Berlin. Jetzt muss sich Wedel vor Gericht verantworten: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Filmemacher vor, eine Frau vergewaltigt zu haben.

Und plötzlich war #MeToo in Deutschland. Als im Oktober 2017 eine Vielzahl an Schauspielerinnen und einige frühere Angestellte den Filmboss Harvey Weinstein beschuldigten, sie sexuell belästigt oder vergewaltigt zu haben, taten sich Hollywoods Abgründe auf, die zuvor mit verharmlosenden Ausdrücken wie „Besetzungscouch“ verschleiert wurden. Aber es war eben Hollywood. Weit weg.

Bis zu einem Artikel im „Zeitmagazin“ von Januar 2018. Drei Schauspielerinnen warfen darin dem Regisseur Dieter Wedel sexuelle Übergriffe vor und schilderten Vorfälle aus den 90er-Jahren. Der heute 81-Jährige bestritt die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft München nahm Ermittlungen auf. Jetzt, drei Jahre später, erhebt sie Anklage. 20 Seiten umfasst die Anklageschrift. Sie bezieht sich auf einen der Vorwürfe, jenen der früheren Schauspielerin Jany Tempel, die behauptet hatte, Wedel habe sie in einem Münchner Hotelzimmer vergewaltigt.

Wedel hatte bereits Anfang 2019 detailliert ausgesagt

20 Zeugenaussagen und Kalendereinträge sollen Beweismittel sein. Zudem habe eine international anerkannte Rechtspsychologin ein aussagepsychologisches Gutachten erstellt. Wedel sei Anfang 2019 umfassend vernommen worden und habe detailliert ausgesagt.

Wedel bestreitet die Vorwürfe weiterhin. Seine Rechtsanwältin Dörthe Korn kritisierte das Ermittlungsverfahren scharf. Es sei „von einer fast beispiellosen öffentlichen Vorverurteilung eingeleitet und begleitet“ worden, ohne dass sich in den mehr als drei Jahren neue Gesichtspunkte zur Belastung Wedels ergeben hätten. „Wenn die zuständige Strafkammer das Hauptverfahren eröffnen sollte, wird die Richtigkeit dieser Beschuldigung in der Hauptverhandlung zu klären sein.“

Das Geschehen liege fast 25 Jahre zurück, erklärte Korn: „Der Tatvorwurf beruht letztlich allein auf der Behauptung der Nebenklägerin, die diese gegenüber einem Presseorgan unter dem Vorbehalt machte, dass die angebliche Tat verjährt sei und die Wahrheit ihrer Beschuldigung nicht mehr in einem Gerichtsverfahren überprüft werden dürfe.“

Sexueller Missbrauch beim Vorsprechen für „Der König von St. Pauli“

Zu Beginn der #MeToo-Bewegung erzählte Wedel der Presse, er sei selbst einst von homosexuellen Regisseuren bedrängt worden: „Aber ich habe nicht nachgegeben.“ Jany Tempel las davon und fühlte sich verhöhnt. Sie entschied sich, an die Öffentlichkeit zu gehen. Im „Zeitmagazin“ schilderte Tempel dann den Vorfall aus dem Sommer 1996. Die damals 27-Jährige hatte bis dahin eine Jugendsendung moderiert und ein paar kleinere Fernsehrollen gespielt.

Dann kam über ihre Agentur die riesige Chance: Sie sollte für eine größere Rolle in Dieter Wedels Mehrteiler „Der König von St. Pauli“ vorsprechen. Wedel war damals gerade dank seiner Fernsehmehrteiler „Der große Bellheim“ und „Der Schattenmann“, beide mit Mario Adorf, zum Großmeister der Filmbranche aufgestiegen, niemandem sonst wurden solche Budgets zugestanden.

Wedels Ehefrau wies die Vorwürfe gegen ihn zurück

Das Reeperbahn-Drama sollte sein nächster großer Erfolg werden. Die Bavaria Film ließ die junge Frau nach München fliegen. Ein Vorsprechen im Hotel Vier Jahreszeiten kam ihr nicht ungewöhnlich vor. Sie sei davon ausgegangen, dort ein Team anzutreffen. Doch Wedel sei allein in dem Hotelzimmer gewesen, nur mit einem Bademantel bekleidet. Nachdem sie eine erotische Szene aus dem Drehbuch vorgesprochen habe, habe er sie vergewaltigt. „Er hat mich mit Wucht gepackt und gegen die Wand gepresst. Er hat mich angeschrien, ich wisse doch, wer er sei. Wer eine Rolle bei ihm wolle, müsse auch etwas dafür tun“, erzählte sie im „Zeitmagazin“.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe trat der sechsfache Vater als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele zurück. Weitere Frauen erhoben Vorwürfe. Wedels Ehefrau Ursula Wolters meldete sich: „Ich glaube kein Wort, was diese Frauen erzählt haben.“

Landgericht entscheidet über Zulassung der Anklage

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aber zogen sich hin. Ende Januar wies die Generalstaatsanwaltschaft München eine Fachaufsichtsbeschwerde von Tempels Anwalt über die lange Dauer gegen die Staatsanwaltschaft München I ab. „Die Sachbehandlung ist nicht zu beanstanden“, sagte ein Sprecher damals. Der lange Zeitraum wurde damit begründet, dass Zeugen im Ausland vernommen wurden und der Vorfall so lange zurückliegt.

Im Fall einer Verurteilung würden Wedel mindestens zwei Jahre Haft drohen. Bis zu einem Urteil gilt die Unschuldsvermutung. Über die Zulassung der Anklage muss nun das Landgericht München I entscheiden.