Washington. Der Westen der USA steht vor einer neuen Hitzewelle. Joe Biden dringt auf strengen Klimaschutz. Aber die Republikaner setzen auf Zeit.

„Macht euch keine Sorgen, es gibt keine Klimaerwärmung“, ätzte Joe Biden inmitten der ersten tödlichen Gluthitzewelle im Nordwesten der USA, „das existiert gar nicht. Das ist nur die Frucht unserer Einbildungskraft.”

Die gewollte Ironie des US-Präsidenten erschien am Sonntag in noch grellerem Licht. Weite Teile des Südwestens wurden - nach Auffassung von Forschern ohne die von Menschen beförderte Erderwärmung durch Treibhausgase nicht denkbar - erneut zum Glutofen. Betroffen: 30 Millionen Menschen.

Zwischen Kalifornien und Nevada waren 45 Grad Celsius plus x keine Seltenheit. Im „Death Valley” wurden die global höchsten Temperaturen seit fast 100 Jahren gemessen: 54 Grad. Die Behörden meldeten Waldbrände auf einer Fläche von mehr als 500 Quadratkilometern. Abgelassenes Löschwasser aus den Feuerwehr-Flugzeugen verdunstete, bevor es auf die lodernden Äste fiel. Für Biden „Warnsignale”, die endlich ernst genommen werden müssten.

Republikaner torpedieren Bidens Pläne

Seine Tonlage war vor allem an die politische Konkurrenz gerichtet. Die Republikaner in Washington torpedieren trotz eskalierender Dürren, Überschwemmungen und Wirbelstürme alle Versuche des Weißen Hauses, die USA nach den Trump-Jahren gesetzgeberisch im Eiltempo in Klimaschutz-Fragen auf die Höhe der Zeit zu bringen. Lesen Sie hier: Wetter in Spanien - Hitzewelle mit bis zu 50 Grad erwartet

Biden hatte im Wahlkampf ein 2000-Milliarden-Dollar-Investment versprochen, damit die Energiegewinnung zwischen Los Angeles und New York bis 2035 CO2-frei werden kann. 15 Jahre später sollen die Vereinigten Staaten gänzlich auf umweltschädliche Emissionen verzichten können. Mehr zum Thema: Klimaschutz, Rente, Steuern: Was im Programm der Union steht

Hitzewelle in den USA: Biden verspottet Klimaskeptiker

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    Nach dem Wiedereintritt ins Pariser Klimaschutzabkommen lässt Biden seinen Klima-Zar John Kerry um die Welt jetten, damit sich beim nächsten Gipfeltreffen in Glasgow noch mehr Länder auf noch ehrgeizigere umweltschonende Maßnahmen verpflichten. Bidens Tenor auf der Weltbühne: „Wir können uns keine Pause mehr erlauben.”

    Farm-Arbeiter sterben Hitzetod, Stauseen sind fast leer

    Die Realität zu Hause ist grauer. Und kleinmütiger. In Kalifornien sterben unterbezahlte Farm-Arbeiter auf den Feldern den Hitzetod. Gouverneur Gavin Newsom hat die 40 Millionen Einwohner dazu angehalten, den Wasserverbrauch pro Kopf und Tag um rund 60 Liter zu senken.

    Dahinter stehen historische Tiefstände in großen Reservoiren wie Lake Mead oder Lake Powell, die normalerweise an die 30 Millionen Menschen mit dem existenziell notwendigen Nass versorgen. Die Stauseen sind aber nur noch zu 30 Prozent gefüllt und können ihr Funktion, Kraftwerke zu kühlen, nicht mehr vollständig erfüllen. Auch interessant: Hitze: Mit diesen Tipps bleibt Ihr Zuhause im Sommer kühl

    Tropennächte in Deutschland: Ende des 21. Jahrhunderts werden Menschen etwa in Baden-Baden 4,5 mehr heiße Nächte (über 20 Grad Celsius) erleben als heute - wenn der Klimaschutz mäßig ausfällt.
    Tropennächte in Deutschland: Ende des 21. Jahrhunderts werden Menschen etwa in Baden-Baden 4,5 mehr heiße Nächte (über 20 Grad Celsius) erleben als heute - wenn der Klimaschutz mäßig ausfällt.

