Essen. Die „Rentnercops“ sind mit neuen Folgen zurück im Ersten - in neuer Besetzung. Mit dabei ist Hartmut Volle, bekannt aus dem „Tatort“.

Er gehörte viele Jahre lang zum Team des saarländischen „Tatorts“. Ab 3. November beweist sich Hartmut Volle (67) – an der Seite von Bill Mockridge (74) – in der neuen Staffel der „Rentnercops“ (18.50 Uhr im Ersten).

In diese Rolle kann Volle die Erfahrungen eines intensiven Lebens einbringen, in dem er vor gravierenden Schicksalsschlägen nicht verschont blieb. Genau aus diesem Grund denkt der gläubige Christ viel über seine Rolle in diesem Dasein und unserer Gesellschaft nach. Mehr zum Thema: Wolfgang Winkler und Tilo Prückner – zwei gegen alle

„Die Rentnercops“ drehen sich um Ermittler, die aus dem Ruhestand noch einmal in den Dienst treten. Aber Sie sind mit 67 Jahren ja weit davon entfernt, sich zur Ruhe zu setzen.

Hartmut Volle: Ich bin seit zwei Jahren offiziell Rentner. Wobei die einzige größere Veränderung ist, dass ich Anfang des Monats eine Rente auf dem Konto habe. Und ich habe auch keinen Grund, mich zurückzuziehen. In dem Alter bin ich gelassener, lasse die Sachen auf mich zukommen. Und seither gibt es eine wunderschöne Aufgabe nach der anderen. So eine Hauptrolle wie in den „Rentnercops“ ist ein Geschenk vom lieben Gott.

Die Formulierung vom „lieben Gott“ scheint zu Ihnen zu passen. Immerhin kommen Sie aus einer Pfarrersfamilie.

Wobei ich mich sehr gegen meinen Vater aufgelehnt habe. Ich bin dann später in die Hausbesetzerszene hineingerutscht, engagierte mich für die Anti-Atomkraftbewegung. Doch vom Glauben her kann ich den Pfarrerssohn nicht verleugnen. Ich bin beispielsweise in der Kirchengemeinde in Frankfurt im Vorstand aktiv. Und mein Blick auf die Welt wurde auch noch dadurch geprägt, dass unser Sohn 2012 mit 18 Jahren schwer verunglückt ist.

Das sind die neuen Rentnercops: Reinhard Bielefelder (Bill Mockridge, l.) und Klaus Schmitz (Hartmut Volle, r.)
Das sind die neuen Rentnercops: Reinhard Bielefelder (Bill Mockridge, l.) und Klaus Schmitz (Hartmut Volle, r.) © ARD / Kai Schulz

Sie erwähnen dieses Unglück auch auf Ihrer Website. Wie geht es Ihrem Sohn heute?

Leider verschlechtert sich sein Zustand. Zum einen ist er querschnittsgelähmt, aber gleichzeitig sind die Hirnverletzungen gravierender, als wir befürchtet haben. Das bedeutet, dass er nicht alleine leben kann, was wir sehr gehofft hatten. Unsere Aufgabe besteht darin, ihm die Lebensfreude zurückzugeben.

Was eine große Herausforderung sein dürfte.

Es ist sehr, sehr anstrengend. Manchmal verlässt mich der Mut, aber ich liebe das Leben sehr, und es hat immer Tiefen und Höhen gegeben. Man muss Kraftquellen haben. Ich finde eine im Glauben, eine andere in meiner Beziehung zu meiner Frau und meinem Beruf. Und wir versuchen, ihm Freude zu geben, indem wir mit ihm Dinge gemeinsam unternehmen, so dass er merkt, dass dieses Leben eben doch lebenswert ist.

Ist im Vergleich dazu ist ein Dreh wie die „Rentnercops“ so etwas wie Freizeit?

Nein, denn das ist knüppelharte Arbeit. Aber die macht auch Freude. Und wenn etwas gelingt, dann gibt es Kraft. Die Schauspielerei ist ja mein dritter Beruf, und man kann nur gut sein, wenn man mit seinem Metier innerlich verbunden ist. So habe ich erst Wissenschaft studiert, bin Soziologe geworden, dann Schreiner. Doch als ich kurz vor der Gesellenprüfung zwei Finger verloren habe, bin ich Schauspieler geworden. Und ich bin froh, dass ich diesen Beruf gewählt habe. So darf ich Dinge wie diese Serie erleben, und ich bedanke mich.

Wobei diese neue Staffel der „Rentnercops“ unter besonderem Vorzeichen steht. Denn Ihre Vorgänger Tilo Prückner und Wolfgang Winkler verstarben in den letzten beiden Jahren. Ist so etwas eine Belastung?

Für meinen Partner Bill Mockridge und mich war der Druck groß. Wir waren uns völlig bewusst, dass die Fußspuren mächtig tief und groß waren. Ich finde es sehr gut, dass in unserer Antrittsfolge dem Tod und damit Abschied von Edwin Bremer großer Raum gegeben wird – das hat mit Respekt und Würde zu tun. Lesen Sie hier: „Rentnercops“ brachte Tilo Prückner die Rolle seines Lebens

Gleichzeitig denken Sie intensiv über das Leben nach. Inwieweit hilft dabei die Schauspielerei?

Ich möchte mit meinem Beruf die Menschen erreichen. Das kann man am besten, wenn man bei sich bleibt und etwas zu erzählen hat. Wir machen das in einer Vorabendserie, die unterhalten soll. Aber ich möchte Punkte, die in der Gesellschaft aktuell sind, ernsthaft berührt wissen. Eine Folge spielt beispielsweise im Hambacher Forst, und da geht es um den Sinn und Unsinn von Widerstand.

Der politisch bewegte junge Mann steckt also immer noch in Ihnen.

Ja. Unsere Demokratie funktioniert nur, wenn wir uns auf eine bestimmte Weise beteiligen und einmischen. Mit der Haltung ‚Hauptsache ich komme durch‘, funktioniert das nicht. Deshalb engagiere ich mich eben in der Kirchengemeinde. Auch bin ich in dem Verein „Inklusion durch Förderung und Betreuung“, der sich für behinderte Menschen einsetzt, aktiv – um zwei Beispiele zu nennen.

Bewegt sich denn die Gesellschaft in die richtige Richtung?

Ich fühle mich durchaus noch wohl, aber ich sehe verheerende Entwicklungen. Da gehört die Gesprächskultur dazu. Was früher Kommentar war, ist jetzt Beleidigung. Diese Verrohung kann einem Angst machen. Ich habe Sachen auf der Straße in Frankfurt erlebt, die mich dazu gebracht haben, einen Selbstverteidigungskurs zu belegen. Denn ich will mich einmischen können, ohne befürchten zu müssen, sofort zusammengeschlagen zu werden. Auch interessant: Wie sich die Krimi-Flut im Fernsehen erklären lässt

Doch inwieweit gibt Ihnen Ihr Glauben dabei innere Stärke?

Ich finde im Glauben weniger Antworten, als dass ich auf neue Fragen komme. Die Frage etwa, warum ein Gott etwas Schlimmes zulässt, kann nicht beantwortet werden. Ich frage mich vielmehr: Inwieweit bin ich verantwortlich? Wo bin ich selbst aufgefordert, etwas zu tun? – Solche Überlegungen bringen mich weiter.