Berlin. Eine allgemeine Impfpflicht für Krankheiten gibt es in Deutschland nicht. Für bestimmte Bevölkerungsgruppen bestehen aber Ausnahmen.

Trotz anfänglicher Freude über die Corona-Impfung liegt die Quote der vollständig geimpften Personen in Deutschland auch fast ein Jahr später bei knapp 70 Prozent. Eine Impfpflicht gegen Covid-19 scheint vor allem angesichts der steigenden Infektionszahlen immer wahrscheinlicher zu werden.

Eine entsprechende Verordnung wäre nicht neu. Auch für andere Krankheiten gibt es in Deutschland und anderen Teilen der Welt bereits eine generelle oder teilweise Impfpflicht.

Grundlage für Impflicht in zwei Gesetzen

Die gesetzlichen Vorgaben für das Impfsystem in Deutschland leisten das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und das Masernschutzgesetz seit März 2020. Die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert Koch-Instituts, ein Gremium aus 12 bis 18 Experten und Expertinnen, gibt dabei etwa einmal im Jahr Empfehlungen für Impfungen heraus.

Diese sind allerdings nicht verpflichtend und sind vor allem richtungsweisend für die Leistungserstattungen der gesetzlichen Krankenkassen. Um die staatliche Zulassung und Überprüfung von Impfstoffen kümmert sich das Paul Ehrlich-Institut.

Eine generelle Impfpflicht für eine Krankheit gibt es in Deutschland aktuell nicht. In manchen Bevölkerungs- und Berufsgruppen sind eine oder mehrere Impfungen allerdings Voraussetzungetwa die Masernimpfung bei Kindern, die eine Schule oder Kita besuchen sollen. In der Vergangenheit war das allerdings anders.

Impfpflicht in der Vergangenheit

Im Jahr 1874 verpflichtete das Reichsimpfgesetz Deutsche dazu, ihre Kinder gegen Pocken impfen zu lassen. Im zweiten Weltkrieg wurde sie ausgesetzt, danach bestand die Pockenimpfpflicht in Deutschland bis 1976.

In der DDR gab es neben der Impfpflicht gegen Pocken zudem jeweils eine gegen Tuberkulose, Kinderlähmung, Diphtherie, Wundstarrkrampf, Keuchhusten und Masern. Kritiker und Kritikerinnen einer generellen Impfpflicht argumentieren häufig damit, dass diese in die Persönlichkeitsrechte der Bevölkerung eingreife.

Ist eine Impfpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar?

In einem Urteil von Juli 1959 hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht damit beschäftigt, ob die verpflichtende Pockenschutzimpfung aus dem Jahr 1874 gegen das Grundgesetz verstoße.

Das Gericht entschied damals, dass der Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit und einzelner Personen den gesetzlichen Eingriff rechtfertige.

Zu ähnlichen Einschätzungen kamen deutsche Rechtsexperten auch angesichts einer drohenden Impfpflicht im Zusammenhang mit dem Coronavirus.

Diese Gruppen müssen sich gegen Masern impfen lassen

Das Masernschutzgesetz gilt seit dem 1. März 2020 und gilt für Menschen, die nach 1970 geboren sind und in einer Gemeinschaftseinrichtung sind.

Das Gesetz gibt es, weil es trotz Maßnahmen zur Steigerung der Impfbereitschaft immer noch zu große Impflücken in allen Altersgruppen gegeben habe, heißt es auf einer Informationswebseite dazu. Wo eine Übertragung ein größeres Risiko ist als an anderen Orten, soll die Pflicht zusätzlichen Schutz vor einer Ansteckung schaffen.

Ausnahmen für ältere Jahrgänge

Die Nachweispflicht gilt demnach nur für bestimmte Gruppen, etwa für Kinder, die eine Kita oder Schule besuchen, Bewohnende einer Heimeinrichtung oder Flüchtlingsunterkunft und Beschäftigten in Krankenhäusern oder medizinischen Praxen.

Allerdings nur, wenn sie nach 1970 geboren und mindestens ein Jahr alt sind – und keinen ärztlichen Nachweis haben, der sie von der Impfung freistellt. Die Stiko geht davon aus, dass vor 1971 Geborene mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen die Masern geimpft sind, deswegen sind sie im Masernschutzgesetz nicht erfasst.

