Berlin. Eine „Querdenken“-Aktivistin vergleicht sich auf einer Demo in Hannover mit Sophie Scholl. Ihre Rede sorgt für Fassungslosigkeit.

  • Eine Kritikerin der Corona-Politik hat sich in einer Rede mit der von Nazis ermordeten Widerstandskämpferin Sophie Scholl verglichen
  • Ein Mann vor Ort warf der 22-Jährigen umgehend „eine Verharmlosung“ des Holocausts vor
  • Viele Menschen im Netz und in der Politik zeigen sich ebenfalls empört über den Vergleich

Was haben die Hinrichtung Andersdenkender durch Nationalsozialisten und die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zur Eindämmung einer gefährlichen Pandemie gemeinsam? Richtig: nichts. Eine Kritikerin der Corona-Politik sieht das offenbar anders: Sie hat sich in einer Rede auf der „Querdenken“-Demo nstration in Hannover mit der Widerstandskämpferin Sophie Scholl verglichen. Dieser völlig unangemessene Vergleich sorgt für heftige Kritik.

In einem über Twitter verbreiteten Video ist die Rede zu sehen. „Ja, hallo, ich bin Jana aus Kassel und ich fühle mich wie Sophie Scholl , da ich seit Monaten hier aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Veranstaltungen anmelde“, sagt die Frau. „Ich bin 22 Jahre alt, genau wie Sophie Scholl, bevor sie den Nationalsozialisten zum Opfer fiel.“

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„Sophie Scholl“-Vergleich: Mann wirft Rednerin Verharmlosung des Holocausts vor

Dass sich die „Querdenken“ -Rednerin mit einer von den Nazis ermordeten Widerstandskämpferin vergleicht, die bis zuletzt für humanistische Werte gegen die NS-Diktatur einstand, bleibt nicht unwidersprochen: Nach wenigen Sätzen tritt ein Mann an die Bühne, der sich als Ordner ausgibt und seine orangefarbene Weste abgeben will. „Für so einen Schwachsinn mache ich doch keinen Ordner mehr“, sagt er. Es handle sich „um eine Verharmlosung vom Holocaust “, die „mehr als peinlich“ sei, konstatiert der Mann weiter.

Mit der Kritik hat die Rednerin offenbar wenig gerechnet: „Was für Schwachsinn?“, fragt sie und ergänzt dann: „Ich habe doch gar nichts gesagt.“ Der Kritiker wird schließlich von der Polizei von der Bühne weggeführt. Die Frau beginnt zu weinen, feuert das Mikrofon zu Boden und verlässt die Bühne.

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In einem später geposteten Video ist „Jana aus Kassel“ erneut auf der Bühne zu sehen. Sie zeigt sich „schockiert, dass [sie] von einem Passanten, oder was auch immer, beleidigt wurde“ – und setzt erneut zur Rede an, in der sie nachdrücklich betont, dass sie sich „eben wirklich wie Sophie Scholl“ fühle.

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Heiko Maas: „Unerträgliche Geschichtsvergessenheit“

Während die Frau für ihre Worte auf der „Querdenken“-Demonstration Applaus erntete, macht sich in den sozialen Medien Empörung breit.

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Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kritisierte die Rednerin. „Wer sich heute mit Sophie Scholl o Anne Frank vergleicht, verhöhnt den Mut, den es brauchte, Haltung gegen Nazis zu zeigen“, twitterte er am Sonntag. „Das verharmlost den Holocaust und zeigt eine unerträgliche Geschichtsvergessenheit. Nichts verbindet Coronaproteste mit Widerstandskämpfer*Innen. Nichts!“

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SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach meldete sich ebenfalls auf Twitter zu Wort: „Super Reaktion des Ordners. Eine gesunde 22-Jährige vergleicht sich mit Sophie Scholl. Weil sie wohl nicht in die Kneipen darf. Groteskes Selbstmitleid. Jeder, der schon einmal beatmete Menschen an Lungenentzündungen sterben sah kann einen solchen Schwachsinn nicht ernst nehmen.“

Couragierter Kritiker: Tatsächlich Ordner?

Die Demonstration am Samstag in Hannover verlief nach Polizeiangaben ansonsten ohne größere Zwischenfälle. Mindestens 900 Menschen sollen sich beteiligt haben, zudem habe es zwischen 200 und 300 Gegendemonstranten gegeben, darunter auch Linksautonome.

Für den Mann, der die Rede unterbrach, gibt es viel Zuspruch . „Meine Hochachtung und meinen Dank an den Ordner“, schrieb etwa ein Twitter-Nutzer. Zahlreiche Personen loben seine Zivilcourage und kritisieren, dass er von der Polizei abgeführt wurde.

Unterdessen wachsen Zweifel daran, ob er wirklich als Ordner im Einsatz war. Nach einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ soll er der örtlichen linken Szene angehören, bei anderen Demonstrationen in Erscheinung getreten sein und seine Gegenaktion zu dem „Sophie-Scholl“-Auftritt inszeniert haben.

(mit dpa)