Berlin. Scheidung, Brustkrebs, Alkoholfahrt – doch jetzt ist Ex-Bischöfin Margot Käßmann an der Seite eines neuen Partners wieder glücklich.

Margot Käßmann war nicht nur Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende – ihre Stimme, ob von der Kanzel oder in den Talkshows – galt auch für die wegweisend, die mit der Kirche nichts am Hut hatten. Diese Frau stand im Leben, das war einer ihrer Pluspunkte. Dass sie große Herausforderungen bestehen musste, brachte sie den Menschen noch näher: Sie erkrankte an Brustkrebs, ihre Ehe ging in die Brüche.

Selbst die Alkoholfahrt, nach der sie ihre Ämter abgab, hat an ihrer Popularität nicht viel verändert. Käßmann hat viel mitmachen müssen. Doch die Bischöfin der Herzen freut sich jetzt darüber, dass ihr Herz höher schlägt: Margot Käßmann, Mutter von vier Töchtern, genießt die Liebe im reifen Alter. „Es hat mich selbst ziemlich überrascht“, sagt die 63-Jährige.

Margot Käßmann: „Ich bin über mich selbst erschrocken“µ

Dass sie sich noch einmal verliebe, „damit habe ich nicht gerechnet“, erzählt Margot Käßmann im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich nehme es jetzt mit großer Dankbarkeit wie ein Geschenk an.“

Margot Käßmann war ein Promi der Kirche. Sie wurde gefeiert – und fallen gelassen. Als sie sich 2007 von ihrem Mann, den Pastor Eckhard Käßmann, scheiden ließ, ging ein Aufschrei durch Deutschland: Eine Bischöfin und Scheidung! Das geht gar nicht. Und dann fuhr sie auch noch 2010 betrunken mit 1,54 Promille an einem späten Samstagabend in Hannover über eine rote Ampel – direkt vor den Augen einer Polizeistreife. Die Schlagzeilen ließen nicht auf sich warten.

Käßmann trat von ihren Ämtern zurück. „Ich bin über mich selbst erschrocken, dass ich einen so schlimmen Fehler gemacht habe“, hatte sie erklärt. 8000 Euro Strafe und vorübergehender Führerscheinentzug kamen auf sie zu.

Margot Käßmann spricht in ihrem neuen Buch „Mit mutigem Schritt zurück zum Glück“ (Droemer Knaur) auch über ihre wiedergefundene Jugendliebe.
Margot Käßmann spricht in ihrem neuen Buch „Mit mutigem Schritt zurück zum Glück“ (Droemer Knaur) auch über ihre wiedergefundene Jugendliebe. © dpa | Daniel Karmann

Der Mann an ihrer Seite ist ihre Jugendliebe

Das ist lange her. Dieser „Alptraum“, wie sie es damals oft nannte, ist Vergangenheit. Jetzt lebt die Bestseller-Autorin, Kirchenfrau und Großmutter einfach ein glückliches Leben. Seit sieben Jahren mit einem Mann an ihrer Seite, der ein Jahr jünger ist als sie: Andreas Helm – für sie kein Unbekannter. Im Gegenteil: Er war ihre Jugendliebe.

Lange hatten sie sich aus den Augen verloren. Sehr lange sogar. Und dann! Nach vierzig Jahren sahen sie sich wieder, als er zu einem ihrer Vorträge kam. In dem Buch „Mit mutigem Schritt zurück zum Glück“ (Droemer Knaur), an dem beide zusammen gearbeitet haben, erzählen sie, wie das passiert ist, was beide nicht mehr für möglich hielten.

Wiedersehen nach vierzig Jahren

Käßmann schreibt, sie habe diese Worte gehört: „Hallo, ich bin Andreas.“ In ihrem Kopf habe es gearbeitet. „Wer ist das? Dann wurde mir klar: Das ist der Andreas! Meine Jugendliebe.“ Vor langer, langer Zeit waren sie ein Paar. „Mit 14, 15 sind wir ,miteinander gegangen’, wie es damals hieß“, schreibt sie.

Die Interessen lagen nah beieinander: „Gemeinsam haben wir im Posaunenchor der Kirchengemeinde gespielt, zusammen den Kindergottesdienst in der Herrenwaldkirche gestaltet, Freizeiten am Edersee erlebt – und den ersten Kuss getauscht – danach noch ein paar mehr.“ Dann studierte sie Theologie, er Elektrotechnik.

Und da also stand er vor ihr. Nur 40 Jahre sind natürlich nicht einfach so wegzuwischen. Aber man tauschte schon mal Handynummern aus. „Wir haben uns dann ein paar Wochen später zum Essen verabredet, als ich in der Nähe der Stadt, in der er wohnt, einen Termin hatte. Wir haben ein bisschen ,Faktencheck’ gemacht, einander viel erzählt und gestaunt, wie vieles in unseren Leben parallel gelaufen war.“

Beide waren 26 Jahre verheiratet, beide sind Eltern von vier Kindern

Gemeinsamkeiten gab es jede Menge: Beide waren 26 Jahre verheiratet und geschieden. „Beide haben wir vier Kinder, zwei haben sogar denselben Namen, und beide sind wir Eltern von Zwillingen.“ Eine gute Basis für mehr. „Die Beziehung zwischen Andreas und mir wurde etwas Bleibendes ohne allzu große Hürden“, schreibt Käßmann.

