Bregenz/Bozen. Milde Temperaturen verleiden Skifahrern den Winterurlaub – und verursachen tödliche Gefahren. Ohne Schneekanonen geht nichts mehr.

Auf einem schmalen Streifen Kunstschnee düsen die wenigen Skifahrer Richtung Tal. Ähnlich bedrückend wie im österreichischen Riezlern sieht es dieser Tage in vielen Skiorten aus: Die weiße Piste ist nur wenige Meter breit, rundherum erstreckt sich eine Wiesenlandschaft. Skifahren im Januar 2023, das bedeutet Wintersport im Grünen.

Immerhin geht hier im Kleinwalsertal nahe Bregenz überhaupt was in Sachen Wintersport. Nebenan in Bayern müssen Touristen schauen, wo sie bleiben. In Reit im Winkl auf der Winklmoosalm ist das Skigebiet seit Heiligabend „aufgrund des anhaltenden Tau- und Regenwetters“ geschlossen, wie die Betreiber mitteilen, und am Großen Arber im Bayerischen Wald wurde der Saisonstart gleich „auf unbestimmte Zeit“ verschoben.

Schneelose Wochen erschweren allerorten das Geschäft. Das ungewöhnlich milde Wetter – in den Alpen war es am Donnerstag um die elf Grad warm – bereitet vor allem Gebieten in niedrigeren Lagen Probleme. Mehr zum Wintersport: Skifahren ist ohne Schneekanonen kaum noch möglich

Skiurlaub: Je höher, desto mehr Schnee

Wer Skifahren möchte, muss hoch hinauf: In den beliebten österreichischen Orten Kitzbühel, Obertauern, Sölden und Ischgl sind die meisten Lifte in Betrieb. Auch auf der Zugspitze, mit 2962 Metern Deutschlands höchster Berg, gab es zuletzt Schnee statt Regen. Unterhalb von 1500 Metern macht Skifahren hingegen wenig Spaß.

Im österreichischen Riezlern konzentriert sich der Skispaß auf einen schmalen Streifen Kunstschnee.
Im österreichischen Riezlern konzentriert sich der Skispaß auf einen schmalen Streifen Kunstschnee. © dpa | ExpaJfk

Ein baldiger Wintereinbruch? Kündigt sich nicht an. „Bis mindestens Mitte nächster Woche ist kein Schnee in Sicht“, prognostiziert der Meteorologe Dominik Jung gegenüber unserer Redaktion. Er spricht angesichts zweistelliger Temperaturen von „Vollfrühling“ und glaubt, dass es aufgrund des Klimawandels keine klirrend kalten Winter mehr geben wird: „Die Winter sind in den letzten Jahren immer wärmer geworden.“

Mit fatalen Folgen für die Wintersportlandschaft. In vielen traditionellen Skiorten zittern sie, wie lange überhaupt noch Touristen im Winter kommen. „Es gibt Regionen, in denen Skipisten keine Zukunft haben“, mahnt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein (DAV). Auch interessant: Reinhold Messner: „Ohne mich wäre Ötzi verscharrt worden“

Verletzungsgefahr abseits der Pisten ist hoch

Wer trotz Schneemangel in die Wintersportregionen fährt und von der Strecke abkommt, riskiert sein Leben. Denn abseits der Pisten wird scharfkantiges Geröll zur ernsten Gefahr. In Österreich sind seit dem 1. November bereits 13 Menschen in Skigebieten gestorben, darunter zwei 17-Jährige aus Bayern, die über den Rand des mit Kunstschnee hergerichteten Weges hinausgeschossen waren. 100 weitere Skifahrer verletzten sich schwer.

„Aufgrund der geringen Schneelage ist es nicht ratsam, außerhalb des präparierten Geländes zu fahren“, warnt ein Polizeisprecher. Rutsche man dieser Tage bei einem Sturz über die Piste hinaus, sei die Verletzungsgefahr höher als bei viel Schnee.

Wann wird’s mal wieder richtig Winter? Vielleicht nie mehr. Eine DAV-Studie kommt zu dem Schluss, dass Wintersport in bis zu 50 Prozent der bayerischen Skiorte in den nächsten knapp 20 Jahren unmöglich sein wird. Thomas Bucher spricht von einem „Wettlauf gegen den Klimawandel“: Ohne teure Beschneiungsanlagen wäre Skifahren auf vielen Pisten schon heute nicht mehr möglich. Lesen Sie hier: Braun statt weiß: Fotos zeigen Tristesse in Skigebieten

Schneekanonen bei Oberstdorf im Allgäu: Ohne teure Beschneiungsanlagen wäre Skifahren auf vielen Pisten nicht möglich.
Schneekanonen bei Oberstdorf im Allgäu: Ohne teure Beschneiungsanlagen wäre Skifahren auf vielen Pisten nicht möglich. © imago images / MIS

Pistenbetreiber ächzen unter den Kosten. Allein Österreich hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine Milliarde Euro investiert. Mit der Anschaffung ist es nicht getan: Künstliche Beschneiung kann bis zu 40 Prozent der Stromausgaben eines Skigebiets ausmachen. Der italienische Wintersportort Sestriere rechnet damit, in diesem Winter 4,7 Millionen Euro dafür aufwenden zu müssen – zwei Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Egal, wie warm es in den nächsten Tagen noch wird, Urlauber dürfen nicht darauf bauen, die Kosten zurückzubekommen. Denn der Reiseveranstalter habe keinen Einfluss auf den Schneemangel, sagt der Hannoveraner Reiserechtsanwalt Paul Degott. „Der kann keinen Schnee zaubern.“