Washington/Tegucigalpa. Herlinda Bobadilla flutete die USA mit Drogen. Jetzt wurde sie festgenommen. Frauen an der Spitze von Clans sind so brutal wie Männer.

Mit ihrem bunten Allerwelts-T-Shirt, dem schwarzen Rock, ausgelatschten Turnschuhen und den ungepflegt zum Pferdeschwanz geflochtenen Haaren hätte Herlinda Bobadilla rein optisch auch als Kartoffelverkäuferin auf dem Großmarkt von Tegucigalpa durchgehen können. Aber die 61-Jährige, die gerade von bis an die Zähne bewaffneten Soldaten einer Spezialeinheit an den Händen gefesselt in einen Polizeihelikopter gesetzt wurde, ist von ganz anderem Kaliber.

Als gestrenge Matriarchin stand sie bis vor Kurzem einem der umtriebigsten und brutalsten Drogenkartelle in Honduras vor: dem Montes-Clan. „La Chinda“, genannt nach einer Kleinstadt in den Bergen des lateinamerikanischen Armenhauses, aus dem Zehntausende gen Norden fliehen, gehörte jahrelang zu „Las Patronas“.

So nennen Insider der Drogenszene die weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit wirkenden und auf männliches Macho-Gehabe verzichtenden weiblichen Kartell-Queens in Mexiko und angrenzenden Staaten, die mit ihrem Stoff die USA fluten. Lesen Sie hier: Polizei knackt Handys – im Chatraum der Drogenbosse

Herlinda Bobadilla – beim Showdown starb ihr Sohn

Das US-Außenministerium hatte auf die sechsfache Mutter und zwei ihrer Söhne erst vor zwei Wochen die stolze Summe von jeweils fünf Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt. Nachdem solide Hinweise bei den Sicherheitsbehörden eingegangen waren, kam es am Wochenende in der bergigen Colón-Region zum filmreifen Showdown.

Beim Zugriff starb Tito Montes (32), Spitzname „Pimpi“, bei einem massiven Schusswechsel mit der Polizei. Juan Carlos, dem zweiten Sohn, Spitzname „Mono“, gelang die Flucht, wie Polizeichef Gustavo Sanchez Velasquez berichtete.

Mit fünf Millionen Dollar Kopfgeld gesucht: Herlinda Bobadilla, die hier von der Polizei in Honduras gestellt wird.
Mit fünf Millionen Dollar Kopfgeld gesucht: Herlinda Bobadilla, die hier von der Polizei in Honduras gestellt wird. © Reuters

Bobadilla droht kurzfristig die Auslieferung an die Vereinigten Staaten – und dort eine lebenslange Freiheitsstrafe. Noe Montes, ein anderer Sohn der unscheinbaren Frau, die Dutzende Immobilien besitzt, steckt bereits seit 2019 in den USA wegen Drogengeschäften im Knast – Strafe: 37 Jahre.

Der Montes-Clan operiert von der nördlichen Karibikküste aus. Große Ladungen von Kokain aus Kolumbien und anderen Teilen Südamerikas, die hier per Flugzeug ankommen, werden via Land- oder Seeweg in die USA geschmuggelt, teilweise mit kleinen U-Booten. Das Kartell, das seine Ursprünge im berüchtigten Cali-Kartell in Kolumbien hat, war schon in den 80er-Jahren aktiv. Herlinda Bobadilla kam nach diversen Morden und anderweitigem Ableben in ihrer Sippe an die Spitze.

Herlinda Bobadilla könnte über andere Clans auspacken

Ihr tiefer Fall spielt sich in delikatem Umfeld ab. Erst vor wenigen Wochen wurde der frühere honduranische Präsident Juan Orlando Hernández nach New York ausgeliefert. Der Rechtspopulist soll nach Worten der Drogenbekämpfungsbehörde DEA „eine zentrale Figur“ in einer der weltweit größten Organisationen im Kokainhandel gewesen sein und sie geschützt haben. Mehr zum Thema: Corona-Pandemie trägt den Handel mit Drogen ins Internet

Während seiner achtjährigen Amtszeit soll Hernández laut Anklage Bestechungsgelder in Millionenhöhe angenommen haben, um Rauschgifthändler vor Ermittlungen, Festnahmen und Auslieferungen zu schützen. Darunter soll auch Geld des inzwischen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilten Drogenbarons Joaquín „El Chapo” Guzmán gewesen sein.

Hernández, dessen Bruder Tony wegen Handels mit 185 Tonnen Kokain bereits in Amerika hinter Gittern sitzt, bestreitet die Vorwürfe und sieht sich als Opfer einer Verschwörung. Fast parallel ging der ehemalige Polizeichef von Honduras, Juan Carlos Bonilla Valladares, genannt „Tiger“, den Behörden in die Falle. Auch er wurde wegen Beziehungen zu den Kartellen verhaftet und an die USA ausgeliefert. Auch interessant:Drogen: Handel mit Kokain eskaliert – Ermittler warnen

Dahinter steht nach inoffiziellen Angaben aus US-Justizkreisen die Politik der erst Ende 2021 ins Amt gekommenen neuen Präsidentin Xiomara Castro. Die linksliberale 62-Jährige, zu deren Amtseinführung US-Vizepräsidentin Kamala Harris gekommen war, soll gewillt sein, den bis in die letzten Verästelungen vom organisierten Verbrechen durchzogenen Narco-Staat zu säubern.

Bobadilla könnte versucht sein, ihr Strafmaß zu senken, indem sie über andere Drogen-Clans auspackt. Etwa über Digna Valle, Chefin des gleichnamigen Valle-Kartells in Honduras. Auch so eine Dame von „Las Patronas“.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.