Berlin. Zum ersten Mal debattierten die Spitzenkandidatin und -kandidaten fürs Kanzleramt und FDP-Chef Lindner über ein grünes Herzensthema.
Es war der erste Quartett-Auftritt in diesem Bundestagswahlkampf. Am Mittwochnachmittag diskutierten erstmals nicht nur die drei Aspiraten aufs Kanzleramt, Olaf Scholz (SPD), Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (CDU), miteinander, sondern auch FDP-Chef Christian Lindner. Laschet war dabei aus Düsseldorf zugeschaltet.
Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, welche energiepolitischen Weichen die nächste Bundesregierung stellen muss. Eingeladen hatte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der nach eigenen Angaben über 1900 Unternehmen vertritt.
Baerbocks Herzensthema
Nach der Aufregung um unsaubere biografische Angaben, nicht angegebene Sonderzahlungen sowie nach einer eher soliden, denn mitreißenden Rede auf dem Nominierungsparteitag konnte Baerbock bei einem der Herzensthemen der Grünen wieder Tritt fassen. Das Gesetz für Erneuerbare Energien müsse dringend entbürokratisiert werden: „Denn Klimaziele werden nur erreicht, wenn wir wirklich zu 100 Prozent erneuerbarem Strom kommen“, sagte sie und teilte dann kräftig gegen die Bundesregierung aus. Diese habe wichtige Zukunftsinvestitionen gedeckelt.
Von der bissigen Eingangsfrage des Moderators Marco Seiffert, sonst als Journalist beim RBB tätig, warum es beim Ausbau der Windenergie häufig in den Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung ruckele, ließ sie sich nicht aus der Fassung bringen. „Weil die Regeln für die Erneuerbaren Energien im Bund gemacht werden“, parierte sie. Zur Untermauerung ihrer Expertise ließ sie gelegentlich Fachbegriffe einfließen, sprach etwa von „windhöffig“, womit das durchschnittliche Windaufkommen an einem Standort gemeint ist.
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Laschet: Grüne haben nichts mit Kohleausstieg zu tun
Baerbocks Behauptung, die Grünen hätten dafür gesorgt, dass der Kohleausstieg massiv beschleunigt worden sei, wollte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet nicht stehen lassen: „Die Grünen haben damit nichts zu tun.“ Er habe als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident den Kohleausstieg „persönlich“ mit seinem niedersächsischen Amtskollegen Stephan Weil (SPD) ausgehandelt.
Damit habe man die größte CO2-Reduktion in Deutschland in den letzten Jahren geschaffen. Auch bestritt Laschet, die Regierung sei vom Bundesverfassungsgericht zu einem schnelleren Tempo beim Erreichen der Klimaneutralität getrieben worden. Die Karlsruher Richter hätten lediglich angemahnt, dass konkretisiert werden müsse, was nach 2030 geschieht.
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Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende April in einem historischen Urteil den Gesetzgeber verpflichtet, das Klimaschutzgesetz bis Ende 2022 nachzubessern und die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Geklagt hatte unter anderem die Fridays-for-future-Aktivistin Luisa Neubauer.
Scholz: Brauchen mehr Strom
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nannte als „größte Herausforderung“ der künftigen Energiepolitik nicht die steigende CO2-Bepreisung, sondern „dass wir mehr Strom bekommen“.
Dafür müssten die Stromnetze ausgebaut und nach der Wahl jedes Bundesland verpflichtet werden, mindestens zwei Prozent seiner Landesfläche für Erneuerbare Energien zur Verfügung zu stellen.
Bundestagswahl: Die Kanzlerkandidaten
Für FDP-Chef Lindner ist die wichtigste Aufgabe der nächsten Bundesregierung, „eine kritische Bestandsaufnahme zu machen“. Ausdrücklich pflichtete er Olaf Scholz bei, dass die bisherigen Pläne beim Zubau Erneuerbaren Energien bis 2030 nicht ausreichen würden. „Da sind wir einer Meinung“, freute sich Lindner.
Dafür seien schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren notwendig und nicht – kleiner Seitenhieb gegen die Grünen – höhere Subventionen. Man dürfe sich auch nicht in einer Debatte über Benzinpreise „verheddern“, stichelte er in Richtung Baerbock weiter. Die Grünen fordern eine Erhöhung des Benzinpreises um 16 Cent.
Erneuerbare Energien: Bürokratieabbau nötig
Der Feststellung, dass beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ein Bürokratieabbau notwendig sei, wollte niemand in der Runde widersprechen. „Ich glaube, wir haben hier Einvernehmen, dass wir im Planungs-, im Genehmigungs- und im Baurecht mehr Tempo brauchen“, stellte Lindner denn auch zufrieden fest.
Den Eindruck der Harmonie wollte Baerbock dann aber doch nicht so gelten lassen. „Wenn sich hier alle so einig sind, frage ich mich, warum wir beim Ausbau Eneuerbarer Energien so ein Problem haben“, lästerte sie in Richtung ihrer Mitdiskutanten.
Auch BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff mahnte ein anderes Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien an. „Kohleausstieg geht nur, wenn wir genug ausgebaut haben", sagte sie. Vor allem aber müsse die Politik mehr Begeisterung für die Energiewende schaffen, forderte sie.
Scholz sollte etwas Nettes über Laschet sagen
Zum Abschluss versuchte Moderator Seiffert, den Gästen noch ein positives Wort über die anderen Teilnehmer abzuringen. Das gelang nur halb. Was das Beste sei, was er einer von Armin Laschet geführten künftigen Regierung beim Thema Klima zutraue, wollte Seiffert von Scholz wissen. „Eine komplette Kehrtwende“ in der Klimapolitik, giftete Scholz. „Sie sollten was Nettes sagen“, meckerte Laschet zurück.
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