Washington, D.C. In den USA mehren sich Fälle von Coronavirus-Opfern, die von Impfgegnern zum Impf-Botschaftern werden. Das sind ihre Geschichten.

Joe Biden verglich den rasenden Anstieg der Corona-Fälle in den USA - von 10.000 auf über 80.000 am Tag binnen vier Wochen - am Dienstagabend mit einem ungezügelten „Buschbrand”, der durch die Reihen der noch rund 90 Millionen ungeimpften Amerikaner wüte. Was folgte, war der gebetsmühlenartig wiederholte Standard-Aufruf des Präsidenten: „Lassen Sie sich bitte impfen!”.

Die „herzzerreißenden” Schicksale von Familien, die durch Corona auseinandergerissen würden, seien „absolut vermeidbar”. Was staatliche Appelle angesichts von immer noch 30 Prozent unnachgiebigen Impfverweigerern nicht vermögen, soll nun durch eine besondere Gruppe von Multiplikatoren gelingen, hoffen Mediziner und Regierung: Corona-Überlebende als „Feuerwehr” und Impf-Botschafter.

USA: Impfgegner bereuen den Verzicht auf die Impfung

Ob auf der Intensivstation, bei Beerdigungen, in Todesanzeigen oder Zeitungsreportagen: Immer häufiger melden sich in den Vereinigten Staaten in diesen Wochen Reumütige öffentlich zu Wort, die eine Impfung vehement ausschlugen und danach todkrank wurden. Manchmal sind es auch Angehörige, die vor den Gefahren einer Corona-Infektion warnen wollen.

Sie schildern in meist bewegenden Worten am eigenen Exempel, wie töricht es gewesen sei, auf die schützende Spritze zu verzichten und stattdessen auf fahrlässige Desinformation in den sozialen Medien zu hören.

Verschwörungsmythen zu Impfungen in den USA weit verbreitet

Dort wird jeden Tag noch immer zigtausendfach der durch keinerlei Fakten unterfütterte Eindruck erweckt, die drei in den USA verabreichten Impfstoffe (Biontech/Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson) seien für Autismus, Unfruchtbarkeit und andere massive Nebenwirkungen verantwortlich und dienten ohnehin nur der Kontrollsucht des Staates gegenüber seinen Bürgern.

Zum Beispiel Amanda Spencer. Die 37-Jährige aus Ohio war besorgt über mögliche Nebenwirkungen der bislang von der Arzneimittelbehörde FDA nur als Notfall-Präparat zugelassenen Impfstoffe. Sie mied darum den Piekser, den sich bislang über 300 Millionen Amerikaner abgeholt haben.

Nachdem Spencer sich im Juni infizierte, zeigten sich Krankheitssymptome, die nur durch ein künstliches Koma auf der Intensivstation in den Griff zu kriegen waren. Elf Tage lang. Spencer überlebte und sagt heute in Interview mit mehreren Radio-Stationen im Rückblick: „Ich wäre lieber von den möglichen Nebeneffekten einer Impfung ein paar Tage krank gewesen als das zu erleben, was ich durchgemacht habe.” Ihr Petitum an die Zuhörer: „Lassen Sie sich bitte impfen!”

Impfgegner: Reue nach Lungentransplantation

Ähnlich wirksam ist die Beichte der Krankenhaus-Angestellten Stormy, die sich in einem inzwischen mehrere 1000 Mal angesehenen Youtube-Video eindrucksvoll geäußert hat:

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Noch dramatischer war die Erfahrung von Blake Bargatze aus Georgia. Der 24-Jährige ging im April in Florida ungeimpft, er wollte die Impfstoffe nach eigenen Angaben erst zehn Jahre lang in der Praxis beobachten, auf ein Rock-Konzert. Nach der Infizierung wurde er so krank, dass ihm beide Lungenflügel transplantiert werden mussten.

Er liegt immer noch auf der Intensivstation und „bereut” nach Angabe seiner Mutter zutiefst, dass er nicht frühzeitig von den Vakzinen Gebrauch gemacht hat, die nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC zu weit über 90 Prozent schwere Krankheitsverläufe bei Corona verhindern.

