Berlin. Der Schauspieler Heiner Lauterbach feiert seinen 70. Geburtstag. So blickt er in die Zukunft und das denkt er über seine Vergangenheit.

Mit Heiner Lauterbach nähert sich einer der großen Namen der deutschen Schauspielwelt seinem 70. Geburtstag – und zwar am 10. April. Doch der Familienvater, der 1985 mit „Männer“ berühmt wurde und zuletzt in den Mehrteilern „Herzogpark“ und „Höllgrund“ zu sehen war, denkt noch lange nicht an den Ruhestand und dreht aktuell in Georgien. Über die Zukunft versucht er sich weniger den Kopf zu zerbrechen – und über das Sterben schon gleich gar nicht. Ebenso wenig sucht er den Rückblick in die Vergangenheit, mit dem auch problematische Erinnerungen – etwa an seine Eltern – verbunden sind.

In den Kursen Ihrer Lernplattform „Meet Your Master“ gibt es ein Kapitel, in dem der Lebensweg der jeweiligen Gesprächspartner nachgezeichnet wird. Wie intensiv blicken Sie auf den Ihren zurück?

Heiner Lauterbach: Es gibt das alte Mantra: Lebe im Hier und Jetzt. Mir fällt es mitunter schwer. Wenn ich etwa beim Arzt im Wartezimmer sitze und in einer Illustrierten blättere, dann denke ich oft an frühere Jahrzehnte zurück. Gleichzeitig mache ich mir auch Gedanken über die Zukunft, gerade wenn man so eine Firma wie „Meet Your Master“ hat. Meine Frau Viktoria und ich neigen aber nicht dazu, uns vorzustellen, was wir mit 90 beziehungsweise 70 machen. Letztlich leben wir dann doch, schon wegen unserer Kinder, im Hier und Jetzt.

Wie gehen Sie mit dem Älterwerden um?

Lauterbach: Mir ist immer klar gewesen, dass ich jede Sekunde altere. Diese Erkenntnis ist schlimm genug, und das muss man nicht noch bei runden Zahlen zelebrieren. Ich habe schon mit 26 angefangen, darüber nachzudenken, dass ich bald 30 bin, und dieses Denken hat sich dann mit jedem runden Geburtstag fortgesetzt. Insofern bin ich im Kopf schon längst 70, weil ich mich lange zuvor damit beschäftigt habe, um nicht schockiert zu werden. Gleichzeitig verändert man aber auch seine Perspektive aufs Alter. Mit zehn war für mich ein 30-Jähriger schon steinalt. Jetzt, wo ich 70 werde, sage ich, dass man mit 80 ziemlich alt ist.

Heiner Lauterbach mit Schauspielkollegin Heike Makatsch in einer Szene der Serie
Heiner Lauterbach mit Schauspielkollegin Heike Makatsch in einer Szene der Serie "Herzogpark", die bei dem Sender Vox läuft. © dpa | Dpa

Was haben Sie zu Ihrem 70. Geburtstag vor?

Lauterbach: In dem Fall werden wir wahrscheinlich im Urlaub sein. Kurz vorher komme ich aus Georgien zurück. Dann reisen wir mit den beiden Kindern nach Sizilien. Da möchte ich dann auch meinem Sohn Vito die Stadt Corleone zeigen, damit er sieht, wo sein Name herkommt.

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Es gab auch Brüche in Ihrem Leben, etwa Ihre Alkohol- und Drogensucht vor über 20 Jahren, auf die Sie in einer aktuellen Dokumentation eingehen.

Lauterbach: In der ersten Schnittversion des Films kommt es so herüber, als hätte ich gar nichts mehr zu tun, als über diese alten Zeiten zu reden. Aber das war eine Vorab-Fassung, die meine Frau und ich noch gar nicht abgenommen hatten. Ich persönlich glaube, dass die Menschen da draußen das gar nicht mehr hören wollen. Ich habe für den Film ja noch viel mehr aus meinem Leben erzählt.

Was haben Sie eigentlich aus Ihrer Jugend als Lebenserkenntnis mitgenommen?

Lauterbach: Ohne mich jetzt despektierlich über meine Eltern, die inzwischen verstorben sind, äußern zu wollen, war eine meiner Erkenntnisse, dass ich es als Vater anders machen wollte als sie. Das habe ich schon früh gesagt. Ich wusste, dass ich nicht perfekt sein und Fehler machen würde, aber bestimmte Dinge schloss ich schon von vornherein aus, zum Beispiel, meine Kinder zu schlagen. Unsere Eltern haben uns Hunderte Male geschlagen, wobei es jetzt nicht so schlimm war, wie sich das anhört. Ich habe kein Trauma davon getragen. Aber es war eben ein Ansporn, besser zu sein. Wie gesagt, man macht trotz dieser Maßnahmen immer noch genug Fehler in der Erziehung.

Können Sie die Denkweise Ihrer Eltern im Nachhinein verstehen?

Lauterbach: Ja, das war damals in der Nachkriegszeit. Die hatten einen Hunger nach Amüsement. Da gab es keine Kindermädchen, wie ich sie bei meinen Kindern hatte. Wenn sie ausgehen wollten, dann haben sie mich mit fünf zuhause alleine gelassen. Ich habe mal einen Film mit dem Titel gedreht „Familie ist eine Wunde, die niemals heilt.“ Das ist ein Satz, der aus meiner Sicht auf die meisten Familien zutrifft. Es gibt keine perfekte Familie, in der alle nur Heilige sind. Jeder hat seine Leichen oder seine Konflikte im Keller.

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Es gibt einen Grenzpunkt des Lebens, den wir alle erreichen. Wie nähern Sie sich dem Thema Tod an?

Lauterbach: Meinen letzten Satz habe ich schon formuliert. Ich weiß nicht, ob ich ihn dann aussprechen werde, weil er natürlich etwas frech ist. Wenn ich ihn im Film zu verkörpern hätte, dann würde ich sagen: „So jetzt zeig mal was du kannst.“ Der liebe Gott soll mal zeigen, ob da ein zweites Leben kommt. Und wenn ja, dann tunlichst nicht als Klofliege in Indien. Ich träume aber auch nicht von den hunderttausend Jungfrauen. Aber im Ernst: Ich habe keine Ahnung. Das Sprichwort sagt: Auf einem sinkenden Schiff gibt es keine Atheisten. Deshalb bin ich sehr vorsichtig mit meiner Verneinung von etwas Göttlichem, weil ich es eben auch nicht ausschließen kann. Ich möchte es mir nicht mit ihm verderben Aber ich befürchte, es wird eine sehr öde Geschichte, die, man hört es ja immer wieder, mit einem weißen Nebel anfängt, aber dann vermutlich in einem sehr schwarzen Nebel endet.

Was halten Sie von der Vorstellung eines Wiedersehens im Jenseits?

Lauterbach: In meinem Fall wäre es eine tröstliche Vorstellung, dass ich Viktoria im Himmel wiedersehe. Aber ich glaube nicht, dass es da oben ein Paradies gibt, in dem wir uns alle treffen. Was machen wir denn da? Skat spielen? Harfe spielen? Vielleicht sollte man schon mal mit Harfe spielen anfangen, dass man wenigstens einen Schritt weiter ist, wenn es soweit ist.