Berlin. In manchen Regionen Deutschlands wird das Trinkwasser knapp. Das dürfte sich in Zukunft noch verschlimmern. Experten suchen Lösungen.

In Simmern-Rheinböllen, einer kleinen Verbundgemeinde in Rheinland-Pfalz, bleiben schmutzige Autos fürs erste schmutzig. Die Gemeinde hat es verboten, Autos mit Trinkwasser zu waschen. Auch Pools und Planschbecken dürfen damit nicht mehr befüllt werden, Blumenbeete nur noch mit Regenwasser gegossen werden. Wer dagegen verstößt, muss immerhin mit einer Geldbuße rechnen wegen einer Ordnungswidrigkeit. Der Bürgermeister wusste sich nicht mehr anders zu helfen. Denn in Simmern-Rheinböllen wird das Trinkwasser knapp.

Die Gemeinde im Hunsrück ist mit diesen Maßnahmen nicht allein, auch andere Kommunen haben in den vergangenen Wochen die Wassernutzung eingeschränkt. Manchmal dürfen Rasen nicht mehr gesprengt werden, andernorts wurde verboten, Wasser aus Brunnen, Seen oder Flüssen abzupumpen. Einige Kommunen erlaubten die Bewässerung von Gärten oder öffentlichen Parks und Sportplätzen nur noch zu Randzeiten, wenn der Wasserverbrauch in der Regel nicht so hoch ist.

Es ist nicht nur die aktuelle Hitzewelle, die die Wasserversorgung unter Druck setzt. Expertinnen und Experten warnen schon seit längerem, dass es in Deutschland immer trockener wird.

Dürre in Deutschland seit mehreren Jahren

„Sehr trockene Sommer gab es historisch immer mal wieder, zum Beispiel in den 50ern oder 70ern“, sagt Dietrich Borchardt, Hydrologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. „Aber jetzt haben wir ein Dürreereignis haben, das seit fünf Jahren besteht. Das ist neu.“

2018, 2019 und 2020 waren bereits viel zu trocken. 2021 brachte zwar mehr Niederschlag, doch das reichte nicht aus, um die Jahre davor auszugleichen. Und 2022 regnet es bislang erneut weniger als im langjährigen Mittel. Auf die tiefen Grundwasservorräte, aus denen in 80 bis 100 Meter Tiefe in vielen Teilen Deutschlands Trinkwasser gewonnen wird, wirkt sich das bisher nicht aus, sagt der Hydrologe. Doch an der Oberfläche sind die Effekte längst zu sehen.

Ein Bild vom Rheinufer.
Ein Bild vom Rheinufer. © AFP | Ina Fassbender

Flusspegel sinken, Bäche trocknen aus

Die Pegelstände von Flüssen sinken, Bäche trocknen aus, in den Wäldern lichtet der Trockenstress der Bäume vielerorts die Baumkronen. Die Landwirte blicken mit Sorge auf die trockenen Felder. Die aktuelle Hitzewelle verschärft die Situation noch, weil Feuchtigkeit noch schneller verdunstet.

Weniger Niederschlag, größere Hitze: Die Entwicklung wird das Land auch künftig in den Sommermonaten beschäftigen – mit regional möglicherweise dramatischen Auswirkungen. „Zwar wird es in den kommenden Jahren voraussichtlich nicht zu einer deutschlandweit flächendeckenden Wasserknappheit kommen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, unserer Redaktion.

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„Nutzungsengpässe“ seien aber etwa dort zu erwarten, wo Privathaushalte, Industrie und Landwirtschaft konkurrieren: „Wenn dann viele Menschen gleichzeitig Wasser nutzen, kann die Fließgeschwindigkeit des Wassers absinken und im äußersten Extremfall dazu führen, dass kein Wasser aus dem Wasserhahn kommt.“ Derzeit sind Landsberg zufolge vor allem der Osten Deutschlands, aber auch weite Teile von Niedersachsen und Süddeutschland von Dürre betroffen.

