Berlin. Queere Mitarbeitende der katholischen Kirche gehen mit der Aktion “Out in Church“ an die Öffentlichkeit. Damit riskieren sie ihre Jobs.

  • Die katholische Kirche diskriminiert auch noch im Jahr 2022 queere Menschen
  • Nun haben sich mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter katholischer Einrichtungen geoutet
  • Sie wollen mit der Aktion "Out in Church" gegen Ausgrenzung kämpfen - und die Kirche zum Undenken bewegen

125 Mitarbeitende der katholischen Kirche in Deutschland haben sich in einer beispiellosen Aktion als queer geoutet und mit der Aktion "Out in Church" ein Ende der Diskriminierung innerhalb der Kirche gefordert. Unter den Personen, die jetzt unter anderem ihre Homo-, Bi- oder Transsexualität öffentlich gemacht haben, befinden sich nicht nur Priester, Gemeinde- und Pastoralreferentinnen, Religionslehrer und -lehrerinnen, sondern auch Mitarbeitende der kirchlichen Verwaltung.

Auf der Webseite outinthechurch.de hat die Gruppe ein Manifest veröffentlicht, das neben Deutsch auch in zahlreichen anderen Sprachen abrufbar ist. Mit der Veröffentlichung des Textes will die Gruppe "für ein freies und von Anerkennung der Würde aller getragenes Zusammenleben und Zusammenarbeiten in unserer Kirche" eintreten. Die abwertenden Aussagen der Kirche etwa zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen seien im Lichte wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht mehr haltbar und hinnehmbar. "Eine solche Diskriminierung ist ein Verrat am Evangelium." Die Kirche müsse vielmehr zum Ausdruck bringen, "dass LGBTIQ+-Personen, ob alleine oder in Beziehung lebend, von Gott gesegnet sind".

Katholische Kirche: Homosexualität als Kündigungsgrund

Ihnen könnte nun eine Kündigung drohen. Denn laut kirchlichem Arbeitsrecht sind sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten, die von der in der katholischen Kirche akzeptierten Norm abweichen, ein Kündigungsgrund und zugleich ein Einstellungshindernis. Unter anderem dagegen wendet sich die Aktion.

Außerdem, so die Forderung von "Out in Church", sollen diffamierende Aussagen zu Geschlechtlichkeit und Sexualität aus der kirchlichen Lehre gestrichen werden. Der Zugang zu den katholischen Sakramenten und zu allen Berufsfeldern der Kirche dürfe queeren Menschen nicht mehr vorenthalten werden.

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Zu der Thematik läuft am Montagabend um 20.30 Uhr in der ARD die Dokumentation "Wie Gott uns schuf", die in der Mediathek bereits abrufbar ist. Darin treten einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Initiative erstmals vor die Kamera. Sie berichten von einem oft jahrelangen Versteckspiel und der Angst vor dem Outing. Eigentlich hätte die Doku erst später am Abend ausgestrahlt werden sollen - nun wurde sie vorverlegt.

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Diskriminierung von LGBTQ-Personen in der katholischen Kirche

Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren. Sie werden teilweise auch als LGBTIQ+-Community bezeichnet und in der katholischen Kirche bis heute diskriminiert. LGBTIQ steht als Abkürzung für "Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, Intersex, Queer", das Plus als Platzhalter für weitere Geschlechteridentitäten. Erst im vergangenen März hatte der Vatikan noch einmal klargestellt, dass homosexuelle Partnerschaften nicht den Plänen Gottes entsprächen.

Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm, der 2021 bereits bundesweite Segnungsgottesdienste für homosexuelle Paare mit initiiert hatte, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die Aktion sei durch das Coming-Out – also das Öffentlichmachen der sexuellen Orientierung oder Identität – von 185 Schauspielerinnen und Schauspielern im vergangenen Jahr inspiriert worden. Die damaligen Unterzeichner, unter ihnen Ulrich Matthes und Ulrike Folkerts, hatten bei der Aktion "#actout" kritisiert, dass sich viele nicht offen zu ihrem Queersein bekennen könnten, ohne berufliche Nachteile befürchten zu müssen.

Das gelte für die katholische Kirche natürlich noch in viel stärkerem Maße, sagte Mönkebüscher: "Die Gemeindereferentin, die ihre Freundin heiraten will, verliert ihren Job."

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Caritas-Mitarbeiterin musste Beziehung zu Freundin verheimlichen

Erfahrungen von Diskriminierung und Ausgrenzung musste auch Monika Schmelter (65) aus Lüdinghausen im Münsterland sammeln. Sie hat die Beziehung zu ihrer heutigen Frau 40 Jahre verheimlicht, weil sie selbst bei der Caritas arbeitete und ihre Partnerin Religionslehrerin war. Sie hätten beide lange Anfahrtswege zu ihrer Arbeit in Kauf genommen, um nicht entdeckt zu werden, sagte Schmelter der dpa.

Als die Beziehung schließlich doch ans Licht gekommen sei und sie sich ihrem Chef anvertraut habe, sei von ihm die Ansage gekommen: "Wenn ich das weiter geheim halte, dann kann ich meinen Job behalten. Aber wenn ich das an meinem Dienstort offen gemacht hätte, hätte das zu meiner Kündigung geführt."

"#OutInChurch. Für eine Kirche ohne Angst"

Die Initiative, die nun die Öffentlichkeit gegen solchen Druck von Seiten der Kirche mobilisieren will, trägt den Namen "#OutInChurch. Für eine Kirche ohne Angst". Das Netzwerk ruft alle LGBTIQ+-Personen, die haupt- oder ehrenamtlich für die katholische Kirche tätig sind, dazu auf, sich der Initiative anzuschließen. An die Bischöfe geht der Appell, öffentlich ihre Unterstützung für das Manifest zu erklären.

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Reformbewegung Maria 2.0 solidarisierte sich mit der Initiative

Die Reformbewegung Maria 2.0 solidarisierte sich mit der Initiative. Eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts und eine Revision der kirchlichen Lehre seien "unbedingt notwendig, da die katholische Kirche mit ihrer diskriminierenden Haltung gegenüber queeren Menschen weltweit unverantwortlich im Sinne der Menschenrechte handelt". Die Tatsache, dass man im Jahr 2022 in Deutschland noch Mut brauche, um sich zum Queersein zu bekennen, sei ein Skandal.

(dpa/bef/raer)

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