Berlin. FKK liegt wieder im Trend: Die neue Hüllenlosigkeit ist ein Bekenntnis zur Freiheit und zum eigenen Körper -Realität statt Idealisierung.

Die Sonne auf der Haut fühlen. Der Wind, der am ganzen Körper zu spüren ist. Freiheit, das ist für viele auch die Freiheit von Badehose und Bikini. Während die Nudisten eine Zeitlang schief angeguckt wurden, hat sich ihr Image im Zeitalter der Hinbesinnung zur Natur gewandelt. FKK-Urlaube sind der Mega-Trend, so Freizeitforscher. Und sind ein Angriff auf die Schönheitsideale.

Auf Reiseportalen ist geradezu eine Euphorie zu erkennen: Das, was lange mal als angestaubt galt: nackt am Strand zu liegen, gilt als Traumurlaub schlechthin. In Dänemark sehr gern. Aber auch in Deutschland. Besonders der Osten Deutschlands galt und gilt als Paradies für FKKler.

Besonders beliebt bei den hüllenlosen Urlaubern sind die Inseln Usedom und Rügen. Hier finden sie fast genauso viele gekennzeichnete FKK Strände wie Textilstrände. Gleich zwölf offizielle FKK Strände findet ihr in allen Himmelsrichtungen auf der größten deutschen Insel, Rügen. Sogar zu Silvester wird an der Ostsee FKK-Urlaub angeboten.

„Wir sind ja nun das ganze Jahr immer so viel wie möglich FKK unterwegs. Aber gerade mir, ich betreibe FKK seit 20 Jahren, fällt es immer mehr auf, das man immer mehr Nackedeis trifft“ – so lesen sich die Stimmen im Netz.

Nach Corona haben die Menschen wieder Lust auf das, was ihnen gut tut

Diesen Trend kann auch Ulrike Toepper vom Deutscher Verband für Freikörperkultur (DFK) durchaus erkennen. „Viele Vereine vermelden großen Zulauf von neuen Mitgliedern, das gleiche bemerken wir bei unseren DFK-Mitgliedern. Es scheint also so zu sein, dass die FreiKörperKultur wieder wächst. Es haben sich gerade sogar zwei neue Vereine gebildet, ebenfalls Zeichen, dass es ein Trend werden könnte.“

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Nacktsein bei FKK – die Schönheit, die nicht an Idealen klebt

Was der Grund für die Lust auf das große Nichts am Körper ist? „Durch Corona haben sich viele Menschen wieder auf das besinnt, was in ihrer Nähe ist und was Ihnen persönlich guttut“, so Toepper.

Beim Nacktsein mögen manche zucken und an sich heruntersehen mit dem Gedanken: Bin ich schön genug für nackt am Strand? Genau dies sei die falsche Frage. Für Bodyshaming ist bei FKK kein Platz. Sönke von „getnakedgermany“ beschreibt es so: „Man muss keinen Astralleib haben, um sich ausziehen zu dürfen, so wie es uns die Werbung weismachen will. Niemand sollte sich seines Körpers schämen, auch dann nicht, wenn er bei der Gartenarbeit schmutzig wird.“

Nacktwandern – aber meist auf Schuhen. Immer mehr Reiseportale haben Angebote für Nudisten parat.
Nacktwandern – aber meist auf Schuhen. Immer mehr Reiseportale haben Angebote für Nudisten parat. © picture alliance/dpa | Jan Woitas

Selbstvertrauen statt Scham – damit will FKK punkten. Stéphane (35) hat sich am Anfang schon lächerlich gefühlt. Aber dann habe statt Scham das Gefühl von Freiheit überwogen. „Letztendlich haben wir das Gefühl der Vollkommenheit, der Freiheit, das Gefühl des Windes und der Sonne auf unserer Haut geliebt, da wir vorher noch nie etwas Vergleichbares erlebt haben“, erinnert er sich im Netz über seine Anfänge.

