München. Garmisch-Partenkirchen will die typisch alpinen Weidewiesen zum Unesco-Welterbe erklären lassen. Einige Besitzer sind strikt dagegen.

Die Rinder sind seit Herbstbeginn zurück im Tal im wärmenden Stall, sie haben sich den Sommer über satt gefressen auf den Bergwiesen rund um Garmisch-Partenkirchen. Sobald im kommenden Frühjahr die Blumen und Kräuter sprießen, wird das Vieh wieder hinaufgetrieben, unzählige Wanderer werden Fotos machen von glücklich wirkenden Kühen, wie sie entspannt vor schneebedeckten Berggipfeln grasen. Eigentlich die pure weiß-blaue Idylle. Doch Bayerns Bergwiesen werden zum Streitobjekt.

„Die Wiesen sind ein Faktor für den Tourismus, die Leute kommen, weil sie unsere Kulturlandschaft so schön finden“, schwärmt einerseits Stephan Scharf vom Garmischer Landratsamt. Weshalb die Wiesen zum Unesco-Welterbe erklärt werden wollen. Ein paar Grundstücksbesitzer wollen das allerdings verhindern.

Am Dienstag befasste sich das Verwaltungsgericht München mit einer Klage von Anwohnern. Sie befürchten, dass die Unesco ihnen Vorschriften macht. Die Entscheidung für eine Bewerbung hätten die politisch Verantwortlichen über die Köpfe der Grundstücksbesitzer hinweg getroffen, beschwert sich der Landwirt Georg Porer, einer von sieben Klägern: „Die Leute sind gar nicht gefragt worden.“

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Unesco-Auszeichnung ist eine Verpflichtung

Wenn die Unesco einen Ort zum Welterbe erklärt, knallen im Rathaus normalerweise Champagnerkorken. Bürgermeister und Landräte quälen sich während der Bewerbung durch die erforderlichen Anträge, denn der Titel ist begehrt, er bringt viel Aufmerksamkeit – und Geld.

Typisch Alpenland: Grasende Kühe im Frühjahr auf einer Wiese bei Garmisch-Partenkirchen.
Typisch Alpenland: Grasende Kühe im Frühjahr auf einer Wiese bei Garmisch-Partenkirchen. © istock

Seit die historische Bamberger Altstadt vor fast 30 Jahren Weltkulturerbe wurde, haben sich die Übernachtungszahlen in der fränkischen Universitätsstadt mehr als verdreifacht. In Deutschland gibt es über 50 dieser Stätten, 2021 fanden etwa die Kurstädte Baden-Baden und Bad Ems ihren Weg auf die Welterbeliste. Ganze Landschaften sind geschützt. Dazu zählt seit 2002 das Obere Mittelrheintal, ein knapp 70 Kilometer langer Abschnitt zwischen Hunsrück und Taunus mit Dutzenden pittoresken Burgen.

Doch die Auszeichnung ist zugleich eine Verpflichtung. Denn sie hat das Zeug, geplante Immobilienprojekte zu verhindern. Vor 13 Jahren wurde das Dresdner Elbtal von der Liste der Welterbestätten gestrichen, weil eine neu gebaute Brücke über den Fluss nach Ansicht der zuständigen Kommission das Panorama beeinträchtigte.

Naturschützer gegen Bayerns Welterbe

Eine ähnliche Entwicklung befürchten jene Grundstücksbesitzer, die gegen die Garmischer Bewerbung vorgehen. Viele Almbauern aus der Region unterstützen die Bemühungen zwar, versichert Stephan Scharf, der Sprecher des Landratsamts, gegenüber unserer Redaktion. „Die Wiesen sind ein riesiges Futterreservoir fürs Vieh, und ohne die Tiere gäbe es die Wiesen nicht. Sie würden verbuschen.“

Indes ist sogar der Bund Naturschutz in Bayern skeptisch. Er findet es „richtig und gut, wenn man versucht, diese Wiesenlandschaft zu erhalten“, wie der Garmischer Kreisvorsitzende Axel Doering sagt. „Aber es ist die Frage, ob das Welterbe das richtige Vehikel ist.“ Das „an sich gute Projekt“ sei zu „aufgebläht“.

Die Vorsitzende Richterin in München wies die Klage am Dienstag zwar ab – Besitzer einzelner Wiesen seien nicht klagebefugt, was die gesamte von der Bewerbung umfasste Fläche angehe. Doch für die enttäuschten Kläger ist mit dieser Entscheidung längst nicht Schluss. Sie wollen in Berufung gehen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.