London/Berlin. Nach dem Tod der Queen wollen Ex-Kolonien Unabhängigkeit. König Charles geht auf Kritiker zu. Reicht das, um seinen Einfluss zu retten?

Nach der offiziellen Zeremonie dauerte es nur ein paar Augenblicke, bis Gaston Browne Schluss machte mit dem gerade erst inthronisierten König im fernen London. Der 55-Jährige ist seit acht Jahren Premierminister des aus zwei Hauptinseln bestehenden Karibikstaats Antigua und Barbuda, kennt Großbritannien aus seiner Studentenzeit in Manchester und hat keine Lust mehr auf royalen Pomp.

Also trat er wenige Minuten, nachdem Charles III. in der Hauptstadt St. John’s als neues Staatsoberhaupt bestätigt worden war, vor ein Mikrofon und erklärte, er wolle innerhalb von drei Jahren eine Volksabstimmung abhalten: Die 100.000 Einwohner sollen darüber entscheiden, ob sie den König weiterhin wollen.

„Das ist keine Form von Respektlosigkeit, auch kein Akt der Feindseligkeit“, beteuerte Browne. Es gehe ihm einzig darum, „eine wirklich souveräne Nation zu werden“.

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Charles ist König in 15 Staaten

Noch ist Charles das Oberhaupt von 15 Staaten. Doch Antigua und Barbuda ist kein Einzelfall: Die Loyalität zu dem 73-Jährigen erodiert in den Ländern des Commonwealth, eines aus dem British Empire hervorgegangenen lockeren Staatenverbunds.

Monarchie früher: Königin Elizabeth II. und Prinz Philip werden bei einem Besuch in Jamaika 1953 begeistert empfangen.
Monarchie früher: Königin Elizabeth II. und Prinz Philip werden bei einem Besuch in Jamaika 1953 begeistert empfangen. © empics | Pa

Bereits im November 2021 wurde die Karibikinsel Barbados zur Republik und seit dem Tod der weltweit verehrten Queen denken mehrere Länder laut darüber nach, ob der Wechsel an der Spitze der Monarchie nicht ein guter Anlass wäre, das Kapitel Krone zu beenden. Will Charles diese Nationen weiterhin vertreten, muss er ihnen klarmachen, was die Bevölkerung konkret von ihm hat.

„Die Frage ist, ob nun diejenigen, die sowieso mit der Institution eigentlich nichts anfangen konnten, diesen Moment nutzen, um nach vorne zu preschen“, sagt die deutsche Historikerin und Großbritannien-Expertin Helene von Bismarck. Zwar erbe Charles die verfassungsrechtliche Rolle der Queen – ihre persönliche Integrität lasse sich aber nicht einfach so auf die nächste Generation übertragen.

William und Kate sehen sich Protesten ausgesetzt

Mittlerweile sind Proteste bei Staatsbesuchen in Ex-Kolonien fast schon Normalität. Bei einer Visite von Prinz William (40) und seiner Ehefrau Kate (40) in Jamaika im März warfen Demonstranten ihnen vor, vom „Blut, den Tränen und dem Schweiß“ der Sklaven zu profitieren, sie forderten Wiedergutmachung.

Monarchie heute: Prinz William und seine Frau Kate bei ihrem von Protesten überschatteten Jamaika-Besuch im März.
Monarchie heute: Prinz William und seine Frau Kate bei ihrem von Protesten überschatteten Jamaika-Besuch im März. © picture alliance / empics

Dass nicht nur relativ ärmliche Palmeninseln in der Karibik oder im Pazifik aufbegehren, zeigt das Beispiel Australien. Premierminister Anthony Albanese hat wiederholt angedeutet, sein Land zu einer Republik machen zu wollen – denn jeder Australier müsse die Möglichkeit haben, Staatsoberhaupt zu werden. Also nicht nur die nächsten Verwandten des Monarchen.

Aus Respekt vor Elizabeth II. peile er vorerst kein Referendum über die Abschaffung der Monarchie an, so Albanese. Es sei nicht die Zeit für „Fragen zu unserer Verfassung“. Aber sobald die Trauerphase vorüber ist, werden die Karten wohl neu gemischt.

König Charles räumt „Gräueltaten der Sklaverei“ ein

Um seinen globalen Einfluss zu bewahren, geht Charles auf die Kritiker zu. Als in Barbados die Queen als Staatsoberhaupt abgelöst wurde, war er persönlich anwesend. „Von den dunkelsten Tagen unserer Vergangenheit und den schrecklichen Gräueltaten der Sklaverei, die für immer unsere Geschichte befleckt, haben sich die Menschen dieser Insel ihren Weg mit außerordentlicher Tapferkeit gebahnt“, lobte er das Streben nach Unabhängigkeit damals notgedrungen.

Beim Staatsbegräbnis überließ Charles den Vertretern der Commonwealth-Staaten besonders viele Plätze in der Kirche. Er gibt sich bescheiden. Die in royalen Angelegenheiten stets gut informierte Zeitung „The Telegraph“ geht davon aus, dass die Krönungszeremonie in einem sehr viel kleineren Rahmen stattfinden wird als die Krönung der Queen im Jahr 1953. Vermutlich im nächsten Frühjahr oder Sommer soll es so weit sein.

Wie viele Staaten Charles dann noch anerkennen, ist ungewisser denn je.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.