In manchen Ländern gilt Impfpflicht bei Einreise

In manchen Fällen müssen ausländische Reisende nachweisen, dass sie vollständig gegen bestimmte Erkrankungen geimpft sind. Teilweise trifft das aber nur auf bestimmte Bevölkerungsgruppen zu. Das aktuelle epidemiologische Bulletin zu Reiseimpfungen der Stiko listet die entsprechenden Länder mit ihren erforderlichen Impfnachweisen auf.

So verlangen einige Länder bei Einreise einen Impfnachweis gegen Gelbfieber und andere nur dann, wenn die Einreisenden aus einem Land mit hohem Infektionsrisiko kommen. Eine generelle Pflicht zur Gelbfieber-Impfung gibt es laut einer Auflistung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in vielen der afrikanischen Staaten und in Paraguay.

Impfung gegen Kinderlähmung häufiger gefordert

Saudi-Arabien fordert bei Teilnehmenden an Pilgerfahrten einen Nachweis einer Meningokokkenimpfung. Zudem müssen Einreisende aus Poliomyelitis-Endemiegebieten eine Impfung gegen Kinderlähmung nachweisen.

Einwohnende und Langzeitreisende (länger als vier Wochen), die aus Afghanistan, Pakistan, Madagaskar, China und dem Jemen ausreisen wollen, müssen ihre aktuelle und vollständige Polio-Impfung einer Liste des Auswärtigen Amtes zufolge ebenfalls nachweisen. Das kann auch Reisende aus Deutschland betreffen.

Corona-Impfpflicht bereits im Ausland

Seit dem 8. November 2021 gibt es in den USA eine Impfpflicht gegen Covid-19 für alle, die in das Land einreisen wollen. Davon sind auch Deutsche betroffen. Nur einige Ausnahmen, wie Kinder unter 18 Jahren, benötigen keine Corona-Impfung.

Allgemeine Impfpflichten gegen die Erkrankung gibt es bisher erst in Tadschikistan, Turkmenistan und dem Vatikan. Österreich will bis Februar 2022 ebenfalls eine Impfpflicht für alle über 18 Jahren einführen. In vielen weiteren Ländern müssen sich bestimmte Bevölkerungs- oder Berufsgruppen gegen das Coronavirus impfen lassen.

Davon betroffen sind vor allem Mitarbeitende des öffentlichen Dienstes oder im Gesundheitssektor. In Costa Rica steht die Impfung gegen das Coronavirus auf der Liste der verpflichtenden Impfungen für alle Minderjährigen.

Impfpflicht gegen Covid-19 in Deutschland wahrscheinlicher

In Deutschland ist derzeit noch nicht klar, ob und wann es eine Impfpflicht für einzelne Einrichtungen und Berufsgruppen oder sogar eine allgemeine Verpflichtung zur Covid-19-Impfung geben wird.

Laut Informationen der Bundesregierung vom 1. Dezember soll allerdings eine “zeitnahe Entscheidung" getroffen werden, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich bereits für eine allgemeine Impfpflicht ab März ausgesprochen. Für eine Gruppe soll die Covid-19-Impfung aber jetzt schon zu einer Art Pflicht werden.

Durch die Duldungspflicht können Soldatinnen und Soldaten zu einer Impfung verpflichtet werden, um ihren Dienst weiter ausführen zu können.
Durch die Duldungspflicht können Soldatinnen und Soldaten zu einer Impfung verpflichtet werden, um ihren Dienst weiter ausführen zu können. © dpa

Duldungspflicht für Soldaten und Soldatinnen

In der Berufsgruppe der Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr gibt es seit einigen Jahren eine sogenannte “Duldungspflicht" bei grundlegenden Impfungen. Das bedeutet, dass sie verpflichtet sind, angewiesene Impfmaßnahmen über sich ergehen zu lassen. Halten sie das nicht ein, drohen ihnen Disziplinarmaßnahmen.

Ausnahmen gibt es für Soldaten und Soldatinnen, bei denen eine Impfung nach objektiver Bescheinigung gesundheits-oder lebensgefährdend wäre.

Corona-Impfung für alle im Wehrdienst

Soldatinnen und Soldaten seien durch ihre Arbeit und ihr Zusammenleben “per se einem relativ höheren Infektionsrisiko ausgesetzt als andere Bevölkerungsgruppen", schreibt das Bundesverteidigungsministerium dazu in einer Mitteilung Anfang 2021.

Passend zu dieser Argumentation hat das Ministerium nun auch angekündigt, dass auch die Corona-Impfung zu den duldungspflichtigen Impfungen gehöre. Soldaten und Soldatinnen sind damit faktisch dazu verpflichtet, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen.