Berlin. Eine Hitzewelle rollt auf Deutschland zu. Bis zu 40 Grad sollen es werden. Woran das liegt und was der Deutsche Wetterdienst erwartet.

Vergangene Woche hat Südeuropa – allen voran Spanien und Portugal – bei Temperaturen von mehr als 40 Grad geschwitzt. In dieser Woche kommt die Hitzewelle auf Deutschland zu. Auch bei uns könnten die Temperaturen im Westen und Südwesten an der 40-Grad-Marke kratzen. Heiß und trocken werden soll es aber in ganz Deutschland. Was genau kommt da auf uns zu?

Andreas Friedrich, Diplom-Meteorologe und Tornadobeauftragter beim Deutschen Wetterdienst (DWD) erklärt, womit wir im Zuge der Hitzewelle in dieser Woche rechnen müssen, wie die aktuelle Hitzewelle entsteht, was das mit der Klimaerwärmung zu tun hat – und was wir für den Spätsommer erwarten können.

Herr Friedrich, in dieser Woche soll die Hitzewelle aus Südeuropa Deutschland erreichen. Welche Temperaturen in der Spitze kommen in den nächsten Tagen auf uns zu?

Andreas Friedrich: Ab Montag kommt tatsächlich etwas auf uns zu, was man „Hitzewelle“ nennen darf. Davon sprechen wir beim DWD, wenn es an mindestens drei Tagen hintereinander im Mittel eine Höchsttemperatur von 30 Grad oder mehr gibt. Das wird im Südwesten locker getoppt werden. Der Höhepunkt der Hitzewelle wird voraussichtlich der Dienstag sein. Dort sagen unsere Modelle eigentlich für ganz Deutschland von der Küste bis zum Alpenrand deutlich über 30 Grad voraus. Wem das zu viel ist, dem sei die Nordsee-Insel Helgoland mit 25 Grad empfohlen.

Wo wird es besonders heiß werden?

Friedrich: Der Hotspot wird der Westen Deutschlands sein, vom Rheinland über das Rhein-Main-Gebiet bis in den Freiburger Raum. Dort sehen wir im Modell verbreitet 38 bis 39 Grad. Entlang des Rheins werden sogar bis zu 40 Grad vorhergesagt. Um diese runde Zahl wird zwar immer ein Hype gemacht. Aber eigentlich ist es unerheblich, ob es am Dienstag dann 38 oder 40 Grad werden – es wird eine Hitzewelle geben, das kann man mit Sicherheit sagen.

Andreas Friedrich ist Tornadobeauftragter und Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD).
Andreas Friedrich ist Tornadobeauftragter und Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD). © dpa-tmn | Deutscher Wetterdienst

Wie geht es den Rest der Woche weiter?

Friedrich: Am Mittwoch ist der Höhepunkt schon überschritten. Dann rechnet unser Modell verbreitet „nur noch“ mit 30 bis 35 Grad. Im Westen kommen dann sogar ein paar Wolken, vielleicht sogar Gewitter ins Spiel. Schwere Gewitter sind aber noch sehr unsicher, weil die Luft dafür vielleicht wieder mal zu trocken ist. Die Trockenheit ist neben der Hitze unser Hauptproblem. In der zweiten Wochenhälfte rechnet unser Modell für Donnerstag und Freitag im Westen nur noch mit Werten um 30 Grad, im Osten können die Temperaturen noch mal auf 35 bis 39 Grad klettern. Abkühlung gibt es im Norden. Für Freitag sehen wir für Hamburg 25 Grad und für Sylt 22 Grad.

Sind Hitzewellen wie in dieser Woche ganz normale Wetterschwankungen oder schon klare Auswirkungen des Klimawandels?

Friedrich: Man kann natürlich eine einzelne Hitzewelle nie mit der Klimaerwärmung in Verbindung setzen. 40 Grad haben wir in Süddeutschland vereinzelt mal Anfang der 1980er-Jahre erreicht. Damals war das ein Ausreißer, den es ein Mal in 30 Jahren gab. Seit dem berühmten „Jahrhundertsommer“ 2003 erleben wir die 40 Grad zwar nicht jedes Jahr, aber immer öfter. Am 25. Juli 2019 hatten wir mit 41,2 in Nordrhein-Westfalen den aktuellen deutschen Rekord. Sprich: Aufgrund der schon eingetretenen Klimaerwärmung sind solche Hitzewellen mit Temperaturen über 30 Grad intensiver und häufiger geworden. Diesen eindeutigen Zusammenhang kann man aus den Daten herauslesen.

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Wie entsteht so eine starke Hitzewelle, wie sie in dieser Woche auf uns zurollt?

