Berlin. Die israelische Botschaft zeigt erstmals in Deutschland unzensierte Videos aus den Bodycams der Angreifer und Mobiltelefonen der Opfer.

Was ist wirklich geschehen am 7. Oktober 2023? Dem Tag, der sich schon jetzt für immer in das kollektive Bewusstsein der Israelis eingebrannt hat. Als der Tag, an dem ganz normale Bürger – Männer, Frauen, Kinder – ohne jede Vorwarnung von gut organisierten Mordkommandos der Hamas überfallen wurden. Am Sabbat, an dem Eltern Zeit mit den Kindern verbringen und das Land friedlich den Feiertag begeht. Dass es unfassbare Brutalität gab, war schnell klar und ist durch Schilderungen von Soldaten und Reportern überliefert. Aber die ganze Wahrheit kennen bislang nur die Täter – und die Menschen, die das Grauen überlebt haben. Die israelische Botschaft in Berlin hat deutschen Journalistinnen und Journalisten jetzt erstmals unzensierte Originalaufnahmen zugänglich gemacht. Sie stammen aus den Mobiltelefonen von Opfern, Webcams der Kibbuze, von Ermittlern, die Beweise nach den ersten Angriffen filmisch sicherten und besonders häufig von den Tätern, die sich mit ihren Horrorvideos in (a)sozialen Netzwerken feiern. Wer schwache Nerven hat, sollte an dieser Stelle besser nicht weiterlesen.

Der Einladungstext von Israels Botschafter Ron Prosor war unmissverständlich: Striktes Handyverbot für alle Teilnehmer, keine Tonaufnahmen, kein Streamen, kein Verwerten oder Ausstrahlen der gezeigten Sequenzen. Israel will das Leid der Geschundenen zeigen, aber sie durch öffentliches Bloßstellen nicht ein zweites Mal zu Opfern machen. Angehörige der Opfer hatten zugestimmt, dass die Bilder gezeigt werden dürfen. Mehr grausames Material kursiert in Netzwerken und wird von Unterstützern der Hamas geteilt.

Videos zeigen blutüberströmte und verstümmelte Besucher des Musikfestivals „Supernova“

Der Zusammenschnitt der Filmsequenzen, vorgeführt im Besprechungsraum der hermetisch abgeriegelten Residenz, ist selbst für erfahrene Nachrichtenjournalisten kaum zu ertragen. „October 7th 2023 – Hamas Massacre, collected raw footage“ ist der Titel des Films, den die israelische Armee zusammengestellt hat. „Es gibt noch schlimmere Bilder, die nicht gezeigt werden können“ erläutert der Botschafter, der die Vorführung schweigend aus der zweiten Sitzreihe verfolgt.

Ein Video zeigt, wie ein junges Paar sich in ihrem silbernen Kleinwagen den schwerbewaffneten Terroristen nähert. Die Dashcam des Autos zeichnet auf, wie Schüsse die Windschutzscheibe zerfetzen und das Auto unkontrolliert von der Straße abkommt. Bodycams der Terroristen filmen den Angriff und zeigen, wie das junge Paar auf den Sitzen übereinander zusammenbricht.

Andere Videos zeigen blutüberströmte und verstümmelte Besucher des Musikfestivals „Supernova“. Sie werden erschossen oder mit ihren schweren Verletzungen auf Pritschen der Hamas-Pickups geworfen. Auch die Szene mit der deutschen Geisel Shani Louk ist dabei. Diesmal ist durch die hohe Auflösung die tiefe und mutmaßlich tödliche Kopfwunde zu sehen, die sie bereits auf der Ladefläche des Hamas-Transporters hatte.

