Berlin. Am Freitag soll Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs abgeschafft werden. Die Reform-Pläne der Ampel gehen aber noch deutlich weiter.

Am Freitag hat der Bundestag in erster Lesung über den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs debattiert und wird, aller Voraussicht nach, mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP in naher Zukunft dafür sorgen, dass dieser abgeschafft wird. Es ist die erste von mehreren Reformen beim Thema Schwangerschaftsabbruch, die die Ampel-Koalition plant.

Paragraf 219a hatte schon die Vorgängerregierung beschäftigt: Denn die Regelung untersagte Ärztinnen und Ärzten unter dem Schlagwort „Werbeverbot“ bis 2019, auf ihren Webseiten darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Eine Reform des Paragrafen unter der Großen Koalition erlaubte zwar die Information über das Angebot an sich, nicht aber Details zu Methoden und wurde deshalb als unzureichend kritisiert, unter anderem von Grünen und FDP.

Schwangerschaftsabbruch: Union will an 219a festhalten

Weil auch die SPD schon damals eigentlich auf eine Streichung von 219a gedrungen hatte, stand das Thema ganz oben auf der frauenpolitischen Agenda der Ampel-Koalition. Die Abschaffung sei „echter Meilenstein für mehr Selbstbestimmung von Frauen“, sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) dieser Redaktion. Sich in seiner Sexualität und bei der Familienplanung frei und ohne Zwang entfalten zu können, sei ein wichtiges Menschenrecht. „Dazu gehört auch frei bestimmen zu können, ob, wann und mit wem man Kinder haben möchte“, erklärte Paus.

Die Union als größte Oppositionsfraktion will dagegen an dem Paragrafen festhalten. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) erklärte dazu, dass das „Schutzgut des ungeborenen Lebens“ mitberücksichtigt werden müsse.

Die Reformpläne der Regierungsparteien gehen allerdings noch weiter. Schon im Koalitionsvertrag heißt es, dass das Selbstbestimmungsrecht von Frauen gestärkt werden solle.

Ampel will klären, wie Abbrüche außerhalb des Strafrechts geregelt werden können

Deshalb soll jetzt unter anderem die Regelung von Abbrüchen im Strafrecht auf den Prüfstand kommen. „Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen, werden auch hier immer noch stigmatisiert“, sagte Familienministerin Paus – auch, weil der Vorgang in Deutschland nach wie vor illegal ist. Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs stellt den Abbruch einer Schwangerschaft unter Strafe. Nur wenn der Eingriff vor der 14. Schwangerschaftswoche, nach einer Beratung durch eine anerkannte Beratungsstelle und drei Tagen Bedenkzeit stattfindet, bleibt er straffrei. Lesen Sie auch: Abschaffung von § 219a - was sich für ungewollt Schwangere jetzt ändert

Eine Kommission soll bald prüfen, „ob und wie Regelungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches möglich sind“, sagte Paus dieser Redaktion. Außerdem sollen alle Themen rund um Verhütung und Schwangerschaft als Gesundheitsleistung akzeptiert werden. Bislang müssen ungewollt Schwangere die Kosten für das Prozedere selbst tragen, je nach Methode können dabei 200 bis etwa 600 Euro anfallen. Frauen mit geringem Einkommen können einen Antrag auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse stellen.

Zudem will die Koalition sogenannte „Gehsteigbelästigungen“ unterbinden. Dabei geht es um Protestaktionen von Abtreibungsgegnern und -Gegnerinnen vor Beratungsstellen und Praxen, bei denen mutmaßlich schwangere Frauen auf dem Weg in die Einrichtung durch Plakate, aber auch direkte Ansprache davon abgehalten werden sollen, sich für einen Abbruch zu entscheiden.

Die Zahl der Abbrüche bleibt etwa gleich, doch der Zugang wird schwieriger

„Der Weg zur Beratung darf kein Spießrutenlauf sein“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, dazu dieser Redaktion. Die Koalition habe sich deshalb vorgenommen, sogenannten Gehsteigbelästigungen vor Beratungsstellen im Schwangerschaftskonflikt „wirksame Maßnahmen“ entgegenzusetzen.“ Für Frauen in Schwangerschaftskonflikten seien „diese vermeintlichen Demonstrationen schlicht unerträglich“, sagte die SPD-Politikerin. Kommentar: Streichung von 219a: Abtreiben ist nie leicht

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland bewegt sich seit Jahren relativ konstant um die Marke von 100.000 Fällen pro Jahr. 2021 war sie um 5,4 Prozent gesunken, auf rund 94.600. Doch obwohl die Zahl der Schwangeren, die einen Abbruch brauchen, etwa gleich bleibt, werden die Möglichkeiten dafür immer geringer. Der Verein „Doctors for Choice“, der sich für reproduktive Rechte einsetzt, geht davon aus, dass sich die Zahl der Praxen, die die Leistung anbieten, in den vergangenen 20 Jahren etwa halbiert hat.