Berlin. Stark, entschlossen und sehr weiblich: Waffen-Influencerinnen begeistern im Netz Abertausende Menschen. Doch die Polizei ist entsetzt.

An einem Herbsttag Mitte Oktober drückt Amelie Eichinger in einem Schießsportzentrum südlich von Wien den Abzug. Die Österreicherin ist Mitte 20, sieht aus wie eine Actionheldin – und lässt sich filmen.

Eichiger trägt ein grünes Tarnflecken-Oberteil zum blonden Pferdeschwanz, im Holster steckt eine Pistole, in den Händen hält sie ein Schnellfeuergewehr. Eichinger legt an, schießt mehrfach auf die Zielscheiben an der Wand, dreht sich zur Kamera und lächelt. Ihr Blick verkündet selbstbewusst: Jeder Schuss ein Treffer, so wird das gemacht!

Amelie Eichinger ist Influencerin, auf ihrem Instagram-Profil zeigt sie sich mal im Bikini im Spanien-Urlaub, mal im schwarzen engen Shirt mit ihrem Hund beim Wandern in den Bergen. Sie wirbt jedoch weder für körperbetonende Klamotten noch für sonnige Reiseziele – sondern für Waffenhersteller wie das Krefelder Unternehmen Schmeisser.

Frauen werden zu Aushängeschildern der Waffenlobby

So kommt es, dass selbst auf unauffälligen Bildern meistens eine Pistole in ihrer Jeans steckt. Während Eichinger in der Schießhalle die Zielscheiben durchlöchert, wirkt sie wie die Computerspielfigur Lara Croft. Frauen wie Eichinger, die sich dafür bezahlen lassen, Waffen in die Kamera zu halten, werden in den USA „Gunfluencerinnen“ genannt – nun werden sie auch in Deutschland zu Aushängeschildern der Waffenlobby.

Es sind überwiegend junge Frauen in ihren 20ern, die sich für diese brisante Art des Influencer-Marketings hergeben. Auf Youtube etwa geben sie Anleitungen zum Beantragen des Kleinen Waffenscheins, aber man kann sie auch in echt treffen, etwa auf der Waffenmesse IWA in Nürnberg, wo sie begeisterten Fans Autogramme schreiben. Auch interessant:Tschechien: Hirsch entwaffnet Jäger – und flieht mit Gewehr

„Man kann vom Beginn eines Trends sprechen“, sagt Hauptkommissar Michael Mertens, Stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), im Gespräch mit dieser Redaktion. Der 58-Jährige ist entsetzt: „Die Influencerinnen nutzen ihren Charme und ihren Einfluss, um für Waffen und Munition zu werben.“ Er finde das „problematisch“.

Mertens erklärt den Erfolg der Influencerinnen so: „Normalerweise haben vor allem Männer ein Faible für Waffen. Durch diese neue Art der Inszenierung werden Waffen sexy und erscheinen wie ein friedliches Werkzeug, sodass insbesondere Frauen sich dafür interessieren.“

Waffen-Influencerin Danielle Valkyrie: Mit der Waffe einen neuen Markt erschließen.
Waffen-Influencerin Danielle Valkyrie: Mit der Waffe einen neuen Markt erschließen. © daniellevalkyrie/Instagram | daniellevalkyrie/Instagram

„Diese Auftritte sprechen ein junges Publikum an, das bislang vielleicht gar nicht darüber nachgedacht hat, sich zu bewaffnen“, sagt der erfahrene Polizist, der lange als Dienstgruppenleiter im Kölner Umland tätig war.

Während Gewehre und Pistolen sonst häufig im Kontext von Polizei, Militär und Kriminalität auftauchen, präsentieren „Gunfluencerinnen“ Waffen als Lifestyle-Accessoire. So zeigt sich Danielle Valkyrie (28), geboren in Österreich, die mit ihren Beiträgen auf Instagram fast 60.000 Menschen erreicht, gerne mit einem halbautomatischen Gewehr in Rosa – ihrer „Lieblingsbüchse“. „Die Hersteller“, so Mertens, „erschließen damit einen neuen Markt.“

Die Zahl der Waffenscheine nimmt zu – Angst vor Verbrechen

Die GdP beobachtet, dass immer mehr Menschen um ihre Sicherheit fürchten und sich bewaffnen. Ende 2021 waren im Nationalen Waffenregister mehr als 740.000 Kleine Waffenscheine vermerkt – also Berechtigungen für Gas- und Schreckschusswaffen. Das waren knapp fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Woher das Schutzbedürfnis kommt? Mertens: „Man kann im Internet jederzeit alles über Verbrechen nachlesen.“

Auch wenn Amelie Eichinger in ihren Beiträgen vermittelt, es gehe vor allem darum, Frauen den Schießsport näher zu bringen – sie feuert nicht mit Spielzeug, sondern mit tödlichen Geräten. Das Schnellfeuergewehr, mit dem sie sich kürzlich beim Training filmen ließ, ist eine Waffe vom Typ AR-15 – diese Gewehre werden häufig von Amokläufern benutzt, etwa beim Amoklauf in einem US-Supermarkt in Buffulo, bei dem ein 18-Jähriger im Mai zehn Afroamerikaner tötete. Nicht nur Videospiele gelten als gefährlich.

Nach deutschem Waffenrecht darf man so ein Gewehr zwar nicht ohne Weiteres besitzen. Wohl aber auf einem Schießstand damit üben. GdP-Mann Mertens sähe solche Gewehre am liebsten verboten. Dass Influencerinnen dafür Werbung machen, stößt ihm übel auf: „Die machen das nicht aus Spaß, sondern weil sie damit Geld verdienen können.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de