Essen. Die dritte Folge der Krimi-Reihe „Über die Grenze“ um illegale Transporte trägt schwer an thematischer Überlast. Lohnt sie dennoch?

Florian Geissler (Stephan Kampwirth) macht Druck, weil er selbst unter Druck steht. „Wenn dieses beschissene Gesetz durchkommt, ist die Polizei unser kleinstes Problem.“ Die Polizei, das ist die deutsch-französische Einheit „Gemeinsames Zentrum“ (GZ), die auf beiden Seiten der Europabrücke in Kehl und Straßburg arbeitet und es in der dritten Folge der Reihe „Über die Grenze“ mit einem „Racheengel“ zu tun bekommt.

„Über die Grenze“: Der Anspruch geht Richtung Drama

Im Europa-Parlament soll über die Verschärfung eines Schengen-Gesetzes abgestimmt werden. Ein computergestütztes Informationssystems würde der Polizei mehr Rechte und Möglichkeiten im Kampf gegen illegalen Grenzverkehr ermöglichen. Transportunternehmer Geissler, Cheflobbyist des Europaverbandes Transport und Logistik, will das Gesetz verhindern.

Offiziell mit Blick auf die freie Marktwirtschaft. Tatsächlich, um die eigenen Geschäfte zu schützen. Seine Laster transportieren falsch deklarierte toxische Industrieabfälle nach Osteuropa; richtig Geld bringen dann die angeblichen Leerfahrten zurück. Geissler heuert willige Frauen vorzugsweise aus der Ukraine an und verkauft sie gewinnbringend an einschlägige Clubs im Westen. Wegen der anstehenden Sitzungsperiode in Straßburg besteht erhöhter Bedarf.

Die Polizei weiß das. Geissler weiß, dass die Polizei es weiß, aber noch nicht beweisen kann. All das weiß von Anfang an auch der Zuschauer. Den überkommt irgendwann das Gefühl, dass ausgerechnet dieser eiskalte, skrupellose, über Leichen gehende Gangster zu den wenigen Figuren gehört, die sich halbwegs „normal“ verhalten in diesem Krimi (Buch: Stefan Wild; Regie: Michael Rowitz), an dem sich die Geister nicht nur wegen der thematischen Überlast scheiden dürften.

Film-Polizisten mit schweren seelischen Lasten

Denn so packend und rasant sich die Ereignisse links- und rechtsseitig des Rheins auch gestalten, der Anspruch geht immer Richtung Drama. Kommissarin Leni Herold (Anke Retzlaff spielt die Rolle beklemmend gut) hat in den ersten Fällen schon wahre Martyrien (Entführung, Fehlgeburt) durchlebt, die in Flashbacks aufflammen.

Im Quasi-Vorspann wird nun vor ihren Augen ihr Vater und Vorgesetzter Steffen Herold (Thomas Sarbacher) ermordet. Jetzt quälen sie noch die Erinnerungen an den Vater, Hass auf die Täter trübt die Sinne.

Die Prostituierte Natia Kardowa (Karoline Teska) wiederum, mit der sich Leni anfreundet und die sie als Lockvogel gegen Geissler einsetzt, hat eigene Dämonen. Auch Lenis neuer Chef, Niko Sander (Carlo Ljubek), der mit seinem erfrischend normalen französischen Kollegen Yves Kléber (Philippe Caroit) anfangs gar nicht klarkommt, leidet, wenngleich bisher nur still.

Doch dass ihm der bestens informierte Geissler zur Warnung einen jener Gürtel schenkt, mit dem Sander als Kind von seinem Vater misshandelt wurde, lässt einiges für die Fortsetzung erahnen, die in einer Woche folgt. Warum nur müssen deutsche Film-Polizisten so oft so überdeutlich so unmenschlich schwere seelische Lasten tragen?

  • ARD, 13. Februar, 20.15 Uhr