Würzburg. Im fränkischen Würzburg wurden bei einer Messerattacke mehrere Menschen verletzt und getötet. Was bisher zu dem Vorfall bekannt ist.

  • In Würzburg starben am Freitagabend bei einer Messerattacke drei Menschen
  • Das örtliche Amtsgericht kannte den Verdächtigen bereits aus mehreren Verfahren - unternahm aber nichts
  • Auch in Sachsen wurde gegen den Verdächtigen bereits ermittelt
  • Ermittler haben in der Unterkunft des Mannes keine Hinweise für ein islamistisches oder extremistisches Motiv entdeckt
  • Unklar ist, inwieweit die Psyche des wiederholt auffälligen Mannes eine Rolle gespielt hat
  • Die Ermittlungen dauern an

Nach der Messerattacke in Würzburg, bei der drei Menschen getötet und mehrere verletzt wurden, sind die genauen Hintergründe der Tat noch nicht vollständig geklärt. Die Ermittlungen der Polizei dauern an. Welche Informationen über Tat und mutmaßlichen Täter sind bisher bekannt? Gibt es Hinweise auf ein islamistisches Motiv? Wir fassen alle wichtigen Informationen zusammen.

Messerattacke: Was genau ist in Würzburg passiert?

Am Freitag gegen 17 Uhr betritt Abdirahman J. die Woolworth-Filiale am Barbarossaplatz im Zentrum von Würzburg. Er fragt eine Angestellte in der Haushaltswarenabteilung, wo es Messer gibt. Dann greift er sich ein langes Messer aus der Auslage und sticht ebenso unvermittelt wie enthemmt auf eine 49-Jährige ein. Sie erliegt ihren schweren Verletzungen noch vor Ort. Auch zwei weitere Frauen (24 und 82), die J. attackiert, sterben.

Ein Kaufhausdetektiv wird der Polizei später sagen, er habe den Täter "Allahu akbar" (Gott ist groß) rufen hören. Beim Verlassen des Geschäfts sticht J. auf weitere Kunden und Passanten ein. Er verletzt drei weitere Frauen (39, 52, 73), ein Mädchen (11) und einen Jugendlichen (16) lebensgefährlich sowie einen Mann (57) und eine weitere Frau (26) leicht. Passanten stellen sich ihm in den Weg. Sie nutzen dafür Klappstühle eines Cafés, Stangen und andere Gegenstände, einer sogar einen Besen. Es gelingt ihnen, den Täter in eine Nebengasse zu treiben.

Kurz danach trifft ein Streifenwagen der Polizei ein, ein Mann weist ihm den Weg. Als sich die Polizisten J. nähern, bedroht dieser sie mit dem Messer. Ein Polizist stoppt ihn gegen 17.07 Uhr mit einem Schuss in den Oberschenkel. J. wird überwältigt und danach in ein Krankenhaus gebracht. Gegen 21.30 Uhr stürmt die Polizei das Obdachlosenheim, in dem J. zuletzt gewohnt hat. Gegen ihn wird ein Haftbefehl wegen dreifachen Mordes und sechsfachen Mordversuchs ermittelt. Insgesamt gibt es sieben Verletzte, fünf davon schwer.

Bewaffnete Polizisten sichern die Gegend in der Nähe des Tatorts ab.
Bewaffnete Polizisten sichern die Gegend in der Nähe des Tatorts ab. © dpa

Was weiß man über die Opfer?

Bei den drei Opfern handelt es sich um Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren, die nach Angaben der Polizei im Kaufhaus verstarben. Sie wohnten in Unterfranken - in den Landkreisen Main-Spessart und Würzburg und in Würzburg selbst. Vorherige Angaben, eine der Frauen habe in dem Laden als Verkäuferin gearbeitet, träfen nicht zu, sagte ein Polizeisprecher. Die Elfjährige, die durch den mutmaßlichen Täter ebenfalls verletzte wurde, ist die Tochter der getöteten 49-Jährigen.

Die Toten und Verletzten sind bis auf einen 16-Jährigen sowie einen 57-Jährigen ausnahmslos Frauen im Alter von elf bis 82. Das könnte ein Hinweis auf ein Femizid-Motiv sein, also die gezielte Tötung von Frauen.

Nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Hermann (CSU) sind die Schwerverletzten inzwischen außer Lebensgefahr. "Es steht aber zu befürchten, dass langanhaltende Schäden zurückbleiben", so Hermann im ARD Morgenmagazin.