Der private Wasserverbrauch pro Kopf ist gesunken

Der durchschnittliche Wasserverbrauch in Privathaushalten ist in den letzten Jahrzehnten von 144 Litern pro Kopf am Tag im Jahr 1991 zurückgegangen auf aktuell 123 Liter. Bei großer Hitze steigt der Bedarf dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zufolge aber um 40 bis 60 Prozent.

„Die Menschen bewässern ihren Garten, duschen häufiger und immer mehr Haushalte besitzen Pools, die mit mehreren Tausend Litern Wasser befüllt werden“, sagt Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer für den Bereich Wasser. Dadurch komme die Infrastruktur an heißen Sommertagen an einigen Orten an ihre Grenzen.

Landsberg rät dazu, in langanhaltenden Dürreperioden die Gartenbewässerung und das Befüllen privater Pools regional auf ein Minimum zu reduzieren oder ganz darauf zu verzichten. Privathaushalte sollten zudem Regenwasser auffangen und zur Gartenbewässerung nutzen. Regionale Wasserknappheiten werden aber nach Einschätzung des Städte- und Gemeindebundes nicht nur zu Einschränkungen der Bevölkerung, sondern auch der Städte und Gemeinden führen: „Denkbare Folgen sind eine reduzierte Bewässerung der Parks beziehungsweise das Auslassen des Bewässerns oder das Abstellen der Brunnen“, sagt Landsberg.

Bäume werfen in Sachsen ihren Schatten auf eine vertrocknete Wiese am Zwenkauer See.
Bäume werfen in Sachsen ihren Schatten auf eine vertrocknete Wiese am Zwenkauer See. © dpa | Jan Woitas

Wasserwirtschaft fordert bessere Infrastruktur

Städte, Wirtschaft und Experten machen sich Gedanken, wie eine sichere Wasserversorgung in ganz Deutschland auch in Zukunft flächendeckend sichergestellt werden kann. „Wir haben keinen Wassermangel in Deutschland“, sagt BDEW-Hauptgeschäftsführer Weyand. „Zunehmende Trockenperioden stellen jedoch auch die Wasserwirtschaft vor neue Herausforderungen.“

Um die Infrastruktur für Hitzeperioden zu wappnen, müssten neue Leitungssysteme verlegt, Talsperren gebaut oder erweitert werden. Weyand fordert zudem die Ausweisung von Wasserschutzgebieten und Ausgaben für Wasserwerke und Rückhaltebecken. Von der Politik verlangt der BDEW ein Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen für die Wasserwirtschaft.

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Um die Versorgung zu sichern, wird in vielen Städten auch über ein besseres Wassermanagement nachgedacht. Dazu gehören etwa Konzepte, wie Regen auch in dicht bebauten Gebieten versickern und so wieder ins Grundwasser und dem natürlichen Kreislauf zufließen kann. Verteilungskämpfe ums Wasser sind für die Zukunft aber nicht auszuschließen. Landsberg fordert daher, die öffentliche Wasserversorgung müsse „im Falle von Nutzungskonflikten rund um die Trinkwasserversorgung stets Vorrang haben“.

Die Nutzung von Brunnen könnte künftig in manchen Regionen bei Dürre eingeschränkt werden.
Die Nutzung von Brunnen könnte künftig in manchen Regionen bei Dürre eingeschränkt werden. © Getty Images | Thomas Lohnes

Experte fordert Umdenken im Umgang mit Wasser

Besseres Wassermanagement in den Städten, aber auch auf dem Land fordert auch Hydrologe Borchardt. „Das Wasser wird knapp, aber es reicht, wenn wir besser speichern und sinnvoller damit haushalten“, sagt er. In der Landwirtschaft etwa sei in der Vergangenheit viel entwässert worden, Bachläufe begradigt. Das gelte es jetzt zurückzunehmen. „Allein durch Renaturierung können wir den Wasserhaushalt positiv beeinflussen.“

Und er fordert ein Umdenken im Umgang mit Wasser. Für vieles, wo heute Trinkwasser eingesetzt wird, würde auch Regenwasser oder sogenanntes Grauwasser reichen, sagt Borchardt. Und schon eine Regentonne im Garten könne da sinnvoll sein. „Jeder trägt Verantwortung für die Wassernutzung.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.