. Nach einem Messerangriff auf ein schwules Paar in Dresden hat das Gericht ein Urteil gefällt. Der Täter muss lange ins Gefängnis.

Der syrische Messerstecher Abdullah al H. H. (21) ist für den Angriff auf ein schwules Paar im Oktober 2020 in Dresden zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden – die Höchststrafe bei Mord.
Damals war ein Mann gestorben und sein Lebenspartner schwer verletzt worden. Laut Urteil handelte der Täter aus einer schwulenfeindlichen und radikal-islamistischen Gesinnung heraus.

Mord aus Hass auf Homosexuelle

Der Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht Dresden wandte am Freitag die volle Härte des Gesetzes an; schon in dem er das Urteil nicht auf der Basis des milderen Jugendstrafrechts verhängte, wie es die Verteidigung erhofft hatte und es noch möglich gewesen wäre. Zur Tatzeit war der Mann 20 Jahre alt.
Zum einen stellte der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats „die besondere Schwere der Schuld“ fest – damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nicht mehr zu erwarten. Zum anderen ordnete er eine Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt an. Die wird am Ende der Haftzeit noch mal geprüft; gut möglich, dass der islamistische Gefährder für immer weggesperrt wird.

Während des sechswöchigen Prozesses hat der Syrer die Aussage verweigert. Aber an seiner Schuld gibt es keinerlei Zweifel. Als kriminalistisch überführt galt er aufgrund von DNA-Spuren. Außerdem gab es Zeugen der Tat, die Abdullah Al H. H. gegenüber einem psychiatrischen Gutachter gestanden hat.
Aus diesen Gesprächen mit dem forensischen Psychiater Norbert Leygraf weiß man, dass der Täter keinerlei Reue empfand. Der Syrer hat lediglich bedauert, dass er nicht mehr dazu gekommen war, vor der Tat den Treueeid auf die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zu schwören und dass er einzig Thomas L. getötet hat – dessen Partner Oliver L. überlebte schwer verletzt.

Bedrohung durch islamistischen Terror „weiter akut“

Der Angriff zeigt für den Opferbeauftragten der Bundesregierung, Edgar Franke, dass die Bedrohung durch den islamistischen Terror „weiter akut“ ist. Der Fall Abdullah al H. H. ist wie eine Chronik eines angekündigten Verbrechens: Er wollte töten, kündigte es an, die Behörden stuften ihn als Gefährder ein und ergriffen Vorsichtsmaßnahmen, konnten die Bluttat letztlich aber nicht verhindern. Man habe versucht, alles auszuschöpfen, „was gesetzlich möglich ist“, beteuerte eine Beamtin des Landeskriminalamtes.

Ende August 2017 wurde Abdullah al H. H. erstmals verhaftet und später zu einer Jugendstrafe von insgesamt drei Jahren und einen Monat verurteilt: Unter anderem wegen Verwenden von Kennzeichen des IS, Körperverletzung (auch während der Haftzeit), Bedrohung, Erschleichen von Leistungen, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch.

Lesen Sie auch: Berlin-Attentat: Das Rätsel um die Spuren im Lastwagen

Täter täuschte Kooperationsbereitschaft vor

Seine Abschiebung - aus der Haft heraus - wurde erwogen, aber verworfen. Damals galt ein Abschiebestopp nach Syrien. Im Gefängnis pries er die Scharia an und vertrat die Ansicht, dass es legitim sei, Ungläubigen den Kopf abzuschneiden. Selbstredend wurde er nicht vorzeitig aus der Haft entlassen.
Der Mann, der jetzt vor Gericht an Händen und Füßen gefesselt erschien, stand nach Verbüßung der Haftstrafe unter Führungsaufsicht. Er musste sich regelmäßig bei der Polizei melden und eine Reihe von Auflagen erfüllen. Der Verfassungsschutz hatte ihm auf dem Radar. Er observierte ihn und installierte eine Kamera gegenüber seiner Wohnung.

Bereitwillig machte der Syrer ein Programm zur Gewaltprävention und Deradikalisierung durch. Laut Gutachter Leygraf war die Kooperationsbereitschaft vorgetäuscht. Der Syrer habe sein Ziel „nicht aus den Augen verloren“ – und „konsequent umgesetzt, als es möglich war“. Nur wenige Tage nach der Haftentlassung kaufte er sich in der Küchenabteilung eines Kaufhauses zwei Messersets. Danach irrte er durch die Stadt auf der Suche nach Opfern.

Auch interessant: Deutschland: 124 Hochrisiko-Islamisten auf freiem Fuß

Der Flüchtling radikalisierte sich erst im Deutschland

Die beiden Männer Mitte 50 fielen ihm am Abend des 4. Oktober auf, weil sie Homosexuelle waren. Sie kamen aus dem Rheinland und hatten das Wochenende um den Tag der Deutschen Einheit für eine kleine Fahrt durch Ostdeutschland genutzt. Sie waren völlig arglos, als sie hinterrücks überfallen und niedergestochen wurden.

Als das Verbrechen vor dem Innenausschuss des Bundestages aufarbeitet wurde, räumte die Bundesanwaltschaft ein, es bestünde keine Möglichkeit, so einen Menschen einzusperren, „bis er etwas getan hat“. Die Behörden waren alarmiert, aber hatten keinen konkreten Tatverdacht.
Abdullah war so abgebrüht, dass er nach der Tat sogar seine Betreuer im Rahmen eines Deradikalisierungsprogramms aufsuchte als wäre nichts gewesen, derweil die Polizei einem „Touristenmord“ nachging.

Erst die Auswertung der DNA-Proben führte sie auf die richtiger Spur und auf den terroristischen Hintergrund des Verbrechens. „Wenn einer so gestrickt ist wie dieser Typ“, sagte ein Vertreter der Generalbundesanwaltschaft vor dem Innenausschuss des Bundestages, „steht man fassungslos davor.

Verteidiger kritisiert Umgang mit Mandanten

Der Verteidiger Peter Hollstein kritisierte in seinem Plädoyer den Umgang mit seinem Mandanten in den Jugendhaft. Statt eines Religionsführers habe man jungen Frauen - Sozialarbeiterinnen und Psychologin - die Deradikalisierung überlassen. Hollsteins Vermutung: Mit einem Mann hätte der radikale Islamist am ehesten auf Augenhöhe geredet.

Im Herbst 2015 war Abdullah aus Aleppo geflohen, einer von damals Hunderttausenden Flüchtlingen. Es gilt als gesichert, dass er sich erst in Deutschland radikalisiert hat. Es musste erst ein Mann sterben und ein weiterer verletzt werden, bis der Islamist gestoppt und gestern endgültig aus dem Verkehr gezogen wurde.