Euskirchen. Nach neuen schweren Thrombose-Fällen und dem Tod einer Frau beschränken die Bundesländer die Impfungen mit dem Vakzin von Astrazeneca.

  • Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben sich für einen bundesweiten Stopp des Astrazeneca-Impfstoffs für Menschen unter 60 Jahren entschieden
  • Auch die Stiko hat ihre Empfehlung für den Wirkstoff angepasst
  • Lesen Sie hier im Überblick, wie es zur der Entscheidung kam

Der Impfstoff von Astrazeneca steht erneut scharf in der Kritik. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben ihn am Dienstagabend bundesweit für die Altersgruppe unter 60 aus dem Verkehr gezogen. Dies gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Eine Freigabe erfolgte dagegen für alle, die älter als 60 Jahre sind. Lesen Sie hier einen Überblick der Ereignisse.

In Euskirchen sind zwei Thrombose-Fälle nach Impfungen mit dem Corona-Vakzin aufgetreten. Wie der Kreis mitgeteilt hat, hat sich bei einer 47-jährigen Frau eine Sinusvenenthrombose entwickelt.

Die Patientin ist vergangene Woche an den Folgen gestorben. Bei einer weiteren Frau hat sich laut Kreisverwaltung ebenfalls eine Thrombose entwickelt - die 28-Jährige werde nun in einer Spezialklinik versorgt und sei in einem stabilen Zustand.

Astrazeneca-Impfung wurde in Euskirchen teilweise gestoppt

In beiden Fällen hat das Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen Ermittlungen eingeleitet und die zuständigen Behörden informiert. Noch bevor die Untersuchungen abgeschlossen wurden und ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Vakzin und den Thrombosen bestätigt worden ist, wurden in der nordrhein-westfälischen Stadt am Montag die Corona-Schutzimpfungen von Frauen unter 55 Jahren mit dem Astrazeneca-Wirkstoff vorläufig gestoppt.

In einer Mitteilung der Kreisstadt hieß es: "Da aktuell nicht ausgeschlossen werden kann, dass Tatsachen vorliegen, die gegen eine alters- und geschlechtsübergreifende Verimpfung von 'Covid-19 Vaccine Astrazeneca' sprechen, hat sich der Krisenstab des Kreises Euskirchen dazu entschlossen, die Impfung mit diesem Impfstoff bei Frauen unter 55 auszusetzen." Die Impfungen mit Astrazeneca für Männer sowie für Frauen über 55 gehen weiter, genau wie die Impfungen mit dem Biontech-Vakzin.

In Berlin hat Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) die Astrazeneca-Impfungen für alle Frauen unter 60 am Dienstag vorsorglich gestoppt - eine Verschärfung des ursprünglichen Plans. Zuvor hatte es lediglich geheißen, die Impfung solle für Frauen unter 55, und das auch nur in den landeseigenen Krankenhäusern und Kliniken, ausgesetzt werden.

Auch in München finden keine Impfungen mehr für Menschen unter 60 statt. Das Land Brandenburg verzichtet ebenfalls vorsorglich darauf. Sachsen-Anhalt dagegen will zunächst an dem Impfstoff für alle Altersgruppen festhalten.

Astrazeneca: Impfstoff weniger wirksam als zunächst angegeben

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    Die Uniklinik Köln empfiehlt unterdessen ihren weiblichen Angestellten unter 55 Jahren im Impfberatungsgespräch, "zumeist keine Impfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff", so ein Sprecher. Er bestätigte einen Bericht der "Bild"-Zeitung. "Wir enthalten niemanden den Impfstoff vor, der ihn auch nach entsprechender Aufklärung ausdrücklich wünscht", ergänzte der Sprecher.

    Inzwischen haben sich die Leiter von fünf der sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen ebenfalls für einen vorläufigen Stopp von Impfungen jüngerer Frauen mit dem Wirkstoff von Astrazeneca ausgesprochen. Das Risiko von weiteren Todesfällen sei zu hoch, heißt es in einem gemeinsamen Brief an den Bundes- und Landesgesundheitsminister, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

    Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat ihre Empfehlung für den Wirkstoff angepasst. Das Präparat soll nur noch für Menschen über 60 Jahre empfohlen werden. Das geht aus einem Beschluss der Stiko hervor.

    Astrazeneca: Immer wieder gefährliche Nebenwirkungen gemeldet

    Schon seit Monaten wird über die möglichen Nebenwirkungen des Astrazeneca-Vakzins diskutiert. Nachdem eine Reihe von Thrombose- und Todesfällen in zeitlicher Relation zu Corona-Impfungen mit diesem Präparat öffentlich wurden, wurde die Verabreichung in mehreren Ländern sogar vorläufig gestoppt.

    Es handelte sich um mehrere Fälle von Sinusvenenthrombosen, auch bekannt als Hirnvenenthrombosen. Bei einem weiteren Fall waren Hirnblutungen durch einen Mangel an Blutplättchen aufgetreten. Auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) wird der Impfstoff mittlerweile wieder verimpft - allerdings wurde das Astrazeneca-Vakzin mit einem Warnhinweis für Frauen unter 55 Jahren versehen.

    Blutgerinnsel nach Astrazeneca-Impfung: Die jüngsten Vorfälle

    • In Deutschland sind bislang 31 Verdachtsfälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca bekannt. Das berichtete das Paul-Ehrlich-Institut am Dienstag. Bis 29. März waren dem Institut 31 Fälle gemeldet worden, in 19 Fällen wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie gemeldet. In neun Fällen war der Ausgang tödlich, wie das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Institut in Langen berichtete.
    • Vor den Ereignissen in Euskirchen war der Fall einer Krankenpflegerin aus Kempten bekannt geworden. Sie starb im Alter von 55 Jahren im zeitlichen Zusammenhang mit einer Astrazeneca-Impfung mit Verdacht auf Hirnve­nen­thrombose.
    • Im März sind in Dänemark nach Behördenangaben bei zwei Krankenhausmitarbeitern nach einer Astrazeneca-Impfung Blutgerinnsel aufgetreten. Eine der betroffenen Personen ist gestorben.
    • Seit Montag empfiehlt Kanada Einschränkungen für das Vakzin. Die zuständigen Experten erklärten, Astrazeneca solle nicht bei Menschen unter 55 Jahren zum Einsatz kommen. Bisher seien in Kanada keine Fälle von Blutgerinnseln registriert worden, sagte die Gesundheitsbeamtin Supriya Sharma.
    • Je nach Land gibt es teilweise unterschiedliche Einschränkungen. In Frankreich wird das Vakzin nur für Menschen verwendet, die älter als 55 Jahre sind, in Spanien soll es nicht für Menschen eingesetzt werden, die älter als 65 sind.