Berlin. Der Drogenhandel nimmt laut BKA und der Drogenbeauftragten des Bundes weiter zu. Das liegt offenbar auch an neuen Vertriebswegen.

  • Der Drogenhandel in Deutschland nimmt immer mehr zu – vor allem mit Kokain
  • Die Zahl der Drogenstraftaten ist laut Bundeskriminalamt (BKA) im vergangenen Jahr auf 359.747 angestiegen
  • Fast alle illegalen Rauschmittel werden häufiger gehandelt
  • Nur bei einer Droge hat die Präventionsarbeit Erfolge gezeigt

Deutschland ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamts (BKA) in wachsendem Maße Umschlagplatz für Rauschgift. Die Tendenz beim Drogenhandel sei steigend, teilten das BKA und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), am Dienstag in Berlin mit. Seit neun Jahren gebe es eine kontinuierliche Zunahme der polizeilich festgestellten Rauschgiftdelikte.

Die Zahl der Drogenstraftaten ist demnach im vergangenen Jahr auf 359.747 angestiegen. Dies sei ein Plus von rund 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2018: 350.662), wie aus dem jüngsten BKA-Lageberichts zur Drogenkriminalität hervorgeht.

Drogen: Mehr Straftaten wegen Kokain

Den mit Abstand größten Zuwachs bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verzeichnen die Ermittler bei Straftaten in Zusammenhang mit Kokain.

  • Hier wurden im vergangenen Jahr 20.107 Fälle verzeichnet.
  • Gegenüber dem Vorjahr war dies ein Anstieg um 12,2 Prozent (2018: 17.920).

BKA-Präsident Holger Münch betonte, Kokain sei keine „Elitedroge“ mehr, sondern gesellschaftlich verbreitet und entsprechend verfügbar. Dies erkläre auch die wachsende Nachfrage.

Diese ansteigende Entwicklung betreffe aber illegale Rauschmittel aller Art, von Heroin über Amphetamine und so genannte Neue Psychoaktive Stoffe (NPS) bis hin zu Cannabis. Einzige Ausnahme ist laut Ludwig die synthetische Droge Chrystal Meth. Hier habe die Präventionsarbeit der vergangenen Jahre Erfolge gezeigt.

• Mehr zum Thema: EU-Drogenbehörde befürchtet Kokain-Flut nach Corona-Krise

Drogendelikte: Fahnder finden immer mehr illegale Labore

Die Fahnder führen die steigenden Fallzahlen auf eine hohe Nachfrage, eine sehr hohe Verfügbarkeit unterschiedlichster Rauschgifte sowie auf einen Anstieg der Produktionskapazitäten zurück. Münch betonte, Deutschland sei Ziel und Transitland von Drogen und diene als Drehkreuz bei Logistik, Handel und Herstellung. 2019 hoben die Ermittler laut Münch insgesamt 31 illegale Labore zur Herstellung von synthetischen Drogen aus. Im Vorjahr waren es 19 solcher Herstellungsorte gewesen.

Daniela Ludwig (CSU), die Drogenbeauftragte der Bundesregierung.
Daniela Ludwig (CSU), die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. © dpa | Gregor Fischer

Zugleich werden den Angaben zufolge nach wie vor große Mengen Rauschgift über die Überseehäfen eingeschmuggelt. Dies sei „für die Täter weiterhin lukrativ“. Beispielsweise habe der Zoll im Juli vergangenen Jahres im Hamburger Hafen bei einer Routinekontrolle 4,5 Tonnen Kokain in einem Frachtcontainer aus Südamerika sichergestellt. Es sei die größte Einzelmenge an Kokain gewesen, auf die Ermittler in Deutschland jemals gestoßen sind.

Auch das Internet wird in zunehmendem Maße als Vertriebsweg für den weltweiten Rauschgifthandel genutzt. Das BKA beobachtet einen „schwunghaften Handel, den Käufer und Konsumenten über digitale Plattformen insbesondere im Darknet betreiben“. Beide Seiten vermieden auf diese Weise den persönlichen Kontakt. Besonders synthetisch hergestellte Drogen würden fast ausschließlich online vertrieben. Auch ein wachsender Versand an öffentliche Paketstationen sei zu beobachten.

BKA-Präsident: Anti-Drogen-Kampf erfordert internationale Zusammenarbeit

Im vergangenen Jahr wurden 458 Delikte im Zusammenhang mit dem Handel solcher Substanzen registriert. Das waren rund 56 Prozent mehr als im Jahr davor (2018: 293 Delikte). Herstellung und Handel würden vermehrt professionell in betriebsähnlichen Strukturen organisiert, Gewinne mittels Schein- und Legalfirmen über Staatsgrenzen hinweg gewaschen.

Der Präsident des BKA, Holger Münch, betonte: „Trotz des hohen Anonymisierungsgrades im Internet ist es den Strafverfolgungsbehörden auch dort möglich, Tatverdächtige zu identifizieren und illegale Handelswege sowie Straftaten aufzuklären.“ Ziel sei es, kriminelle Gruppierungen auf nationaler wie internationaler Ebene zu zerschlagen. Dazu sei eine grenzüberschreitende und internationale Zusammenarbeit der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden wichtig.

Legalisierung bestimmter Drogen für BKA-Präsident kein Thema

Diskussionen über eine Legalisierung und Entkriminalisierung bestimmter Rauschmittel sieht Münch mit Skepsis. Versuche der Liberalisierung von Drogen, wie sie in anderen Ländern zu beobachten seien, hätten ihm noch keine „entscheidenden Vorteile“ vor Augen geführt, sagte der BKA-Chef. Auch habe er nicht erkennen können, dass dies ein geeigneter Weg sei, um die Konsumentanzahlen zu verringern oder dem Ziel eines höheren Gesundheitsschutzes der Bevölkerung näher zu kommen.

Daniela Ludwig bekräftigte, so wie Kriminelle immer professioneller und vernetzter arbeiteten, müssten sich auch die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland und der EU in der weltweiten Zusammenarbeit kooperieren. Die Drogenbeauftragte ergänzte mit Blick auf den wachsenden Drogenhandel: „Die Zahlen steigen seit Jahren, das ist nicht zu akzeptieren!“

Bei Prävention stehen nach wie vor Tabak und Alkohol im Mittelpunkt

Rauschgiftkriminalität sei „keine Bagatelle, sondern schafft unermessliches Leid, brutale Gewalt und ist die Basis für viele weitere Delikte der organisierten Kriminalität“, etwa Körperverletzungen, Erpressungen und Zwangsprostitution. Drogenhandel sei „eine Bedrohung für die Innere Sicherheit und den Rechtsstaat“. Daher gelte: „Wo keine Nachfrage, da kein Angebot!“, betonte Ludwig, „jedes Gramm, das den Weg nicht auf die Straße finden und zum Konsumenten, ist den Kampf wert“.

Der Staat werde bei der Prävention „einen Schippe drauflegen müssen“. Nach wie vor stünden beim Thema Sucht Tabak und Alkohol im Mittelpunkt, weniger die illegalen Drogen. Vor allem der zunehmende Konsum von Kokain könne nicht tatenlos hingenommen werden.

Die Corona-Krise hat derweil keine Auswirkungen auf den Drogenhandel in Deutschland. Laut Münch ließen sich in der Pandemie „keine absinkenden Fallzahlen“ erkennen. Auch eine „Corona-bedingte Knappheit“ von Rauschgift auf dem deutschen Markt gebe es nicht.