Ganz ohne Scham – freies Ausziehen als Gegenentwurf zur Idealisierung des Körpers

Dass FKK genau die Freiheit von Scham bedeuten kann und das Privileg, stolz zu zeigen, wie man aussieht, egal wie – das sieht Medizinhistoriker Heiko Stoff von der Medizinischen Hochschule Hannover als großen Vorteil gegenüber Darstellungen etwa bei Instagram. Da etwa dominiere stets eine Idealisierung des Körpers mit straffer Haut. Geschönte Bilder, die in vielen Fällen nichts mehr mit der Realität zu tun haben.

Wer allerdings zu häufig diese Bilder sieht, entwickele ein Störgefühl gegenüber seinen eigenen Körper. Der eigene Körper in all seinen Ausprägungen mache vielen Angst und werde deshalb abgelehnt.

Genau das sollte das Ziele sein: FKK als Gegenbewegung zu Schönheitsvorgaben und Idealen, das findet auch Ulrike Toepper vom DFK. Die gesammelten Schönheitsideale, ob von Heidi Klums „Germany’s Next Topmodel“ oder bei Instagram – sie entspräche „meist nicht der Realität“ und „setzen viele Menschen unter Druck, weil sie nicht so perfekt aussehen wollen und können. In den geschützten Bereichen unserer Vereine können die Menschen sich frei bewegen und brauchen keine Häme wegen Äußerlichkeiten fürchten“.

Nackt in der Natur – beim Nacktbaden oder Nacktwandern

Für viele ist Nacktheit die Befreiung von Normen und dies wiederum führe zu einem wunderbaren Freiheitsgefühl und da auch noch in der Gruppe. Die Menschen schätzten die Nähe zur Natur und das „Freisein“. „Das merkt man auch bei der jüngeren Generation, die umweltbewusster geworden ist und sich natürlicher Lebensweise zuwenden möchten. Es gibt mittlerweile viele Gruppen in der ,freien Szene’ die sich verabreden und z.B. gemeinsames Wandern organisieren“, so Ulrike Toepper vom DFK.

Genau so sei es, sagt auch Norbert Sander, Fotograf der „Nackedei“-Buchreihe, der ein wenig notgegedrungen seine Begeisterung fürs Nacktbaden entdeckte. „Früher hatte ich einfach oft meine Badehose nicht dabei.“ Mittlerweile ist es für ihn normal geworden, mit nichts zu baden. Die Menschen, die er fotografiert, bewegten sich genau mit dieser Normalität.

Beim Nacktwandern gucken die anderen dann schon mal – aber lächeln meist

Nicht nur Nacktbaden steht bei FKK an, auch andere Dinge, wie Nacktwandern zum Beispiel. Wer diesen Leuten dann im Wald begegnet, mit Rucksack überm nackten Rücken, gucke schon oft überrascht, so Fotograf Sander. „Aber es wird dann auch gelächelt.“ Schuhe übrigens haben längst nicht alle dabei. Es gibt die Barfußläufer, für die der Kontakt zum Boden elementar sei.

Der Naturaspekt spielt eine große Rolle, trägt sogar einen eigenen Namen: Naturismus. „Naturismus ist eine Lebensweise für jedes Alter“, sagt Ulrike Toepper. Naturismus, das ist nicht nur Nacktheit und Freiheit, das sei auch Achtsamkeit: „ Naturismus und Wohlbefinden gehören eng zusammen. Wir sind darauf bedacht, uns selbst, den Anderen und die Umwelt zu achten und zu respektieren.“

Nacktsein an falscher Stelle kann teuer werden

Ob Nacktbaden oder Nacktwandern – zu viel nackte Haut kann rein juristisch eine „Belästigung der Allgemeinheit“ und damit eine Ordnungswidrigkeit darstellen, heißt es. Wer unbekleidet durch ein Shopping-Center läuft oder sich splitterfasernackt im Stadtpark sonnt, riskiert nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz ein Bußgeld. Das kann laut Anwälten zwischen sogar bei 1000 Euro liegen. Schlimmer und damit strafrechtlich relevant werde öffentliche Nacktheit, wenn die Grenze zum Exhibitionismus überschritten wird.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.