Berlin. Die NSU-Akten wollte das Land Hessen unter Verschluss halten. Doch nun will Satiriker Böhmermann die Dokumente veröffentlicht haben.

Jahrelang mordete sich die Neonazi-Bande des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) durch die Bundesrepublik. Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter starben, überwiegend weil sie in den Augen der Täter die falsche Haut- oder Haarfarbe, einen falschen Namen oder die falsche Herkunft hatten.

Beate Tschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt töteten aus rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven, aber vor allem: aus Hass. Ihre Verbrechen konnten sie unerkannt begehen, weil die Sicherheitsbehörden nicht miteinander kooperierten oder ihrerseits aus rassistischen Motiven heraus in völlig falsche Richtungen ermittelten. Die Geschichte des NSU ist auch eine des Versagens deutscher Beamter, bis in die Spitzen von Verfassungsschutz und Politik.

NSU-Morde: Viele Fragen offen

Viele Fragen rund um die Mordserie sind offen, etwa ob es Zusammenhänge gibt zwischen dem NSU und dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Oder welche Rolle die verschiedenen Verfassungsschutzsorgane bei Bund und Ländern spielten. Einige dieser Fragen könnten mit den sogenannten NSU-Akten beantwortet werden, Dokumente, die das hessische Innenministerium als geheim einstuft und auf Jahrzehnte hinaus nicht veröffentlichen will.

Dem scheint der Satiriker Jan Böhmermann mit dem "ZDF Magazin Royal" und der Plattform "Frag den Staat" einen Strich durch die Rechung gemacht zu haben. Die geheimen Akten sollen nach eigenen Angaben frei zugänglich gemacht worden sein. "Wir glauben, die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, was genau in jenen Dokumenten steht, die ursprünglich für mehr als ein Jahrhundert geheim bleiben sollten“, heißt es auf der dazu eingerichteten Webseite. Um die Quellen zu schützen, seien die Akten komplett abgetippt und ein neues Dokument erstellt worden, um keine digitalen Spuren zu hinterlassen, schrieb Böhmermann auf Twitter.

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Bei dem ab Freitag abrufbaren Dokument handelt es sich laut Deckblatt um einen Abschlussbericht zur Aktenprüfung im Landesamt für Verfassungsschutz Hessen im Jahr 2012. Der Bericht ist auf den 20. November 2014 datiert. Das könnte Sie interessieren: Mehmet O. – wer ist das unbekannte Opfer der Neonazis?

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NSU-Akten: Keine Freigabe

Um sogenannte NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes - Ergebnis einer Prüfung, bei der die Behörde eigene Akten und Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum NSU geprüft hatte - gibt es seit Jahren Streit. Sie waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert. Zehntausende Personen hatten in einer Petition die Veröffentlichung gefordert. Die Initiatoren der Petition erhofften sich neue Erkenntnisse über die Morde der rechtsextremen Terrorzelle und mögliche Verbindungen zum Mord an Walter Lübcke.

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte im Mai 2021 die Entscheidung verteidigt, die Akten nicht zu veröffentlichen. „Für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden ist es immanent, dass sie ihre Arbeitsweise nicht für jeden offenlegen können“, sagte er damals im Landtag in Wiesbaden. „Ansonsten könnten die Verfassungsfeinde selbst diese Informationen nutzen, um unsere gemeinsamen Werte zu bekämpfen oder Menschen gezielt zu gefährden.“

Er verwies darauf, dass das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium Verfassungsschutz vollumfängliche Akteneinsichtsrechte besitze und jederzeit sämtliche Informationen des Verfassungsschutzes einsehen könne. (pcl/mit dpa)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.