ESC-Serie

ESC 2022: Das ist der serbische Beitrag von Konstrakta

Johanna Ewald
| Lesedauer: 5 Minuten
Eurovision Song Contest 2022: So funktioniert das Voting-System

Eurovision Song Contest 2022: So funktioniert das Voting-System

Wer beim ESC als Sieger von der Bühne geht, das entscheiden sowohl die Zuschauer als auch eine Jury. Das System hinter der Abstimmung ist komplex.

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Turin  Sprechgesang und Händewaschen: Als Außenseiter startete Serbien in den Wettbewerb und mausert sich immer mehr zum Geheimfavoriten.

Eine Performance lang Händewaschen. Das plant die serbische Sängerin Konstrakta für ihren Auftritt beim zweiten Halbfinale des "Eurovision Song Contest" (ESC). Sie ist die wohl auffallendste Person beim diesjährigen Wettbewerb. Der "Tagesspiegel" titelte kürzlich erst "Serbiens Lady Gaga" über sie. Doch so richtig treffend ist das nicht.

Der Song, der teils auf Serbisch, teils in Latein geschrieben ist, soll die Angst offenbaren, die entsteht, wenn man alles im Leben der Gesundheit unterordnet, so die Sängerin. Wenn man deswegen immer wieder neue Produkte kauft, mit der Hoffnung auf ewige Gesundheit.

Um das zu untermauern, sitzt sie in einem weißen Jumpsuit auf der Bühne, der unweigerlich an einen Arztkittel erinnert. Vor sich eine Schüssel Wasser, daneben ein Stück Kernseife. Immer wieder reibt sie sich ihre Hände damit ein, dann klatscht sie fordernd in ihre Hände – unterstützt von einer handvoll Menschen, die in kuttenartiger Kleidung einen Kreis um sie beschreiben und fast schon bedrohlich mitklatschen. Ausschnitte davon sind schon öffentlich, kein anderer ESC-Song hat in den vergangenen Tagen so viel Aufmerksamkeit auf Tiktok & Co. bekommen.

Konstrakta für Serbien: Ein ESC-Song über die Gesundheit

In dem Song, den die 43-Jährige gemeinsam mit Milovan Bošković geschrieben hat, formuliert sie den Wunsch, ein vernünftiges Verhältnis zur Gesundheit zu bekommen. Mit dem Bewusstsein, dass die Gesundheit in den eigenen Händen liegt, aber Krankheit und schließlich der Tod mit weniger Angst akzeptiert werden. Denn wenn eine traurige Seele und ein schwacher Geist in einem gesunden Körper stecken, was bringt das dann? Mit dieser Frage endet der Song.

Der Titel "In corpore sano" ist eine Anspielung auf das lateinische Sprichwort "Mens sana in corpore sano", was übersetzt heißt: "Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper". Bereits am Anfang des Songs wird diese Weisheit rückwärts aufgesagt.

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Song aus Serbien: "In corpore sano" – der nächste Sommerhit?

Musikalisch gesehen kommt der Song gänzlich ohne Schnörkel aus. Manchmal ist es fast schon eine Art Sprechgesang, der seinen Höhepunkt im Chorus mit den Zeilen "Biti zdrava, biti zdrava Biti zdrava, biti-biti-biti-biti zdrava", übersetzt "gesund sein", findet. Dazu guckt Konstrakta provokativ in die Kamera und klatscht in die Hände.

Die Vorstellung, dass bald schon Menschen auf der Tanzfläche stehen und die sich immer wiederholenden Zeilen mitsingen, scheint nicht so abwegig wie einige Kritiker meinen, die ihr wenig Chancen beim Wettbewerb einräumen.

Genauso eifrig versuchen sie sich in der Deutung des Textes. Manche meinen, Kritik an einer kranken Gesellschaft zu hören. Andere vielmehr am Gesundheitssystem des Landes und wieder andere sehen sich an die Politiker aus dem Balkan erinnert, die ihre Hände in Unschuld waschen. "Jeder sollte sich selbst auswählen, was er heraushören mag", sagt die Sängerin dazu – eine Freiheit, die den Song zu einer Spielwiese der Interpretationen macht. Genau das ist die Qualität dieses Beitrags. Und damit so viel mehr, als ein dahingesagtes "Po-po-po-po-po-pokerface".

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Serbien im ESC: Ein durchschnittlich erfolgreiches Land

Konstrakta heißt bürgerlich Ana Đurić und wurde in Belgrad geboren. Eigentlich arbeitet sie als Architektin, genau wie ihr Mann, mit dem sie zwei Kinder großzieht. Erst seit 2019 veröffentlicht sie als Solo-Künstlerin Musik. Davor war sie vor allen Dingen mit der Band Mistakemistake und der Reggae- und R'n'B-Gruppe Zemlja Gruva unterwegs.

Obwohl Serbien schon lange beim ESC dabei ist, verzeichnet der Balkanstaat offiziell erst wenige Teilnahmen. Als Teil Jugoslawiens reicht die ESC-Geschichte Serbiens bis ins Jahr 1961 zurück. Damit war Titos Jugoslawien das einzige Land aus dem östlichen Europa, das bereits vor der politischen Wende am Eurovision Song Contest teilnahm und nicht an der Konkurrenzveranstaltung, der Intervision. Als unabhängiges Land ist Serbien seit 2007 dabei – und heimste mit Marija Šerifović gleich einen Sieg ein.

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Insgesamt landeten fünf von zwölf Beiträgen in der linken Tabellenhälfte unter den Top 13. Neben dem Sieg konnte Serbien einmal Platz 3 erreichen. Dreimal verpasste das Land knapp das Finale und landete bisher noch nie auf einem der letzten Plätze. Damit zählt Serbien zu den durchschnittlich erfolgreichen Teilnehmern im Wettbewerb.

Dieser Artikel ist zuerst bei morgenpost.de erschienen.