Berlin. „Die Ringe der Macht“ ist die teuerste Serie aller Zeiten – und Höhepunkt eines Hypes. Dabei ist Fantasy so alt wie die Menschheit.

Es geht bildgewaltig los. Bis zur ersten Schlachtenszene vergehen gerade mal fünf Minuten und 20 Sekunden. Dann stechen Elben in Ritterrüstungen mit klirrenden Schwertern auf böse, spitzohrige Orks ein, ein Drache stürzt zu Boden, und die junge blonde Elbenkriegerin Galadriel säuselt geheimnisvoll aus dem Off: „Man sagte, es würde schnell vorüber sein. Doch der Krieg legte Mittelerde in Schutt und Asche und dauerte Jahrhunderte.“

So beginnt sie, die Premierenfolge der Prestigeserie „Die Ringe der Macht“, in die der Streaminganbieter Amazon so viel investiert wie nie. Wer sich fragt, wie diese Reihe sagenhafte 465 Millionen Dollar für eine einzige Staffel kosten kann – das Budget geht vor allem für prachtvolle Kostüme und computergenerierte Kulissen drauf. Starschauspieler mit besonders hohen Gagen gibt es hingegen nicht.

„Die Ringe der Macht“ ist die teuerste Serie des Fernsehzeitalters. Sie erzählt die Vorgeschichte der „Herr der Ringe“-Filmtrilogie von Regisseur Peter Jackson (60), die Anfang des Jahrtausends sechs Milliarden Dollar einspielte und 17 Oscars abräumte.

„Die Ringe der Macht“: Die Welt im Fantasyfieber

Gerade sind die ersten Folgen veröffentlicht worden, Amazon ist vom kommerziellen Erfolg überzeugt. Bereits jetzt sind fünf Staffeln angekündigt, das Projekt wird am Ende wohl eine Milliarde Dollar kosten.

Die Elben und Orks haben gute Gesellschaft. Auf mehreren Plattformen treiben gerade Fabelwesen und fliegende Monster ihr Unwesen: Allein im August liefen „House of the Dragon“ – eine Ergänzung der dutzendfach preisgekrönten Erfolgsserie „Game of Thrones“ – und „The Sandman“ an, bald soll zudem eine Fortsetzung der Netflix-Serie „The Witcher“ erscheinen.

Morfydd Clark spielt die Elbenkriegerin Galadriel in „Die Ringe der Macht“.
Morfydd Clark spielt die Elbenkriegerin Galadriel in „Die Ringe der Macht“. © Prime Video | filmcontact

Die Welt im Fantasyfieber: Amazon meldete schon einen Tag nach Veröffentlichung der ersten „Ringe der Macht“-Folgen einen Zuschauerrekord von 25 Millionen Menschen. Warum sind diese Geschichten so erfolgreich?

„Die Ringe der Macht“ und die Elbenkriegerin

Fest steht: Die Sehnsucht nach übernatürlichen Erzählungen ist alt, schon die alten Griechen waren fasziniert von Homers Abenteuern. Später erzählte man sich am Herdfeuer die Nibelungensage. Und heute fiebern viele mit Galadriel mit, der von der walisischen Schauspielerin Morfydd Clark (33) verkörperten Elbenkriegerin aus „Die Ringe der Macht“.

Die modernen Fantasystoffe seien „der Ersatz für Sagen und Märchen und alle anderen Formen der Volkspoesie“, wie es der Literaturwissenschaftler und Fantasyspezialist Wolfgang Biesterfeld formuliert.

Böse und hässlich: Die Orks machen Ärger.
Böse und hässlich: Die Orks machen Ärger. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die Faszination fürs Fantastische begann in Deutschland in den 70er-Jahren – damals erschien J. R. R. Tolkiens „Herr der Ringe“ als Taschenbuch. In den 80ern fesselte etwa die Verfilmung von Michael Endes „Unendlicher Geschichte“ das Kinopublikum, und vor 25 Jahren veröffentlichte Joanne K. Rowling (57) den ersten „Harry Potter“-Band. In den folgenden zehn Jahren stand fast ununterbrochen eines ihrer Bücher um den bebrillten Zauberlehrling auf den Bestsellerlisten.

In solchen Geschichten gehe es stets um den Kampf junger, guter Helden gegen die Bösen, so Biesterfeld: „Das ist wie bei der Religion, wo das Göttliche gegen das Teuflische kämpft.“

Vor zwei Jahrzehnten wurde Fantasy zum Mainstream

Als 2001 die erste „Harry Potter“-Verfilmung und fast zeitgleich der erste Teil von „Herr der Ringe“ ins Kino kam, sei das der Beginn des Fantasybooms gewesen, glaubt Pe­tra Schrackmann, Lehrbeauftragte am Institut für Populäre Kulturen der Universität Zürich. Plötzlich sei es nicht mehr nur Kinderkram gewesen, Fan mythischer Wesen zu sein. Ein Trend, der bis heute anhält – und sich dieser Tage erneuert.

Der Erfolg von „Die Ringe der Macht“ lässt sich kaum messen, denn niemand weiß, wie viele Abonnenten nur wegen dieser Serie ein Streamingabo abschließen. Dennoch glaubt man bei Amazon, dass sich der Milliardenaufwand lohnt. Allein schon, weil jeder Fantasyfan darüber spricht – und sich an den epischen Schlachten erfreut.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.