Triathlet und Mormone wirbt für Impfung

Der Meinung hat sich inzwischen auch Aaron Hartle angeschlossen. Der 45-jährige ehemalige Triathlet betreibt in Springville/Utah eine kleine hausärztliche Klinik. Trotzdem wollte er von den Impfungen nichts wissen. „Ich will erst die Langzeiteffekte beobachten”, sagte der fünffache Vater. Seine Patienten mussten, wenn sie eine Impfung wünschten, in eine Apotheke nebenan gehen.

Hartle infizierte sich und drei seiner Kinder, überlebte nur knapp. Noch immer muss er künstlich mit Sauerstoff versorgt werden. Nachdem Hartle über den Berg war, wurde der gläubige Mormone zum Impf-Apostel. „Auf lange Sicht ist es so viel besser, wenn man sich schützt. Denn auch dann, wenn Sie, so wie ich, davon überzeugt sind, dass sie nicht schwer krank werden, kann genau das passieren.”

Frühere Impfgegner werden für PR-Kampagnen eingespannt

Mediziner und Behörden machen sich die öffentlichen Ich-bin-schuld-Bekenntnisse, die nahezu jeden Tag in den Zeitungen stehen, allmählich zunutze. So hat der Gesundheits-Direktor des mit erschreckend schwacher Impfquote ausgestatteten Süd-Bundesstaates Arkansas, Dr. José Romero, seinem Team aufgegeben, Fälle von umgeimpften Corona-Kranken, die dem Tod von der Schüppe gesprungen sind, in eine PR-Strategie einzuweben, um authentisch aufzuklären, wo staatlichen Stellen latent von politischen Interessen gesteuerte Information unterstellt wird.

„Diese Leute werden zu Botschaftern dafür, wie sinnvoll es ist, sich impfen zu lassen”, sagt Romero und erinnert an ein junges Elter-Paar, das sich für die Kampagne zur Verfügung stellte. Die Frau brachte ihr Baby zur Welt, während sie mit kaputten Lungen an ein Beatmungsgerät angeschlossen war.

Wirksamkeit der Impf-Werbung noch nicht bewiesen

Ob diese „Testimonials” tatsächlich Wirkung in der Breite erzielen, darüber herrscht unter Fachleuten Uneinigkeit. In den USA stockt das Impftempo. Vereinzelt sei in den vergangenen Wochen, ausgelöst vor allem durch die Berichterstattung über die hoch infektiöse Delta-Variante, die Impfquote in einigen Bundesstaaten leicht nach oben gegangenen, berichtet die „New York Times”.

Auch der Umstand, dass große Unternehmen von Google bis Amazon ihren Belegschaften Impfpflicht aufgegeben habe, habe „großen Eindruck gemacht”, sagen Gesundheitspolitiker im Kongress.

Auf der anderen Seiten berichten Ärzte von Patienten, die, obwohl sie auf den Intensivstation um ihr Leben kämpften, schlicht bestreiten, an Corona erkrankt zu sein. „Sie sagen, es sei eine schwere Grippe”, wird ein Doktor aus New York zitiert, „man glaubt uns nicht.”

Impf-Multiplikatoren brauchen „street credibility”

Umso wichtiger sind Multiplikatoren mit „street credibility”, mit Glaubwürdigkeit, in ihren Kreisen. Leute wie der Radiomoderator Phil Valentine, der gerade durch viele Zeitungsspalten geht. Die Stimme des 61-Jährigen, der aus Nashville für den Sender SuperTalk 99.7 WTN arbeitet, ist im konservativen Bundesstaat Tennessee Hunderttausenden vertraut.

Valentine war kein Propagandist der Impfpolitik Joe Bidens. Bis er selbst schwer krank wurde. Die Lunge ist massiv geschädigt. Ohne Sauerstoffmaske und Beatmungsgerät wäre Valentine nach Angaben seines Senders längst tot.

Über seinen Bruder Mark ließ Valentine wissen, dass es ihm aufrichtig leid tue, nicht entschlossener für das Impfen eingetreten zu sein. „Viele Leute haben sich nicht schützen lassen, weil ich mich nicht schützen ließ.” Valentine versprach das zu ändern. Wenn ihn der liebe Gott am Leben lässt.