Berlin. Horst Seehofer präsentiert am Dienstag die Kriminalitätsstatistik für 2018. Experten kritisieren: Zahlen sind nur die halbe Wahrheit.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) und die deutschen Bürger dürften mit der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2018 eigentlich zufrieden sein. Insgesamt sind die erfassten Fälle wieder gesunken, dabei war 2017 schon ein Rekordjahr mit besonders wenigen Delikten. Doch wenn es um Pornografie, Drogen oder Angriffe auf Polizisten geht, sieht die Statistik ganz anders aus. Zudem kritisieren Experten: Die Daten aus der Statistik verraten nicht alles.

Dabei hatte der Innenminister die Tendenz zu weniger Verbrechen bereits im März bekannt gegeben. Laut dem aktuellen Bericht registrierte die Polizei 2018 5,56 Millionen Straftaten, was gegenüber dem Jahr 2017 eine Abnahme um 3,6 Prozent bedeutet. Die Zahl der Tatverdächtigen sank demnach um 2,9 Prozent auf 2,05 Millionen, wie die „Welt“ zu Details der Statistik schreibt.

Horst Seehofer fasste die Statistik mit den Worten zusammen: „Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt“. Zwar sei jede „Straftat natürlich eine zu viel. Aber objektiv ist dies der niedrigste Wert seit Jahrzehnten“.

Bereits die Statistik 2017 (5,76 Millionen Straftaten, minus 9,6 Prozent) hatte einen Tiefstand verzeichnet. Das Innenministerium hatte den niedrigsten Stand seit 1992 vermeldet.

Polizeiliche Kriminalstatistik 2018: Das wichtigste in Kürze:

• Insgesamt wurden 5,5 Millionen Straftaten erfasst (-3,6 Prozent zu 2017)

• Rund 30 Prozent der Straftaten waren Diebstähle

• Die Angriffe auf Polizei- und Vollstreckungsbeamte hat zugenommen (+39,9 Prozent)

Diese Zahlen lassen aber keine klaren Rückschlüsse auf die tatsächliche Kriminalitätsbelastung zu, weil unklar ist, wie viele Delikte gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden. Um dieses „Dunkelfeld“ auszuleuchten, will Seehofer dieses Jahr auch Ergebnisse einer Untersuchung vorstellen, bei der es darum geht, wie häufig Bürger Opfer von Straftaten werden, wie sicher sie sich fühlen und wie sie die Arbeit von Polizei und Justiz bewerten.

Mehr als die Hälfte (57,7 Prozent) der Straftaten wurde dem Bericht zufolge aufgeklärt. Diese Aufklärungsquote ist allerdings wenig aussagekräftig, weil nach Angaben des Bundeskriminalamts die 2018 gemeldeten Delikte zu den im gleichen Jahr aufgeklärten Fällen in Bezug gesetzt werden. Diese beiden Gruppen sind allerdings nicht deckungsgleich. Falls in einem Jahr mehr Verbrechen aufgeklärt als gemeldet werden, wären damit theoretisch sogar Aufklärungsquoten von mehr als 100 Prozent denkbar.

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Warum die Kriminalstatistik kritisiert wird

Ungefähr ein Drittel der gemeldeten Straftaten entfiel laut „Welt“ auf Diebstahlsdelikte. So wurden weniger Diebstähle von Kraftfahrzeugen (30.232, minus 9,1 Prozent) und Fahrrädern (292.015, minus 2,7 Prozent) angezeigt. Der gemeldete Taschendiebstahl nahm erheblich ab, um 18,2 Prozent auf 104.196 Fälle. Beim Ladendiebstahl gab es einen Rückgang um 4,1 Prozent auf 339.021 bekannte Fälle.

Die Zahl gemeldeter Wohnungseinbrüche sank laut „Welt“ auf einen historischen Tiefstand (97.504 Fälle, minus 16,3 Prozent). Leicht stieg hingegen der sogenannte Tankbetrug (Benzindiebstahl) auf 72.424 bekannte Fälle – plus 1,3 Prozent.

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Deutlich zugenommen hat demgegenüber die den Behörden bekannte Verbreitung pornografischer Schriften, um 13,6 Prozent auf 11.435 Fälle. Erneut wurden auch mehr Drogendelikte registriert, 350.662 Fälle und damit 6,1 Prozent mehr.

Beim Delikt „Widerstand gegen Staatsgewalt“, etwa gegen Polizeivollzugsbeamte und Vollstreckungsbeamte, gab es dem Bericht zufolge sogar eine Zunahme um 39,9 Prozent auf 34.168 bekannte Fälle. Allerdings muss man berücksichtigen, dass im Mai 2017 neue Straftatbestände geschaffen wurden und sich die Zahl deshalb mit der Zeit davor nur eingeschränkt vergleichen lässt.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, sagte der „Welt“: „Es ist erschreckend, wie sich die Gewalt gegenüber Polizeibeamten Bahn bricht. Statistisch gesehen wurden meine Kolleginnen und Kollegen im vergangenen Jahr etwa 32 Mal pro Tag tätlich angegriffen. Zählt man die Widerstandsdelikte dazu sind es fast 94 täglich.“

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler, betonte gegenüber „Welt“, dass die Kriminalstatistik die tatsächliche Kriminalitätsbelastung nur eingeschränkt wiedergebe. Stattdessen forderte er „periodische Sicherheitsberichte“, die künftig durch ein unabhängiges Expertengremium erarbeitet und alle zwei Jahre vorgestellt werden sollten. (dpa/ac)