Washington/Los Angeles. Er soll drei Menschen ermordet haben. Dann tauchte er als alte Frau verkleidet unter. Eine Doku und ein Film machten den Fall berühmt.

  • Robert Durst hat in den USA Kriminalgeschichte geschrieben: Insgesamt drei Menschen soll der Milliardärssohn auf seinem Gewissen haben
  • Erst soll er seine Vertraute erschossen und dann noch einen Nachbar und eine Zeugin zerstückelt haben
  • Nun wird ihm der Prozess gemacht: Vor etwa zwölf Jahren wurde der Fall bereits verfilmt – mit Ryan Gosling in der Hauptrollle

„Was zum Teufel hab ich bloß gemacht? Natürlich, ich hab sie alle umgebracht.” Fünf Jahre ist es her, dass diese Sätze aus dem Mund von Robert Durst Fernseh- und Justizgeschichte schrieben.

Schienen sie doch zu beglaubigen, was sich Kriminologen, Sachbuch-Autoren, Filme-Macher, Journalisten und Staatsanwälte in Amerika seit über 30 Jahren zuraunen: Der exzentrische Abkömmling einer milliardenschweren New Yorker Immobilien-Dynastie soll ein durchtriebener, geltungssüchtiger Dreifach-Mörder sein. Nur mit Chuzpe habe er bislang immer den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte. Ein bis Sommer projektierter Prozess in Kalifornien könnte seine Freiheit nun beenden.

Wenn Richter Mark Winham am Mittwoch im Airport Courthouse von Los Angeles County die Auswahl der Geschworenen einleitet, wird es ernst für Durst. Im Falle einer Verurteilung muss der 76-Jährige damit rechnen, seinen letzten Lebensabschnitt hinter Gittern zu verbringen.

Robert Dursts Fall wurde zum Film – Hauptrolle: Ryan Gosling

Mediale Fallhöhe gewann Durst als sein Fall vor knapp zwölf Jahren unter dem irrigen Titel „All Good Things” (in Deutschland: „All Beauty Must Die“) mit Hollywood-Stars verfilmt wurde. Ryan Gosling verkörperte Robert Durst. Kirsten Dunst übernahm die Rolle seiner Frau Kathie. Das Werk floppte. Netflix zeigte den Film später in den USA. Und Robert Durst bekam durch den Film Lust auf mehr.

Er überredete Regisseur Andrew Jarecki zu einer ausführlichen Dokumentar-Version seiner bizarren wie voyeuristischen Geschichte und stellte sich als Kronzeuge zur Verfügung. „The Jinx: The Life and Deaths of Robert Durst” lief 2015 mit Erfolg beim Sender HBO und unter dem deutschen Titel „Der Unglücksbringer: Das Leben und die Tode des Robert Durst” bei Sky.

In der letzten Folge, Durst war mit einem noch eingeschalteten Mikrofon am Hemdkragen aufs Klo gegangen, fielen im Selbstgespräch die eingangs genannten Sätze. Sie lösten ein Erdbeben aus. Hat hier ein Zyniker ihm zur Last gelegte Morde live vor der Kamera zugegeben? Offene Frage, bis heute.

Durst soll seine Vertraute mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet haben

Tatsache ist: Durst wurde vor Ausstrahlung der letzten Episode in New Orleans festgenommen und nach Kalifornien überstellt. Vorwurf der Staatsanwaltschaft dort: Er soll vor 20 Jahren seine langjährige Vertraute Susan Berman in deren Haus nahe Beverly Hills mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet haben.

Motiv: Berman war nach Angaben der Zeugin Miriam Barnes eingeweiht in einen noch länger zurückliegenden Mord. Im Januar 1982 verschwand Dursts Ehefrau Kathleen im US-Bundesstaat New York spurlos. Durst, dem früh psychopathische Züge attestiert wurden, wurde verdächtigt – aber nie angeklagt. Als die Behörden Anstalten machten, den Fall wieder aufzurollen, so die Ankläger, hat Durst Berman aus dem Weg geräumt. Aus Angst, sie könnte ihn ans Messer liefern.

Robert Durst verkleidete sich als Frau, tauchte unter und tötete seinen Nachbarn

Nach Bermans Ableben im Jahr 2000 und den neuen Ermittlungen im Fall von Kathie Durst ereignete sich die schrillste Sequenz in dieser schier unglaublichen Geschichte. Durst tauchte unter. Er verkleidete sich als alte Frau und lebte inkognito in einer heruntergekommenen 300-Dollar-im-Monat-Wohnung im texanischen Galveston.

Sein Nachbar, der Rentner Morris Black, wusste um die wahre Identität. Er landete 2001 nach einem heftigen Streit erschossen und von Durst in Einzelteile zerhackt in einem schwarzen Müllsack im Wasser der Galveston Bay. Dursts Anwälte plädierten auf Notwehr. Eine Geschworenen-Jury glaubte dem Milliardärs-Sohn, dass er aus Notwehr gehandelt hatte und sprach ihn 2003 frei – nur wegen der illegalen Beseitigung der Leiche wurde er belangt.

Im aktuell vor Gericht stehenden Fall glaubt Dursts Anwalt Dick DeGuerin einen Trumpf in der Hand zu halten. Wie die „New York Times“ vor einem Jahr berichtete, war das angebliche Geständnis Dursts in der HBO-Serie „The Jinx” kein Original-Zitat – sondern eine montierte Collage aus verschiedenen Äußerungen. Die Autoren räumen das ein, beteuern aber, die Substanz sei authentisch.

Hat Robert Durst selbst auf die Leiche der Vertrauten hingewiesen?

Authentisch ist auch ein anderes Detail, das immer noch Wellen schlägt. Unmittelbar nach dem Tod von Dursts Vertrauten Susan Berman an Heiligabend 2000 flatterte der Polizei in Beverly Hills in einem einen Tag zuvor per Post abgestempelten Umschlag eine anonyme Nachricht auf den Tisch. Inhalt: Die bis dahin gültige Adresse Bermans (1527 Benedict Canyon) und ein einziges Wort: „Leiche”.

In „The Jinx” erklärte Durst, dass der Verfasser der Notiz sehr wahrscheinlich auch der Killer sei. Er stritt aber selbst nach erzwungenen Schriftproben-Vergleichen hartnäckig die Urheberschaft ab, obwohl sie hohe Übereinstimmung aufwiesen. Erst vor wenigen Monaten dann die Wende: Unser Mandant, schrieb Anwalt Dick DeGuerin, ist der Verfasser der „Cadaver”-Note. Was aber mitnichten bedeute, dass Robert Durst Berman auch erschossen habe. Nur: Wer war es dann?