Berlin. In Bayern hat ein Mann drei Menschen und sich selbst getötet. Die Ermittler rätseln. Eine Obduktion soll bei der Aufklärung helfen.

Vier Tote an drei Tatorten. Im bayerischen Weilheim, eine gute Stunde südwestlich von München, hat ein Mann offenbar seine Frau, deren Zwillingsschwester und den Ehemann der Schwester getötet. Dann nahm er sich selbst das Leben. Nun fragen sich Anwohnende und Behörden: Was trieb den Täter an? Die Ermittler halten sich zunächst bedeckt. Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei tötete der 59-Jährige am Freitag erst die Frauen (beide 57) und dann den 60-Jährigen.

In der der Kreisstadt ist das Verbrechen am Samstagmorgen meist kein großes Thema. "Davon habe ich noch nichts gehört. Das wundert mich, weil wir haben viele ältere Kunden, das ist ein sehr familiäres Umfeld, hier wird normalerweise über alles gesprochen. Ich glaube, davon weiß unsere Kundschaft gar nichts", sagt eine Verkäuferin in einem Bio-Lebensmittelgeschäft in der Innenstadt. "Es passiert so viel auf der Welt, was sind da vier Tote?", meint eine Bedienung in einem Café. "Darüber wurde heute nicht gesprochen."

Die Ermittler wollen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht verraten, wie das genaue Verhältnis der Toten zueinander war. Sie teilen lediglich mit, sie seien miteinander verwandt gewesen. Wer wo mit wem wohnte und ob die Toten Kinder haben, geben die Polizisten ebenfalls nicht an. Allerdings schreibt auch der Bayerische Rundfunk, dass es sich bei den getöteten Frauen um Zwillingsschwestern gehandelt habe.

Motiv des Täters unklar – Femizid möglich

Das Motiv des Täters war am Samstag zunächst nicht bekannt. "Das ist aktuell Gegenstand der kriminalpolizeilichen Untersuchung", sagt Polizeisprecher Alexander Huber. Aber selbst wenn die Polizei irgendwann etwas Handfestes dazu hat, wird die Öffentlichkeit darüber wahrscheinlich kaum mehr erfahren. "Letztlich ist es kommuniziert, dass es sich um eine Beziehungstat handelt", erklärt Huber. Da der mutmaßliche Täter tot sei und keine Gefahr für die Bevölkerung bestanden habe, sei die Frage des Motivs auch eine Frage des Persönlichkeitsschutzes und werde daher wahrscheinlich nicht veröffentlicht.

Die Einordnung dieser und ähnlicher Taten als "Beziehungstat" ist umstritten. Forschende sowie Kritikerinnen und Kritiker der Formulierung argumentieren, der Begriff verharmlose das Geschehene. Statt um eine romantische Beziehung gehe es den – ganz überwiegend männlichen – Tätern um Machtausübung. Sie setzten Beziehung mit Besitz gleich, die Partnerin werde als Eigentum betrachtet, über das nach Belieben verfügt werden könne.

Letztlich ist das Geschlecht über Leben und Tod entscheidend. Kriminologinnen und Kriminologen sprechen daher von sogenannten Femiziden; dem Mord an Frauen, weil sie Frauen sind. In Deutschland geschehen diese Taten teils mehrmals in der Woche: 2020 gab es laut BKA-Auswertung 139 solcher Fälle – statistisch gesehen stirbt hierzulande jeden dritten Tag eine Frau durch die Hand ihres Partners. Auch deswegen fordern manche, Femizid sollte als eigener Straftatbestand geahndet werden. Lesen Sie dazu auch: Polizei-Studie zeigt: Wer in Deutschland Opfer von Kriminellen wird – und warum

Frauen starben an "massiven Verletzungen"

Die Schwestern starben nach Ermittlerangaben im Haus des mutmaßlichen Täters an "massiven Verletzungen". "Die Frauen hatten keine Schussverletzungen", sagt Huber. Auch über mögliche Stichverletzungen sei ihm nichts bekannt. Die genaue Todesursache soll eine Obduktion klären. Diese sei für Montag geplant. Mehr zum Thema: Gewalt gegen Frauen: Grüne wollen Frauen besser schützen

Nach dieser Tat soll der Verdächtige seinen Schwager umgebracht haben - rund einen Kilometer vom Fundort der Frauen entfernt. Eine Zeugin hatte den 60-Jährigen leblos im Garten eines Mehrfamilienhauses im Ortszentrum von Weilheim entdeckt und Polizei und Rettungsdienst verständigt - der entsprechende Notruf ging um 16.50 Uhr ein. Die Reanimationsmaßnahmen blieben nach Angaben der Polizei erfolglos. Seine Leiche weise eine Schussverletzung auf, sagt Huber.

Anschließend soll sich der 59-Jährige auf einer Parkbank das Leben genommen haben, in der Nähe des Flusses Ammer, keine drei Kilometer vom Fundort des 60-Jährigen entfernt. Auch seine Leiche hat Huber zufolge eine Schussverletzung. Ein Passant hatte den Toten am Freitag gegen 19.15 Uhr gefunden.

Weilheim hat etwa 23.000 Einwohner. Die Stadt liegt rund 50 Kilometer südwestlich von München im Landkreis Weilheim-Schongau, von der Landeshauptstadt ist sie mit der Bahn gut zu erreichen. Am Samstagmittag scheint alles wie immer zu sein. Nur an den Tatorten, an denen die drei Opfer starben, steht jeweils ein Polizeiauto. An einem Haus liegen Blumen, jemand hat eine Kerze aufgestellt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.