Chile. Skandal in Chile: Aufgrund eines Verpackungsfehlers bei der Anti-Baby-Pille Anulette CD kam es zu 170 ungeplanten Schwangerschaften.

Der deutsche Pharmakonzern Grünenthal hat in Chile wirkungslose Anti-Baby-Pillen ausgeliefert. Aufgrund des fehlerhaften Verhütungsmittels sind bis zu 170 Frauen ungewollt schwanger geworden.

Es handelt sich um die Pille namens Anulette CD, die in den Laboren Silesia und Andrómaco hergestellt wird, chilenischen Tochterunternehmen des deutschen Arzneimittelherstellers. Grünenthal ist seit 1979 in Chile vertreten und gehört dort zu den marktführenden Pharmaunternehmen.

Wirkungslose Pille - Fehler beim Verpackungsprozess

Anulette CD besteht aus 21 Verhütungspillen und sieben Placebo-Pillen. Die unwirksamen Tabletten sind eigentlich während der Periode einzunehmen - ein Verpackungsfehler hat fälschlicherweise die Reihenfolge der Pillen verändert. Aufgrund der fehlerhaften Einsortierung nahmen Frauen ausgerechnet in der Zeit, in der sie Schutz benötigten, die Placebos ein. Die Firma bestätigte den Vorfall unter anderem dem "Tagesspiegel".

Laut Grünenthal wurden im August und September zwei Ladungen der Pillen zurückgerufen. Dem Unternehmen zufolge sollen die Verpackungsfehler allerdings sichtbar gewesen sein. Laut der Firma sollen lediglich bei zwölf von insgesamt 276.890 überprüften Packungen Fehler festgestellt worden sein.

Schwangerschaftsskandal: Staatliches Gesundheitssystem verteilte fehlerhafte Pillen

Wie Laura Dragnic, juristische Koordinatorin der Frauenorganisation Miles, berichtet, wurden im August 2020 130.000 Päckchen zurückgerufen. Geliefert worden waren sie offenbar schon im September 2019, wie die staatliche Einkaufsstelle bestätigt. "Seltsam ist für uns, dass die defekten Pillen so lange in Umlauf waren", sagt Dragnic.

Außerdem sei der Verpackungsfehler nicht während der Qualitätskontrollen in den Laboren selbst aufgefallen - offenbar schlug ein Gesundheitsposten Alarm. Dort habe das Personal bemerkt, dass in einigen Verpackungen Tabletten fehlten, zerdrückt oder vertauscht waren.

Die Labore Silesia und Andrómaco beliefern in der Regel vor allem die staatlichen Gesundheitsposten. Dort wird die Pille kostenlos an rund 380.000 bedürftige Frauen im Land abgegeben. Demnach sei die ungewollte Schwangerschaft für die Betroffenen nicht zuletzt auch eine finanzielle Belastung.

Labore müssen Strafzahlung leisten

"Für uns ist das eine eklatante Verletzung des Rechts auf Familienplanung und der Selbstbestimmung der Frauen über ihren Körper", sagt Miles-Juristin Dragnic. Die Rückrufaktion sei "halbherzig" gewesen, viele Frauen hätten gar nicht oder viel zu spät davon erfahren. Die Behörden hätten ihr zufolge auch nicht erforscht, ob noch weitere Lieferungen betroffen seien.

Infolge des Skandals wurden die Labore kurzfristig suspendiert. Die staatliche Gesundheitsbehörde belegte die Labore zusätzlich mit einer Strafzahlung von 92.000 Dollar (umgerechnet etwa 76.904 Euro). Für Dragnic ist die Konsequenz nicht ausreichend: "Das Geld geht nicht an die Betroffenen, sondern verbleibt beim Staat."

Die Frauenorganisation wandte sich nun an die UNO und an die Interamerikanische Menschenrechtskommission. Das Ziel: Frauen, die abtreiben wollen, soll ein Schwangerschaftsabbruch genehmigt werden. (day)