Kopenhagen. Mit der App „iConsent” können Dänen ihre Zustimmung zum Sex geben. In Dänemark ist sie umstritten – und Kritik an der App wird lauter.

Sex ist eine feine Sache – wenn er einvernehmlich stattfindet und alle Seiten ihre Grenzen klar definieren können. Um das sicherzustellen, gilt in Dänemark seit dem 1. Januar 2021 ein Gesetz, wonach Sex ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung als Vergewaltigung gilt. Die neue App „iConsent“ sorgt nun dafür, dass Nutzerinnen und Nutzer ihre Zustimmung auch per Handy geben können – und sorgt damit für Kritik.

Die Funktionsweise von „iConsent” scheint einfach: Zwei Menschen verbinden sich in der App über ihre Telefonnummern und stimmen beide zu, miteinander zu schlafen. Die Zustimmung gilt für 24 Stunden und muss jedes mal aktualisiert werden, wenn die beiden Personen Sex haben wollen. So will das Team um Mitgründerin Anna Fast Nilsson „digitale Einwilligung zur Norm machen“, wie Nilsson der dänischen Zeitung „Politiken“ erzählt.

Sex soll keine vertraglich definierte Handlung sein

Dieser Punkt sorgt nun in Dänemark für eine hitzige Debatte. Denn das Ziel des Zustimmungsgesetzes sei nicht, Sex zu einer vertraglich definierten Handlung verkommen zu lassen – vielmehr soll es das Bewusstsein für Konsens schärfen und alle Beteiligten dazu auffordern, einander zuzuhören und auf Nuancen einzugehen.

Deshalb hält die Vorsitzende des Dänischen Verbandes für Familienplanung (DFPA), Lene Stavngaard, die App für „unsinnig“, wie sie dem dänischen Nachrichtenportal „dr.dk“ erklärt: „Bei einer sexuellen Beziehung geht es nicht um einen Vertrag. Deshalb verfehlt die App komplett die Bedürfnisse der Menschen.“

In Dänemark gilt Sex ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung seit diesem Jahr als Vergewaltigung. Über die neue App „iConsent“ sollen Nutzerinnen und Nutzer auch per Handy ihr Einverständnis abgeben können. Doch das sorgt für Kritik.
In Dänemark gilt Sex ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung seit diesem Jahr als Vergewaltigung. Über die neue App „iConsent“ sollen Nutzerinnen und Nutzer auch per Handy ihr Einverständnis abgeben können. Doch das sorgt für Kritik. © dpa | Robert Günther

App-Entwickler: „App schafft Sicherheit für Männer und Frauen”

Stavngaard kritisiert die Macherinnen und Macher dafür, dass sie die Debatte um einvernehmlichen Sex auf einen digitalen Vertragsabschluss reduzieren: „Es ist völlig klar, dass die App von Leuten entwickelt wurde, die weder einen professionellen Ansatz in Bezug auf Geschlecht, Körper oder Sexualität haben, aber auch die komplette Debatte um das Zustimmungsgesetz ignorieren. Mit der App sind wir wieder beim ersten Schritt – ob Zustimmung ein Vertrag ist oder nicht.“

Die Entwicklerinnen und Entwickler von „iConsent“ argumentieren dagegen, dass die App Sicherheit für Männer und Frauen schaffe, zitiert „dr.dk“ den Mitgründer Carsten Nilsen. Insbesondere Männer könnten die App nutzen, wenn ihnen eine Vergewaltigung vorgeworfen werde.

Anwalt: Einwilligung per App hat vor Gericht vermutlich keinen Bestand

Der Rechtsanwalt Morten Bjerregaard glaubt indes nicht, dass in der App geschlossene Verträge vor Gericht bestehen können: „Man muss sich bewusst sein, dass die Zustimmung immer nur dann gilt, wenn sie von allen Beteiligten kommt“. Sei eine Person nicht mehr einverstanden, müsse der oder die andere Beteiligte das erkennen und respektieren, erklärte er „dr.dk“.

Sowohl für Bjerregaard als auch für den DFPA ist das einer der Hauptkritikpunkte bei „iConsent“. Sie zeigen sich besorgt, dass Menschen das Gefühl für einvernehmlichen Sex verlieren, weil sie nur noch einen unpersönlichen Vertrag darüber abschließen, ohne dabei auf die Signale der jeweils anderen Person zu achten.

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    „iConsent” bekommt im Appstore nur zwei von fünf Sternen

    Noch weiter geht die Organisation Danner, die sich gegen häusliche Gewalt engagiert. Lisbeth Jessen, erklärt dem Magazin „Alt”: „Viele wissen es vielleicht nicht, aber Frauen in gewalttätigen Beziehungen sind oft gezwungen, Verträge über Sex und andere Dinge zu unterschreiben. Diese App ist ein Traum für Gewalttäter. Sie ist so schädlich.“

    Die Debatte darüber, was einvernehmlicher Sex ist, wird in Dänemark weitergehen. Die Däninnen und Dänen scheinen dabei allerdings nicht auf „iConsent“ vertrauen zu wollen: In dänischen Appstores kommt die App auf gerade mal zwei von möglichen fünf Sternen.