Was weiß man über den Täter?

Der 24-jährige Abdirahman J. stammt aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu und kam im Mai 2015 als Flüchtling nach Deutschland. Er stellte einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. J. erhielt aber "subsidiären Schutz". Dieser wird erteilt, wenn keine Asylberechtigung und kein Flüchtlingsschutz beim Antragsteller besteht, er aber aufgrund der politischen Lage in seinem Heimatland nicht dorthin abgeschoben werden kann. In Somalia herrscht seit 1991 Bürgerkrieg, das Land ist von Terror, Gewalt und Kriminalität geprägt.

J. lebte zunächst in Chemnitz und fiel bereits den Behörden in Sachsen auf. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz ermittelten gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung, nach einer körperlichen Auseinandersetzung in einer Asylunterkunft. Die Ermittlungen wurden jedoch eingestellt.

Im September 2019 zog J. schließlich nach Würzburg und war dort zuletzt in einem Obdachlosenheim untergekommen. Mitbewohnern zufolge soll er sich in den letzten Monaten stark verändert und Wahnvorstellungen geäußert haben. Vor etwa einem halben Jahr bedrohte er Mitbewohner und Mitarbeiter des Heims nach einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Küchenmesser, verletzte aber niemanden. J. wurde in eine Psychiatrie eingewiesen, nach vier Wochen wieder entlassen. Die Ermittlungen wegen Bedrohung wurden eingestellt.

Für das Amtsgericht Würzburg ist Abdirahman J. kein Unbekannter, wie eine Woche nach der Tat bekannt wurde. In vier Verfahren hat sich das Gericht mit der vorläufigen Unterbringung J.s in einer Psychiatrie oder einer Betreuungseinrichtung beschäftigt - angeordnet wurde dies aber in keinem der Verfahren.

Wenige Tage vor seiner Amoktat stoppte J. ein Auto in Würzburg, stieg ein und wollte nicht mehr aussteigen. Erneut wurde er in die Psychiatrie eingewiesen, aber bereits nach einem Tag wegen "fehlendem Behandlungsbedarf" wieder entlassen.

In seiner Unterkunft fanden die Ermittler bisher keine Hinweise für ein islamistisches oder extremistisches Motiv. "Bislang sind beim Tatverdächtigen noch keine Hinweise auf Propagandamaterial oder sonstige extremistische Inhalte gefunden worden", teilten Generalstaatsanwaltschaft München und Landeskriminalamt am Dienstag mit. Das Ermittlungsverfahren dauere an. Im Zuge dessen soll es ein psychiatrisches Gutachten geben, um zu klären, ob der 24 Jahre alte Somalier bei der Tat am Freitag schuldfähig war und in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden muss.

Polizisten nach der Messerattacke in der Innenstadt von Würzburg.
Polizisten nach der Messerattacke in der Innenstadt von Würzburg. © dpa

Söder zur Messerattacke in Würzburg: "Entsetzlich und schockierend"

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezeichnete die Nachrichten aus Würzburg als entsetzlich und schockierend. Zudem dankte er Zeugen: "Ein großer Dank und Respekt für das beherzte Eingreifen vieler Bürger, die sich dem mutmaßlichen Angreifer entschlossen entgegenstellten." Am Samstag ordnete Söder für ganz Bayern Trauerbeflaggung an.

Der bayerische Innenminister Joachim Hermann sprach von einer Tat, die "in der Brutalität unglaublich" sei und versprach eine schnelle und sorgfältige Aufklärung.

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Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich bestürzt über die Tat in Würzburg. Der Täter habe "mit äußerster Brutalität" gehandelt. "Für diese menschenverachtende Tat wird er durch den Rechtsstaat zur Verantwortung gezogen", erklärte Steinmeier laut der Deutschen Presse-Agentur.

Erneute Gewalt in Würzburg

In der Nähe von Würzburg war es bereits vor knapp fünf Jahren, am 18. Juli 2016, zu einem ähnlichen schweren Zwischenfall gekommen. Bei einer Attacke in einer Bahn waren dabei vier Menschen schwer verletzt worden. Ein 17-jähriger Afghane hatte mit einer Axt und einem Messer in einer Regionalbahn auf dem Weg nach Würzburg Reisende angegriffen. Anschließend flüchtete er zu Fuß, attackierte eine Spaziergängerin und wurde schließlich von Polizisten erschossen.

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(fmg/mit dpa/afp)