Berlin. Schon mal von Hypermiling gehört? Oder gesammelten Toilettengutscheinen? Der Spardruck schafft seltsame Sitten, meint unsere Autorin.

Oje. Die Inflation frisst unser Geld auf, Teuer-Schock, das ist die Boulevard-Schlagzeile dieser Tage, die ich ständig vor meinem geistigen Auge sehe, garniert von den Schlagwörtern: Gas! Strom! Sprit! Und dann kommen die Empfehlungen, was ich machen kann, damit ich mit meinem Warenkorb wieder bei 80 statt neuerdings 100 Euro lande und demnächst die horrenden Energie-Rechnungen bezahlen kann.

Ganz klar: Jetzt schlägt die Zeit der Sparfüchse. Mit ihren Geldbörsen voller Payback-Karten sammeln sie Cent für Cent. Sie hangeln sich von Rabattaktion zu Rabattaktion und Gutschein zu Gutschein.

Sparen durch Geburtstagsgutscheine

Ganz krass läuft es bei einer Bekannten. Sie ist eingefleischte Kontaktlinsenträgerin, bestellt seit Jahren im Internet. Neulich traf ich sie mit Brille. „Steht dir gut“, sagte ich. Ach, sagte sie, sie warte noch auf einen 15-Euro-Gutschein, der müsse demnächst – pünktlich zu ihrem Geburtstag – kommen; dann werde sie wieder ihre Linsen bestellen. Das Geburtstagsgeschenk vom Sportartikel-Händler sei schon da, den werde sie in neue Laufschuhe investieren.

Brigitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft.
Brigitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Klar, ich bekomme auch Gutscheine. Aber bei mir funktioniert das so, wie sich das die Händler wünschen, also planlos. Zehn Euro von Sport Müller? Ach, da gehe ich doch mal gucken. Und ergänze meine ohnehin opulente Sammlung von Laufshirts in dem Wissen, dass diese Funktionssachen niemals kaputt gehen.

Spartipp Hypermiling: Spritsparend Autofahren im Windschatten von LKWs

Ein Spartipp aus dem Boulevard dieser Tage ist das sogenannte Hypermiling, das extrem spritsparende Autofahren. Das Ziel: 2000 Kilometer mit einer Tankfüllung. Wie das geht? Im Windschatten von Lkw fahren. Niemals schneller als 95 km/h. Klimaanlage aus, Radio aus, Bremsen vermeiden. Und so weiter.

Ich habe letzte Woche, als ich mit Mann und Kind auf der Autobahn unterwegs war, die Schmalspurvariante des Hypermilings ausprobiert: Klimaanlage auf 28 Grad, maximal 120 km/h. Das hat vor allem mich sehr gestresst, denn ich neige leider zu schnellem Fahren.

Mit 50-Cent-Gutschein Gasrechnung zahlen?

An der Toilettenanlage der Raststätte vergaß ich, verschwitzt wie ich war, meinen 50-Cent-Gutschein, den man für die 70-Cent-Gebühr bekommt, aus dem Automaten zu ziehen. Als ich mich umdrehte, um das nachzuholen, war der Gutschein weg. Ein anderer Kunde hatte ihn in der Hand, zu seinem eigenen.

Ich hörte, wie er zu seiner Frau sagte: Ich bleib’ noch mal ein wenig hier stehen, bestimmt vergessen noch mehr Leute, ihren Gutschein mitzunehmen. Was macht er dann damit? Seine Gasrechnung zahlen? Ich unterdrückte im Unwissen über seine Verhältnisse den Impuls, ihm einen Euro obendrauf zu schenken.

9-Euro-Ticket trotz asiatischem Elektromoped

Worüber ich mich am meisten ärgere, ist das 9-Euro-Ticket. Ich habe es für diesen August, doch ich brauche es gar nicht. Denn in der Stadt gehe ich gern zu Fuß, und für weitere Strecken habe ich ein asiatisches Elektromoped. Für 50 Cent komme ich damit bis zu 80 Kilometer weit (okay, wenn ich im Eco-Modus fahre, was keinen Spaß macht).

Soll ich jetzt ganz viel Bus fahren und S-Bahn, soll ich mich am Wochenende in volle Regionalzüge pressen, soll ich meinen Corona-Schutz, den ich womöglich noch durch eine überstandene Infektion habe, herausfordern? Nach dem Motto: Ich krieg’ da was (fast) umsonst, aber damit sich das rechnet, muss ich Dinge tun, die ich gar nicht will.

Sparen kann schnell zu Geiz werden

Klar ist: Sparen ist harte Arbeit und frisst Zeit. Wo kostet wann der Sprit am wenigsten, was kostet die Markenbutter beim Discounter im Vergleich zur Eigenmarke im Supermarkt, was ist Cash Back, wann wird aus dem Sale mit 50 Prozent Rabatt der Super Sale mit 70 Prozent?

Abgesehen davon ist da auch schnell der Punkt erreicht, an dem sich der vernünftige und vorausschauende Umgang mit Geld zu einem unschönen Geiz verwandelt, nach dem Motto: Trinkgeld? Nicht in diesen Zeiten. Ich jedenfalls gebe der netten Kellnerin im Café wie immer zwölf Euro bei einer Rechnung von 10,50 Euro. Könnte ja unsere Teenie-Tochter sein, die derzeit kellnert.

Apropos: Bei unserem traditionellen Mittagsspaziergang lädt sie mich nun zu einem Cappuccino to go ein. Von ihrem Trinkgeld. Ja, Mensch. Da habe ich doch echt mal gespart.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.