Berlin. In der Oder haben Messungen erneut einen hohen Salzgehalt festgestellt. Die Ursachensuche belastet das Verhältnis zum Nachbarn Polen.

Massenhaft tote Fische im Wasser: Die Erinnerungen an die Bilder im Hochsommer sind vielen noch präsent. Nun haben Messungen in der Oder, dem Grenzfluss zwischen Deutschland und Polen, erneut einen erhöhten Salzgehalt festgestellt. Die Ursache für die wiederholt erhöhte Salzbelastung blieb am Wochenende unklar. Zuerst hatte „Zeit Online“ darüber berichtet.

Erst im August hatte es in der Oder ein massenhaftes Fischsterben gegeben. Als Gründe für die Umweltkatastrophe sahen Experten das Zusammenkommen von aus der Industrie eingeleitetem Salz, Niedrigwasser in dem Fluss und den hohen Temperaturen im Sommer. Als Folge hatte sich in der Oder eine giftige Algenart (Prymnesium parvum) massenhaft vermehrt. Giftstoffe dieser Alge im Flusswasser zerstören die Kiemen von Wassertieren, die dadurch ersticken. Insgesamt wurden mehrere Hundert Tonnen toter Fische angeschwemmt. Weitere Flusstiere sollen massenhaft verendet sein.

Salzgehalt der Oder: Ähnlich erhöht wie beim massenhaften Fischsterben

Neue Daten einer Messstation des Landesamtes für Umwelt in Brandenburg in Frankfurt (Oder) deuten nun auf einen ähnlich hohen Salzgehalt der Oder hin wie beim Fischsterben im Sommer. Das könnte darauf hinweisen, dass erneut gefährliche Mengen an Schadstoffen in den Fluss geleitet worden sind.

Christian Wolter, Gewässerökologe vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, forderte am Montag, die Menge der Salz-Einleitungen in die Oder zügig zu begrenzen. Er befürchtet andernfalls im kommenden Sommer – bei Niedrigwasser und hohen Temperaturen – wieder ein großes Fischsterben.

Die Suche nach den Ursachen hat auch eine politische Dimension: Das Land Brandenburg will im lang anhaltenden Streit mit Polen gegen den Ausbau der Oder auf polnischer Seite klagen. Damit soll ein Stopp von Bauarbeiten erreicht werden. Auch der Umgang mit dem Fischsterben belastete das Verhältnis zum Nachbarland zusätzlich. Es herrscht Uneinigkeit, wo ein Großteil der Schadstoffe herkommt. Im September scheiterte ein gemeinsamer Untersuchungsbericht zur Aufarbeitung. Wiederholt hatte die deutsche Seite polnischen Behörden Intransparenz bei der Aufklärung vorgeworfen.

Erneutes Fischsterben befürchtet: Die Umweltkatastrophe am Fluss Oder beschäftigt weiterhin viele Wissenschaftler.
Erneutes Fischsterben befürchtet: Die Umweltkatastrophe am Fluss Oder beschäftigt weiterhin viele Wissenschaftler. © dpa | Patrick Pleul

Umweltministerium erwartet keine Verbreitung der Giftalge

Brandenburgs Umweltministerium teilte mit Verweis auf Daten des Landesumweltamts mit, die nun in der Oder beobachteten Leitfähigkeiten lägen zwar unterhalb der Spitzenwerte, die im Sommer gemessen worden seien, doch deutlich über den Durchschnittswerten der vergangenen Jahre. Die elektrische Leitfähigkeit im Wasser ist ein Anzeichen für den Gehalt von Salzen. Die Werte im Fluss würden weiterhin beobachtet, hieß es aus dem Umweltministerium. Derzeit sei bei den niedrigeren Wassertemperaturen um 13 Grad aber keine Massenvermehrung der Alge zu erwarten.

Der Gewässerökologe Wolter sagte „Zeit Online“, da derzeit doppelt so viel Wasser in der Oder sei wie im Sommer, sei die Menge der Salzfrachten mindestens genauso hoch oder sogar höher als im Sommer. Der gemessene Salzgehalt – es handle sich um Natriumchlorid, also Kochsalz – sei derzeit aber nicht gefährlich für die Fische, sagte Wolter. Im Sommer könne das anders aussehen, wenn Niedrigwasser und hohe Temperaturen herrschten sowie viele Nährstoffe in der Oder seien, so dass die giftige Alge sich wieder vermehren könne. Er sei entsetzt, dass nach der Umweltkatastrophe nichts gegen die Ursache getan werde.

Die grenzbildende Mittlere Oder von Ratzdorf bis Kietz (Kreis Oder-Spree) führe seit Jahren hohe Salzfrachten, teilte das Landesministerium mit. Die in der Oder vorkommende „Lebensgemeinschaft“ habe sich offensichtlich sowohl an die hohe Grundbelastung als auch an die zu verzeichnenden Schwankungen und Spitzen angepasst. Das Bundesumweltministerium in Berlin verwies nach einer Anfrage darauf, dass das Land federführend zuständig sei.

Umweltminister Axel Vogel (Grüne) hatte Ende September angekündigt, Brandenburg wolle Umweltkatastrophen wie das Fischsterben in der Oder künftig schneller erkennen können. Es werde überprüft, ob und wie das Messsystem und die Meldeketten optimiert werden könnten.

Klage soll Polens Ausbau der Oder verhindern

Zudem bereitet das Umweltministerium eine Klage gegen den Oder-Ausbau vor, die bis zum 16. November eingereicht werden muss, wie ein Sprecher des Ministeriums am Samstag sagte. Zuvor hatte die „Märkische Oderzeitung“ berichtet. „Nach unserer Einschätzung werden die zu erwartenden grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen und der aktuelle ökologische Zustand der Oder nicht ausreichend berücksichtigt“, teilte der Sprecher mit.

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Polen will den Ausbau der Oder vorantreiben und nennt als ein Ziel einen besseren Schutz vor Hochwasser. Umweltschützer sehen durch eine Regulierung der Oder dagegen Gefahren für das Ökosystem des Flusses. Nach dem massenhaften Fischsterben hatte es vom Bundesumweltministerium in Berlin geheißen, die Oder müsse sich von der Umweltkatastrophe erholen. Ausbaumaßnahmen stünden einer erfolgreichen Regeneration entgegen. Auch Umweltverbände in Deutschland klagten bereits gegen den Oder-Ausbau.

(dpa/mahe)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.