Berlin. Corona-Krise: Das Deutsche Rote Kreuz beklagt einen Mangel an Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft. Die DLRG konnte monatelang nicht ausbilden.

Wer Erste Hilfe leistet, kann Leben retten. Das gilt auch in Corona-Zeiten. Allerdings ist die Bereitschaft dazu durch das Ansteckungsrisiko offenbar noch geringer geworden, als sie es ohnehin schon war. „Gefühlt gibt es eine gewisse Zurückhaltung, weil die Menschen Angst haben sich anzustecken“, sagt der Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Peter Sefrin. Der Verein selbst reagierte bereits auf das Virus: Übungen an Menschen werden vorerst nicht mehr durchgeführt.

Bis zu 60 Prozent der Bevölkerung sind nach Angabe des DRK-Bundesarztes nicht bereit, bei fremden Menschen eine Erste Hilfe zu leisten. Immerhin: Im eigenen Familienkreis fällt die Quote deutlich niedriger aus. Absolute Zahlen zu unterlassenen Hilfeleistungen gibt es nicht. „Statistische Erhebungen liegen nicht vor“, heißt es dazu aus dem Bundesinnenministeriums, das wiederum auf das Deutsche Rote Kreuz verweist.

Corona: Wie sich Erste-Hilfe-Kurse durch das Virus verändert haben

Dort ist bei Bundesarzt Sefrin eine Sorge in der Corona-Krise gegenwärtig: Dass das Virus als „Feigenblatt für unterlassene Hilfeleistungen“ benutzt wird. „Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit“, sagt Sefrin. Zumindest aber lasse sich das Ansteckungsrisiko verkleinern. In Erste-Hilfe-Kursen werde deshalb inzwischen Aufklärungsarbeit zum Infektionsschutz geleistet.

„Wir gehen in der Erste-Hilfe-Ausbildung darauf ein, indem wir die Hilfeleistungen nicht mehr am Nebenmann ausführen“, sagt Sefrin. Stattdessen kämen jetzt etwa Metallrohre zum Einsatz, an denen die Teilnehmer das Anlegen eines Druckverbands üben sollen. Bei Herz-Druck-Massagen wird Teilnehmern neuerdings geraten, wegen der austretenden Luft ein Textilstück auf Mund und Nase des Hilfebedürftigen zu legen. Eine Beatmung als Wiederbelebungsmaßnahme solle nach Möglichkeit „Profis überlassen“ werden, rät Sefrin.

Denn an der professionellen Hilfeleistung sei nichts geändert worden. „Bei akuter Lebensgefahr muss man schon hinlangen“, erklärt der DRK-Bundesarzt. Jedoch seien die Vorschriften umfangreicher als noch vor der Pandemie. „Es ist nie jemand ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne Handschuhe im Einsatz“, versichert Sefrin. Bestehe ein konkreter Corona-Verdacht, müssten die Rettungskräfte Schutzanzüge anlegen.

Das Problem daran: Durch die Vermummung ist es laut Sefrin für die Rettungssanitäter oftmals schwerer, eine emotionale Verbindung und dadurch Vertrauen aufzubauen. Die aber brauche es vor allem bei der Betreuung des Patienten. Hinzu komme die geringe Bereitschaft, freiwillig zu helfen oder in Corona-Zeiten einen Erste-Hilfe-Kurs zu belegen.

Angst vor Ansteckung – Erste-Hilfe-Kurse fielen monatelang aus

Sowohl beim DRK als auch bei anderen Hilfsverbänden musste das Angebot an Ausbildungsseminaren deutlich heruntergefahren werden. „Wesentliche Gründe hierfür sind sicher die Hygieneauflagen auf der Anbieter- und die Angst vor Ansteckung auf der Teilnehmerseite“, erklärt Martin Holzhause. Nach Angaben des Sprechers der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) seien entsprechende Kurse monatelang ausgefallen. Doch damit nicht genug.

Geschlossene Schwimmbäder machten eine Vorbereitung auf den Wasserrettungsdienst im Sommer schlicht unmöglich. „Der Ausbildungsbetrieb kam komplett zum Erliegen und ist noch immer nicht wieder angelaufen“, sagt Holzhause. Dabei wäre die Ausbildung besonders in der aktuellen Krise von großer Wichtigkeit. Aus Gründen des Infektionsschutzes sind die Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer der DLRG nämlich dazu angehalten, nach Möglichkeit nur von Booten aus oder mit Hilfsmitteln wie Brettern und Gurten zu retten.

Die Lebensretter mahnen deshalb noch einmal eindringlicher als sonst: „Zusätzlich zu den Gefahren, in die sie sich in Rettungssituationen im Wasser begeben, kommt jetzt die Infektionsgefahr hinzu. Der Appell der DLRG an die Bevölkerung, sich nicht achtlos am und im Wasser in Gefahr zu begeben.“

Bei Kindern muss besonders abgewogen werden

Bei einem Verdacht einer vorliegenden Covid-19-Erkrankung sollen die Rettungsschwimmer zusätzlich zu Maske und Handschuhen eine Schutz-, Schwimm- oder Tauchbrille tragen. Den Empfehlungen des Deutschen Rates für Wiederbelebung folgend sollen auch sie „bei der Durchführung der Wiederbelebung ausschließlich die Herzdruckmassage durchführen“, erklärt Holzhause.

Allerdings gibt es hier bei Kindern einen wesentlichen Unterschied. „Der Nutzen der Atemspende ist für ihre Überlebenschance deutlich größer einzuschätzen“, so der DLRG-Sprecher. Entsprechend müsse hier im Notfall zwischen Risiko und Nutzen abgewogen werden.

Beim DRK wie auch beim DLRG geht man bei den derzeitigen Maßnahmen von Übergangslösungen aus, bis die Pandemie vorbei ist. Wie lange das dauern wird, kann jedoch niemand sagen. Sicher dagegen ist, dass die Erste Hilfe bis dahin nicht warten kann. Sie wird gebraucht. Jeden Tag.

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