Berlin. Nach zwei Jahren Pandemie klagen zwei Drittel der Deutschen über eine schlechtere Gesundheit. Was hat dazu geführt und was kann helfen?

Der Stuhl sieht gut aus in der Küche, nur ein Bürostuhl ist es nicht. Der Tisch im Wohnzimmer ist ein italienisches Design, nur muss man sich bücken, um die Tastatur vom Laptop zu erreichen. Die falschen Möbel fürs Homeoffice: Die Folge sind Rücken- und Nackenschmerzen.

Das Fitnessstudio hatte lang geschlossen, Sport und das Training sind ausgefallen, genauso wie der Weg ins Büro. Es gilt zwar keine Homeoffice-Pflicht mehr, aber viele Angestellte arbeiten auch noch im Jahr 2022 vermehrt von Zuhause. Das ungesunde Ergebnis: Zu viele Erwachsene bewegen sich zu wenig und leben ungesünder.

Die Treffen mit Freunden finden nur noch selten statt, zu riskant wegen einer möglichen Corona-Infektion. Der veränderte Lebensalltag schlägt vielen aufs Gemüt: Die Folge sind mehr psychische Probleme.

Studie: Zwei Drittel der Deutschen fühlen sich kränker

Eine neue Studie legt jetzt die fatalen Gesundheitsfolgen der vergangenen zwei Pandemie-Jahre offen: Insgesamt nehmen 65 Prozent der Deutschen nach zwei Jahren Pandemie eine körperliche Verschlechterung bei sich wahr.

Neben Bewegungsmangel (35 Prozent) und Rücken- sowie Nackenschmerzen (27 Prozent) stellt ein Viertel der Deutschen psychische Probleme bei sich fest. Dies sind Ergebnisse der repräsentativen Studie „Fitness 2022“ der Krankenkassen pronova BKK, für die im Januar 2022 mehr als 1000 über 18-Jährige befragt wurden.

Gesundheit: Viele Deutsche klagen über Gewicht oder Schmerzen

Auch andere Beschwerden haben laut Studie in den zwei Jahren Pandemie zugenommen oder sind erst seitdem aufgetreten – 16 Prozent klagen über eine größere Gewichtszunahme und Kopfschmerzen. Zehn Prozent bemerken Kurzatmigkeit.

13 Prozent haben den Konsum von Genussmitteln wie Alkohol oder Nikotin gesteigert. Vor allem die jungen Erwachsenen haben ihren Konsum gesteigert, unter den 18- bis 29 Jährigen bemerken 18 Prozent eine Steigerung beim Trinken von Alkohol und Rauchen von Nikotin, nur noch getoppt von der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen. Und ein Zurück zur Zeit vor der Pandemie wird es für viele Deutsche nicht geben. Zu einschneidend waren die vergangenen zwei Corona-Jahre.

Psychische Probleme: Vor allem die jungen Erwachsenen leiden darunter

Die Studie zeigt, die Unter-30-Jährigen leiden förmlich mehr als alle anderen befragten Altersgruppen. knapp 40 Prozent erleben psychische Probleme wie depressive Stimmungen, Rückzug, Ängste und Aggressionen. Im Schnitt über alle Generationen hinweg sind es hingegen nur 24 Prozent.

„Gerade die Jüngeren reagieren stärker auf das Gefühl der Hilflosigkeit in der Corona-Krise. Der Mensch kann eine derartige psychische Belastung nur eine begrenzte Zeit aushalten, sie kann sich dann auch körperlich äußern“, sagt Dr. Gerd Herold, Beratungsarzt bei den pronova BKK, zu denen Kassen von Konzernen wie BASF, Bayer, Continental und Ford gehören.

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Laut dem Mediziner gebe es eine Sache, die bei psychischen Problemen gut helfen könne. „Wir kennen den Ausdruck ‚den Kopf frei bekommen‘ im Sport-Kontext. Bewegung mildert die Belastungen, doch wie unsere Studie zeigt, stellen viele auch hier einen Mangel bei sich fest“, sagt Herold. Denn 39 Prozent der Unter-30-Jährigen leiden unter Bewegungsmangel, 32 Prozent unter Rücken-und Nackenschmerzen.

Zumindest ist laut Studie eine Erkenntnis, die wieder zu mehr Bewegung führen könnte, vorhanden: Zwei Drittel der Befragten gaben an, sie würden Fitness als Schlüssel zu einer besseren Gesundheit verstehen.

Hausärzteverband: Patienten leiden an den Corona-Maßnahmen

Doch auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, bestätigt, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, besonders zu den Lockdown-Zeiten, konkrete Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung gehabt haben und noch haben: „Als Hausärztinnen und Hausärzte haben wir immer betont, dass die Maßnahmen auch vor diesem Hintergrund abgewogen werden müssen.“

Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes: „Die Menschen hatten teilweise Sorge ihren Hausarzt aufzusuchen.“
Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes: „Die Menschen hatten teilweise Sorge ihren Hausarzt aufzusuchen.“ © picture-alliance/ dpa/dpaweb | Andreas Altwein

Wegen Corona: Notwendige Behandlungen wurden oft verschleppt

Gerade die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen sei eine Herausforderung gewesen. „Die Menschen hatten teilweise Sorge, ihre Ärztin oder ihren Arzt aufzusuchen, auch weil sie befürchteten, sich in der Arztpraxis oder auf dem Weg dorthin anzustecken“, so Weigeldt. „Dadurch bestand die Gefahr, dass notwendige Behandlungen verschleppt werden. Die Hausärztinnen und Hausärzte haben besonders darauf geachtet, dass diese Menschen nicht durch das Raster fallen.“

Generell sei die Situation in den Hausarztpraxen seit Beginn der Pandemie angespannt, denn dort seien die allermeisten Covid-Patientinnen und Patienten versorgt und auch der Löwenanteil der Impfkampagne gestemmt worden – und das neben dem normalen Praxisbetrieb.

Lebenserwartung so stark gesunken wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht

Im Zuge der Corona-Pandemie ist die Lebenserwartung in vielen Ländern laut einer Studie der Universität Oxford zufolge so stark gesunken wie seit dem Zweiten Weltkrieg in Westeuropa nicht mehr. In einigen Ländern sei der erlangte Fortschritt in den zwei Corona-Jahren zunichtegemacht worden, berichteten im Herbst 2021 Forscher des Leverhulme Centre for Demographic Science an der Universität Oxford im „International Journal of Epidemiology“. Bei Männern war der Rückgang der Lebenserwartung demnach sogar größer als bei Frauen.

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Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.