Berlin. Der RBB rutscht jeden Tag weiter in die Krise - und bedroht auch die anderen ARD-Anstalten, meint Chefredakteurin Christine Richter.

Es geht ums schiere Überleben: Der Redaktionsausschuss des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), also die Vertretung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, hat am Wochenende den sofortigen Rücktritt der amtierenden Geschäftsführung gefordert, um einen Neuanfang im RBB zu ermöglichen.

Denn in den vergangenen Tagen gab es immer wieder neue Enthüllungen in der Affäre Schlesinger, immer neue Details aus dem Schlesinger-Netzwerk und Klüngel-System, das seit ihrem Amtsantritt als Intendantin im Jahr 2016 beim RBB entstanden ist, wurden bekannt –und sorgen für Entsetzen. Nicht nur bei den RBB-Beschäftigten, sondern auch in den anderen ARD-Anstalten.

Da die RBB-Geschäftsführung um den amtierenden Intendanten Hagen Brandstätter ebenso wie Schlesinger, Fehler über Fehler macht, etwa erst behauptete, es gebe keine Boni (weil diese intern anders genannt wurden), dann aber doch zugeben musste, dass es Bonuszahlungen für die Intendantin und andere Mitglieder der Geschäftsführung gegeben hatte, ist das Vertrauen dahin. Bei den Beschäftigten, die „die da oben“ los werden wollen, bei den anderen ARD-Intendanten, die der RBB-Geschäftsführung am Sonnabend öffentlich das Vertrauen entzogen haben. Ein wohl einmaliger Vorgang.

Christine Richter ist die Chefredakteurin der Berliner Morgenpost.
Christine Richter ist die Chefredakteurin der Berliner Morgenpost. © Reto Klar

RBB-Affäre: Debatten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk versandeten

Das System Schlesinger, das nur mit der Unterstützung des inzwischen auch zurückgetretenen Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf und den unprofessionellen Gremien entstehen konnte, offenbart, was alles beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk im Argen liegt. Dabei hat der ÖRR eine unglaublich gute Ausgangslage – das Bundesverfassungsgericht entschied in den 1980er-Jahren, dass der ÖRR, nicht die privaten Sender, die Grundversorgung der Menschen garantieren, und urteilte einige Jahre später, dass die Länder die Finanzierung des Rundfunks sicherstellen müssen.

Debatten über die Frage, was machen ARD und ZDF mit dem durch die Verfassung garantierten Rundfunkbeitrag, wurden zwar geführt, aber sie versandeten meist schnell. Fragen gab und gibt es viele: Welche Programme werden finanziert? Welche Strukturen verfestigt? Braucht es wirklich immens teure Medienhäuser? Der geplante Digitale Medienhaus, das Schlesinger geplant hatte, sollte 65 Millionen Euro kosten, inzwischen werden 125 Millionen Euro veranschlagt, manche rechnen gar mit 185 Millionen Euro.

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Es gibt einen Grund, warum der Plan gestoppt wurde. Und die Affäre Schlesinger mit all ihren erschreckenden Details über Geldverschwendung, Klüngel und – so zumindest der Verdacht – Abrechnungsbetrug zeigt, wie dringend die Debatte über den ÖRR geführt werden muss. Und wie dringend es Aufklärung und eine neue, starke Führung braucht.

Schlesinger-Skandal: Dienstwagen mit Luxusausstattung auch für andere

Das wissen auch die ARD-Intendanten und der derzeit amtierende ARD-Vorsitzende Tom Buhrow, der den WDR anführt und im Übrigen rund 413.000 Euro im Jahr verdient. Es mag eine Petitesse sein, dass auch Buhrow nach eigenen Worten einen Dienstwagen mit Massagesitzen fährt. Aber es zeigt doch, dass Dienstwagen mit Luxus-Ausstattung für Intendanten offensichtlich eine Selbstverständlichkeit geworden sind.

Was alles noch? Es ist wahrscheinlich, dass wir in den nächsten Tagen noch mehr über die Aufstellung der anderen ARD-Anstalten erfahren, denn viele Journalisten haben nach den Vorfällen in Berlin nun entsprechende Fragekataloge verschickt.

Tom Buhrow, Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR), in seinem Büro.
Tom Buhrow, Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR), in seinem Büro. © dpa | Henning Kaiser

Der RBB, er steht derzeit vor dem Abgrund. Und er könnte die ARD noch mitreißen, kehrt insgesamt nicht endlich Vernunft und Transparenz ein. Nach dem Motto: Alles muss auf den Tisch – in Berlin und anderswo.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.