Friedrich: Es kommt immer auf die großräumige Luftdruck-Konstellation an, die wir über Deutschland und Europa vorfinden. Für eine Hitzewelle müssen mehrere Komponenten zusammenkommen. Einmal brauchen wir ein Hochdruckgebiet, das sein Zentrum etwas östlich von Deutschland hat, ungefähr über Polen. Denn auf der Nordhalbkugel drehen sich die Luftmassen um so ein Hochdruckgebiet immer im Uhrzeigersinn. Wenn dieses Gebiet dann östlich von uns sitzt, befinden wir uns in Deutschland westlich davon in einer großräumigen südlichen Strömung. Die Luftmassen, die jetzt nach Deutschland gelangen, stammen ursprünglich aus Nordafrika und dem westlichen Mittelmeer. Dort hatten wir vergangene Woche schon die extreme Hitze mit 47 Grad in Portugal und 45 Grad in Spanien. Diese Luftmasse wird jetzt angezapft und ein Teil davon kommt jetzt nach Deutschland. Dazu kommt, dass wir 12 bis 14 Stunden Sonnenschein haben werden und kaum eine Wolke den Einflussbereich dieses Hochs stört.

Welchen Ursache gibt für die kommende Hitzewelle noch?

Friedrich: Der dritte Effekt, der zu diesen Spitzentemperaturen führt, ist, dass die Böden extrem trocken sind. Dadurch kann wenig Feuchtigkeit verdunsten, die normalerweise die Temperaturen ein bisschen dämpft. Alle drei genannten Komponenten überlagern sich und führen in der Spitze zu einer Hitzewelle mit bis zu 40 Grad.

Temperaturen in Richtung der 40-Grad-Marke: Das erwartet der Deutsche Wetterdienst (DWD) für diese Woche in einigen Regionen im Westen und Südwesten Deutschlands.
Temperaturen in Richtung der 40-Grad-Marke: Das erwartet der Deutsche Wetterdienst (DWD) für diese Woche in einigen Regionen im Westen und Südwesten Deutschlands. © dpa | Frank Rumpenhorst

Werden Hitzewellen dieser Art jetzt jeden Sommer mehrfach auch auf uns in Deutschland zukommen?

Friedrich: Die Klimaerwärmung geht in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter, das steht fest. Man weiß nur nicht genau wie schnell, weil sich die Modelle unterscheiden und ja auch weltweit Emissionen eingeschränkt werden sollen. Der Trend wird sich aber fortsetzen. Man kann zwar nicht damit rechnen, dass wir jetzt jedes Jahr stetig immer noch höhere Temperaturen und noch mehr Hitzewellen erleben werden. Letztes Jahr hatten wir zum Beispiel kaum extreme Hitzewellen in Deutschland und auch keine so große Dürre wie in den Jahren 2018, 2019 und 2020. Bei Klima reden wir immer über Veränderungen in einem Zeitraum von 30 Jahren. Sagen kann man heute: In den nächsten 30 Jahren müssen wir im Mittel damit rechnen, dass Hitzewellen an Intensität zunehmen und wir werden wahrscheinlich auch neue Temperaturrekorde von bis zu 43 oder 44 Grad in Deutschland erleben werden.

Wenn wir auf den August und September schauen: Können Sie beim DWD heute schon ableiten, ob wir uns auf einen hitzigen Spätsommer einstellen können?

Friedrich: Ob weitere Hitzewellen kommen, lässt sich nicht vorhersagen. Seriöse Prognosen sind höchstens zehn Tage in die Zukunft möglich. Darüber hinaus gibt es langfristige sogenannte Trendprognosen. Dort betrachtet man Zeiträume von rund zwölf Wochen bis hin zu ganzen Jahreszeiten. Danach sieht es wirklich so aus, dass die drei Monate Juli, August und September im Mittel ein bis zwei Grad wärmer ausfallen als in den letzten 30 Jahren. Es ist also der Trend da, dass wir auch im Spätsommer im Mittel zu warmes und zu trockenes Wetter bekommen. Ob das aber mit solchen Ausreißern wie in dieser Woche verbunden ist oder es gleichmäßig über 30 bis 35 Grad gibt, kann man nicht vorhersagen.

Zur Person

Andreas Friedrich ist Diplom-Meteorologe und Tornadobeauftragter beim Deutschen Wetterdienst (DWD).

Die Bundesoberbehörde mit Sitz im hessischen Offenbach am Main erbringt meteorologische Dienstleistungen wie Wettervorhersagen für die Allgemeinheit oder für einzelne Nutzer, wie zum Beispiel die Schifffahrt, die Landwirtschaft oder die Wissenschaft.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.