„Da gab es gar keine dramatischen Entscheidungen, keine großen Hindernisse zu überwinden, sondern wir haben, so merkwürdig das klingt, über die 40 Jahre hinweg an das alte Vertrauen unmittelbar wieder anknüpfen können.“

Auch das Lebensgefühl verbinde sie, beide seien mit „Fury“, „Bezaubernde Jeannie“ und „Bonanza“ sozialisiert worden. Beide verbinde auch ein ähnlicher Humor. Vor allem seiner sei durchaus trocken. „Beim Stuttgarter Kirchentag 2015 hatte ich beispielsweise ein neues Kleid dabei, zog es morgens an und fragte: „Na, wie findest du es?“. Andreas: „Mach dir nichts draus, ich hab auch nichts Schönes zum Anziehen dabei!“

Ein Buch, um anderen Mut zu machen

Dass die beiden über ihre Partnerschaft ein Buch geschrieben habe, habe damit zu tun, dass sie anderen Mut machen wollen, auch im höheren Alter noch einmal eine neue Partnerschaft einzugehen. „Es gab Leute, die unsere Geschichte kannten und sagten: Schreibt das doch auf. Oder andere wollten darüber schreiben. Dann kam Corona. Und wir hatten Zeit, es gemeinsam aufzuschreiben“, sagt Käßmann.

In ihrem Buch schreibt sie: „Es geht dabei nicht so sehr um eine Liebesgeschichte. Das scheint uns immer ein wenig übertrieben, weil der Begriff ,Liebe’ so dramatisch daherkommt. Uns geht es eher darum, die Dankbarkeit für das Glück, sich wiederzufinden, mit anderen zu teilen.“

Eine neue Liebe hatte sie nicht eingeplant

Dabei hatte sie das gar nicht so auf dem Schirm. Sie ist gut beschäftigt. „Ich halte Vorträge, Gottesdienste Lesungen, kümmere mich um meine sieben Enkel.“ Eine Partnerschaft? Damit hat sie nicht wirklich gerechnet. Und es auch nicht als Ziel ausgegeben. „Ganz ehrlich. Gelangweilt hätte ich mich sicher nicht.“

Dass sie einfach nur jemanden an ihrer Seite brauchte, um nicht allein zu sein im Alter – ein Gedanke, der komplett abwegig sei. „Das Alter wird ja oft so schlecht geredet. Aber solange man sich noch fit fühlt, ist es vor allem mit mehr Freiheit verbunden. Wir sind doch viel unabhängiger. Müssen niemanden mehr versorgen. Und bekommen Rente – ich weiß, viele sehr wenig!“, sagt sie.

„Als ich mit sechzig aufhörte, haben mich viele Frauen beneidet. Ich hatte nie Probleme, meine Zeit sinnvoll auszufüllen.“ Wie so oft zitiert sie dann ihren Partner: „Andreas, der damals in den Vorruhestand gegangen ist, sagt gern: ,Die ersten drei Monate waren wie Urlaub. Danach aber braucht man Struktur, um nicht zu verlottern.“

Ein Datingportal wäre nichts für Käßmann

Gemeinschaft als Paar, das finde sie schon wunderbar. Aber pro-aktiv auf einem Datingportal zum Bespiel hätte sie nicht nach jemandem Ausschau gehalten. „Nein, das ist nichts für mich. Und von Freundinnen habe ich gehört, dass Männer in meinem Alter eher Frauen um die vierzig suchen. Da ist es doch besser Kontakte im Kirchenchor knüpfen oder sich ehrenamtlich engagieren. Vielleicht triffst du da ja eher jemanden.“

So fit Käßmann auch ist – nach der Brustkrebserkrankung muss sie immer noch gut auf sich aufpassen. „Ich achte schon auf meine Gesundheit. Und gehe auch möglichst jeden zweiten Morgen joggen. Ich freu mich riesig, dass ich das kann. Aber ich muss natürlich wie viele Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren, auch insgesamt fünf Jahre danach noch diese Aromatasehemmer nehmen. Glücklicherweise spüre ich keine Nebenwirkungen.“

Im Alter akzeptiert man, dass der andere Macken hat

Die Liebe im Alter biete viele Vorteile. „Wenn du jung verliebt bist, hast du einfach eher die rosarote Brille auf. Das hat Andreas mal so formuliert. Dann ist der andere gleich der wunderbarste Mensch. Wenn du älter wirst, weißt du, dass du selbst, aber auch der andere eigene Macken hat. Oder Gewohnheiten. Aber man passt sich gerne an. Zum Beispiel trink ich meinen Kaffee jetzt wieder schwarz. Und Andreas isst Käse zum Frühstück.“

Ihr Leben jetzt sei einfach „sehr schön“, wie sie sagt. Vor allem genieße sie auch das gemeinsame Reisen. „Das habe ich ja gar nicht gekannt. Oder zusammen ins Kino, ins Theater, gemeinsam Essen zu gehen, zu frühstücken.“ Ihr Leben habe einfach eine neue Qualität gewonnen. Auch was Konflikte angeht, mache sie es heute besser. „Man lässt sie nicht mehr schwelen, sondern schafft sie aus der Welt. Dazu war früher durch Beruf und Kinder ja oft schlicht gar keine Zeit.“

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