Von unseren Reportern in Israel

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Aufnahmen zeigen: Ein Vater stirbt vor den Augen seiner Söhne

Am schwersten zu ertragen sind die Bodycam-Aufnahmen der Terroristen, wie sie die arglosen Kibbuzbewohner in ihren kleinen Bungalows aufstöbern. Wie sie über Spielzeug steigen und sich in Schlaf- und Kinderzimmer schleichen. Ein Vater versucht seine beiden Söhne, die bereits in Panik sind und nur Unterhosen tragen, in der Außendusche des Hauses zu verstecken. Ein Hamas-Terrorist wirft eine Handgranate hinein und tötet den Vater vor den Augen der Söhne. Die beiden fliehen ins Haus zurück, wo sie traumatisiert versuchen, mit Wasser aus einer Flasche ihre Wunden zu waschen. Der Jüngere ruft nach seiner Mutter und sagt zu seinem Bruder, „Itay, wir werden sterben“. Ein Hamas-Terrorist ist bei ihnen und durchwühlt den Kühlschrank nach Getränken. Dann bricht der Film ab und zeigt die Sequenz, wie die überlebende Mutter den toten Vater findet. Das Schicksal der Söhne bleibt offen.

In abgefangenen Mobilfunksequenzen ist der Telefonverkehr zwischen Hamas-Führern und ihren Männern dokumentiert. Sie fordern die Terroristen auf, Köpfe abzuschlagen und zu filmen, wie sie damit spielen. Ein Hamas-Mann ruft seinen Vater mit dem Mobiltelefon einer Frau an, die er gerade getötet hat und prahlt: „Ich habe Zehn mit bloßen Händen getötet!“

Von toten israelischen Kindern werden Standbilder gezeigt. Ihre Körper haben Schusswunden, Verbrennungen, ein Säugling liegt mit Kopfschuss auf der Wickelkommode.

Neben der Brutalität zeigen die Aufnahmen auch eine große Unbefangenheit der Terroristen. Sie filmen sich gegenseitig, lachen vor ihren Opfern in die Kameras und sind für die Gesichtsscanner der israelischen Armee in bester Auflösung erkennbar. Die Fülle des Videomaterials der Hamas zeigt, dass das Filmen der Opfer zur neuen Terrorstrategie gehört. Es ist den Tätern – alles Männer – egal, ob sie weltweit identifizierbar werden.

Nach der Vorführung herrscht lange Stille

Fast eine Stunde dauerte die schreckliche Vorführung, bei der kein einziges Wort gesprochen wurde. Nachdem der Film endet, herrscht lange Stille. Man könnte eine Stecknadel auf den Boden fallen hören. Die Botschaftsmitarbeiter, die meisten in schwarz gekleidet, sind wie der Botschafter erkennbar aufgewühlt. Ron Prosor sagt nicht viel bei diesem Termin in seiner Residenz, „die Bilder sagen alles“ raunt er fast unhörbar.

Warum zeigt der Staat das schreckliche Material jetzt? Der Zusammenhang mit den Bildern aus dem angegriffenen Gaza-Streifen liegt nahe. Israel muss für das Recht zur Selbstverteidigung aktiv werben. Ron Prosor erläutert in seiner kurzen Begrüßung: „Es gibt manche, die nicht glauben, dass das alles echt passiert ist“.

Es sind Bilder, die nie wieder aus dem Kopf gehen

Zur Authentizität aller Bilder gibt es keine Belege. Aber die Aufnahmen wirken durchweg authentisch und plausibel und passen in den Kontext der veröffentlichten Schilderungen von Augenzeugen. Es gibt keinerlei Auffälligkeiten, die misstrauisch machen. Der Staat Israel riskiert zudem viel, würde er in diesem Kontext auf einzelne Fakes hereinfallen.

Wer bislang einen klaren, unideologischen Blick auf den Überfall hatte, wird durch das Betrachten der Videos zu keiner anderen Erkenntnis gelangen, als dass die Hamas ein unverzeihliches, furchtbares Verbrechen begangen hat. Aber wer daran zweifelt, der sollte die Gelegenheit haben, diese Videos zu sehen. Es sind Bilder, die nie wieder aus dem Kopf gehen und die stärker sind als jedes noch so gute Argument.

Auf dem Nachhauseweg gehen die Reporter an verwelkten Blumen vorbei, die Anwohner nach dem Überfall vor der Botschaft abgelegt haben. Mir kommt ein Satz in den Sinn, den Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant nach dem Überfall öffentlich sagte: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere“. Ein Satz der so emotional wie falsch ist. Es gibt im Tierreich keine Arten, die mit derart sadistischer Mordlust töten, wie sie die Aufnahmen der Terroristen dokumentieren.