Berlin. Weltweit leidet das Ökosystem Sandstrand. Das Problem ist menschengemacht, auf Mallorca versuchen nun Gemeinden ihre Küste zu schützen.

Die gute Nachricht zuerst: Im Jahr 2022 erholte sich Mallorca von der größten Krise seit Beginn des Tourismus-Booms in den 1960er-Jahren. Die Corona-Pandemie war für viele Wirte, Hoteliers und über 100.000 in der Branche Beschäftigter eine existentielle Bedrohung.

Die 5,2 Millionen Urlauber, die allein im ersten Halbjahr am Flughafen von Palma landeten, zeigen die wirtschaftliche Erholung der Ferieninsel. Ein Blick auf die ökologische Katastrophe an den Stränden Mallorcas und Ibizas zeigt aber, dass der Erfolg auf Sand gebaut ist.

Mallorcas Dilemma: Ökonomischer Erfolg oder ökologisches Überleben

Denn der Schwund der Sandstrände ist vielerorts ein unübersehbares Problem. Wissenschaftler mehrerer spanischer Institutionen erheben seit 2018 jährlich den ökologischen Zustand der balearischen Künsten, dazu gehört das Umweltamt, die Universität der Balearen, das spanische Institut für Ozeanografie und das Mittelmeer-Institut für angewandten Wissenschaften. Aus der aktuellen Untersuchung geht hervor, dass 20 Prozent aller mallorquinischen Strände um gut 50 Zentimeter jährlich schrumpfen. Besonders schlimm betroffen ist der beliebte Küstenstreifen Es Trenc nahe des Südzipfels der Insel.

Der sechs Kilometer lange Abschnitt büßte in den vergangenen 60 Jahren durchschnittlich 5,7 Meter an Breite ein. Dort wo der Strand an Parkplätze grenzt, beträgt der Schwund sogar 19 Meter.

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Der Verlust ist exemplarisch für die menschengemachte Katastrophe. Denn zahlreiche Studien zum Strandschwund kommen zum selben Ergebnis. Hauptursache für das Schrumpfen sind ufernahe Bauprojekte. Weil das Mittelmeer von Gezeiten verschont ist, wurden an den meisten Sandstränden Hotelanlagen, Straßen und Parkplätze bis hinter die Sandlinie gebaut. Opfer der Bauwut sind natürliche Dünen, die zwischen Strand und Festland ein Ökosystem bilden, dass die Strände auf natürliche Weise erneuert.

Sandmafia raubt Strand: Neue Wolkenkratzer für Dubai, Katar und Saudi-Arabien

Um den für die Bauwerke benötigten Beton zu produzieren, braucht es tonnenweise Sand. In vielen Ländern Afrikas und Asiens hat die lukrative Ressource zur Bildung mafiöser Strukturen beigetragen. Ganze Strände in beliebten Urlaubszielen Marokkos wurden über Nacht illegal abgetragen.

Viel von dem gestohlenen Sand wandert, wie unter anderem die "BBC" berichtete, dann in neue Wolkenkratzer in Dubai, Katar oder Jeddah, das die Machthaber Saudi-Arabiens zu einem neuen Touristen-Hotspot ausbauen will – ironischerweise ist der feine Wüstensand für die Betonproduktion nicht geeignet. Zirka 30 Milliarden Tonnen Sand werden nach Schätzung des Umweltschutzprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) jährlich für die Herstellung von Stahlbeton, Glas, Reinigungsmittel, Farben, Elektronik, Keramik, Ziegel und Solarzellen verarbeitet.

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An den beliebtesten Badeorten der Deutschen, Spanien und Italien, ist nicht die Mafia, sondern die Zerstörung von Ökoksystemen verantwortlich für den Schwund. Begradigte Flussbetten und Staudämme verhindern den Zufluss von neuem Sand, Hafenanlagen und Piers stören Küstenströmungen und die Klimawandel-bedingte Verstärkung winterlicher Küstenwinden trägt ihr übriges bei. Und genau da will eine Gemeinde im Nordosten der Insel ansetzen.

Pilotprojekte sollen Erosion stoppen: Windfänger und Seegraswiesen

In einem Pilotprojekt testet die Kommunalverwaltung von Santa Margalida Windbarrikaden. Diese sollen im Winter den Badestrand von Can Picafort auf einem zwei Kilometer langen Segment schützen. Wie die deutschsprachige "Mallorca Zeitung" berichtet, sollen die Fangzäune aus geflochtenem Schilf drei bis vier Monate lang stehen bleiben. Wenn die nachhaltigen Barrieren im April abgebaut werden, soll eine Bestandsaufnahme klären, ob das Modell für die ganze Insel Perspektive hat.

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An der Ostküste Mallorcas gehen die Behörden einen anderen Weg. Auch in den Gemeinden S'illot und Cala Millor haben strandnahe Hotelkomplexe für eine stetige Erosion gesorgt. Mit der Methode der Strandvorspülung wurde jahrelang ohne nachhaltigen Erfolg versucht, Sand aus dem Meer abzupumpen und am Strand zu verteilen. Weil diese Methode, die unter anderem auf Sylt an der Nordseeküste und Florida jährlich Millionensummen verschlingt, langfristig mehr Schaden verursacht, setzen Umweltschützer auf einen nachhaltigen Ansatz: Seegraswiesen.

Über Wohl und Wehe entscheiden am Ende die Touristen

Die unterseeischen Grünflächen gelten bei Touristen wegen unappetitlicher Laubhäufen an der Wasserlinie als unbeliebt und werden daher in den meisten Hotspots regelmäßig entfernt. Dabei haben die aus Neptun- oder Poseidongras bestehenden Seegraswiesen mehrere positive Aspekte. Sie dienen als Lebensraum für zahlreiche Meeresbewohner, reinigen Verschmutzung im Wasser und speichern doppelt soviel klimaschädliches Kohlenstoffdioxid.

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In S'illot und Cala Millor setzen die Behörden aber auf eine weitere Funktion. Wie an einem Berghang sorgt der Pflanzenbewuchs für Stabilität und Sicherheit. Die Wurzeln verleihen dem Sediment Struktur und schützen so vor Erd- oder Sandrutschen. Das überstehende Kraut dient wie ein natürlicher Poller fängt auch noch das kleinste Sandkorn ein. Ob die Touristen die Seegraswiesen annehmen, oder dem örtlichen Gastgewerbe wie Sand durch die Finger rinnt, wird sich im kommenden Sommer zeigen.