    Feuerwehren, die die in diesem Jahr besonders früh eskalierenden Waldbrände löschen sollen, sind unterbesetzt und gemessen an der Lebensgefährlichkeit ihres Jobs miserabel bezahlt. Das führt dazu, dass der Präsident der größten Macht des Westens sich persönlich dafür ausspricht, den Stundenlohn für die Männer an der Spritze auf 15 Dollar zu erhöhen. Lesen Sie hier: Nachts einkaufen, nichts ohne Klimaanlage: Wie die Menschen in Kanada mit der Hitze umgehen

    Biden legt Fossilindustrie Daumenschrauben an - aber das reicht nicht

    Dabei hat Biden doch das große Ganze im Auge. Seine Regierung hat damit begonnen, der unter Donald Trump expandierenden Öl- und Gas-Industrie wieder Daumenschrauben anzulegen. Areale, die zur Ausbeutung von Rohstoffen zu Lande und zu Wasser freigegeben wurden, wurden wieder einkassiert. Auch sind wie schon unter Barack Obama schärfere Standards bei Methan und Autoabgasen in Arbeit, um Emissionen zu senken.

    Lake Mead: Der Stausee dient Millionen Menschen als Wasserreservoir.
    Lake Mead: Der Stausee dient Millionen Menschen als Wasserreservoir. © Justin Sullivan/Getty Images/AFP

    Allein, ein wirklich radikales Umsteuern bei der Energiegewinnung, wo fossile Brennstoffe noch immer das Gros der Kraftwerke speisen, ist unter Biden ebenso wenig in Sicht wie eine zeitnahe und massive Investition in Elektromobilität samt Ladestationen und Steuer-Vergünstigungen für Verbraucher, die auf E-Autos umsteigen. Lesen Sie auch: Hitzeschock bei Hunden: Schon fünf Minuten im Auto reichen

    Kein Missverständnis: Biden will in diese Richtung. Aber die politischen Verhältnisse im Kongress verengen seinen Handlungsspielraum. Riesige Investitionspakete (Größenordnung bis zu 6000 Milliarden US-Dollar) auch für den klimaschonenden Umbau der öffentlichen Infrastruktur sind de facto blockiert. Die Republikaner sperren sich und Biden kann keine eigenständigen demokratischen Mehrheiten aufbieten. Mehr zum Thema: Keine Lust auf Hitze? So bauen Sie sich eine Klimaanlage

    Kaum jemand erwartet strenge Regeln, die sich an Klimaforschung orientieren

    In dem bisher chancenreichsten Kompromiss-Vorschlag ist das Thema Klimaschutz radikal gestutzt. Zum Leidwesen des linken Parteiflügels der Demokraten und von Umweltorganisationen wie der „Sunrise”-Bewegung. Sie werfen dem Präsidenten Duckmäusertum vor der Öl- und Gas-Lobby vor, die im Wahljahr 2020 sage und schreibe 140 Millionen Dollar an Spenden an politische Kandidaten überwiesen hat. Dass Joe Biden bis Jahresende eine substanzielle Extra-Lösung für einen „new green deal” durch das Parlament bekommt, der sich strikt an den alarmierenden Mahnungen der Klimaforschung orientiert, glaubt in Washington derzeit kaum jemand.

    Auf der anderen Seite drängen die Fakten. Die aktuellen Hitze-Attacken mit daraus folgender Dürre kamen so früh und brachial, dass Klima-Experten der Universität von Kalifornien für August und September mit verheerenden Szenarien rechnen. Schon heute leiden laut US-Dürre-Monitor (United States Drought Monitor) knapp 85 Prozent der Regionen im Westen unter Wassermangel. Mega-Zentren wie Los Angeles und San Francisco haben einigermaßen vorgesorgt. Im ländlichen Raum, wo durch den hohen Wasserbedarf der Landwirtschaft viele lokale Brunnen versiegt sind, herrscht Panik.

    Joe Biden, so erwarten Experten in Washington, wird im Laufe des Sommers diverse Male finanzielle Nothilfe aus Washington in Gang setzen müssen, um die größten Härten zu lindern. Und im November 2022 sind Halbzeitwahlen im Kongress. Was bis dahin in Sachen Klimaschutzpolitik nicht in trockenen Tüchern ist, würde neuen Machtverhältnissen zum Opfer fallen. Genau darauf setzen die Republikaner.